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Unternehmeredition 5/2015 - Familienunternehmen und AG

Zwischen Family Governance und Kapitalmarktrecht

| Unternehmeredition Personal, Strategie 201554 M it einem Börsengang stehen Un- ternehmen und Familie plötz- lich verstärkt im Licht der Öffentlichkeit. Sie unterliegen einer Vielzahl von – für die Beteiligten neu- en – aktien- und kapitalmarktrecht- lichen Vorschriften: Etwa der Pflicht zur Offenlegung von Stimmrechtsan- teilen oder der Ad-hoc-Publizität. Vor allem aber ist die Familie nicht mehr Alleineigentümerin „ihres“ Unterneh- mens. Dies kann zunächst einmal be- fremdlich sein: Schließlich ist die Fa- milie doch typischerweise weiterhin Mehrheitsaktionärin der Gesellschaft und kann damit maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung nehmen, etwa indem sie das Leitungs- oder Kontrollorgan nach ihren Vorstel- lungen besetzt. In gewissem Sinn steht ein Börsen- gang damit in Widerspruch zum Aspekt der Family Governance, der in jüngerer Zeit verstärkt Einzug in die Praxis von Familienunternehmen gehalten hat. Durch die Family Governance soll das Zusammengehörigkeitsgefühl der Fa- milienmitglieder sowie die Identifikati- on mit dem Unternehmen gestärkt und gefestigt werden. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Teilhabe der gesamten Unternehmerfamilie an Informationen über die wesentliche Geschäftsent- wicklung. Unproblematisch ist dies insoweit, als Familienmitglieder Gesell- schaftsorganen angehören und damit selbst Informationsträger sind. Hinge- gen stößt die privilegierte Informati- onsweitergabe an Familienaktionäre, die keinem Organ angehören, an recht- liche Grenzen. Vorabinformation bedingt zulässig Auch bei börsennotierten Aktienge- sellschaften besteht keine Rechts- pflicht zur Herstellung einer gleichen Informationslage unter sämtlichen Aktionären. So verbietet es die aktien- rechtlich gebotene Gleichbehandlung der Aktionäre nicht, sachlich begrün- dete Differenzierungen im Hinblick auf einzelne Aktionäre vorzunehmen. Zumindest soweit bestimmte Einzel- maßnahmen in Rede stehen, ist die punktuelle Vorabinformation wesent- lich beteiligter Aktionäre oder Aktio- närsgruppen erlaubt, sofern dies im Familie und Kapitalmarkt – Ein Widerspruch? Henkel, Merck, Wacker Chemie oder Fielmann – börsennotierte Familienunternehmen sind keineswegs eine Ausnahmeerscheinung. Mit dem Gang an die Börse ist aber in jedem Fall ein erheblicher Kulturwandel für alle Beteiligten verbunden. Was bedeutet das konkret? VON DR. BERND GRASSL Unternehmensinteresse gerechtfertigt ist. So kann die Gesellschaft etwa im Hinblick auf eine mögliche Kapitaler- höhung beim Mehrheitsaktionär vorab anfragen, ob er Interesse an der Zeich- nung neuer Aktien hat. Hingegen wäre ein generelles Informationsprivileg der Familienaktionäre, wie es dem Gedan- ken der Family Governance am besten entspräche, unzulässig. Weitergabe von vertraulichen Informationen Die aktienrechtlich normierte Ver- schwiegenheitspflicht von Vorstand und Aufsichtsrat verbietet die Wei- tergabe vertraulicher Informationen. Allerdings kann auch insoweit eine punktuelle Offenlegung im Unterneh- mensinteresse gerechtfertigt sein, sodass die Organmitglieder in dieser Hinsicht von der Pflicht zur Verschwie- genheit befreit sind. Ob Geschäfts- geheimnisse tatsächlich offengelegt werden, ist eine unternehmerische Entscheidung, deren Zulässigkeit an- hand der Business Judgement Rule zu beurteilen ist. Hiernach ist maßgeb- lich, ob das betreffende Organmitglied vernünftigerweise annehmen darf, bei der Weitergabe auf der Grundlage an- gemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Dies kann etwa im Hinblick auf eine von einem möglichen Investor oder potenziellen Paketerwerber geforderte Due-Dili- gence-Prüfung der Fall sein. Für eine fortlaufende Information der Familie im Sinne einer Family Governance ist jedoch kein Raum. Vielmehr würden Strategie ZUR PERSON Dr. Bernd Graßl, LL.M. ist Partner bei P+P Pöllath + Partners in München. Er berät Gesellschafter, Unternehmen und Organmitglieder insbesondere in Fragen des Aktien- und Konzern- rechts sowie im Kapitalmarktrecht, bei SE-Umwandlungen und sonstigen laufenden gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten und Streitigkeiten. www.pplaw.com

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