Zusammenspiel der Beteiligten: Erfolgsfaktor bei Insolvenzen

Gut abgestimmte Teams sorgen für reibungslose Restrukturierungsverfahren

Insolvenz
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Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist 2024 stark gestiegen. Branchenexperten rechnen auch 2025 mit einem weiteren Wachstum − wenn auch mit weniger Dynamik. Was macht das mit der Branche? Sind die Sanierungsfachleute diesem Ansturm gewachsen? Und wie geht dieser Sektor mit den neuen Technologien um? Dies beleuchten wir im zweiten Teil unseres Sentiments. Den ersten Teil lesen Sie hier.

Wie klappt das Zusammenspiel der Verfahrensbeteiligten? Oliver Kehren, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der TMA Deutschland und Managing Director bei Morgan Stanley: „Es hängt immer von den konkret handelnden Personen ab. In eingespielten Teams funktioniert die Restrukturierung mittels Verfahren nach ESUG oder StaRUG reibungslos und im Sinne der Stakeholder. In anderen Fällen scheinen manche Beteiligten die neueren Verfahren, gerade das StaRUG, noch nicht gut genug zu kennen, was die Zusammenarbeit dann schwieriger macht. Schwierig sind auch die Fälle, in denen man den Eindruck gewinnen kann, dass es mehr um eine Optimierung einzelner Beteiligter beziehungsweise der eigenen Außendarstellung geht als um eine sinnvolle Restrukturierung. Diese Fälle sind glücklicherweise selten.“

Dr. Maximilian Pluta, Foto: © Pluta Rechtsanwälte

Nach Ansicht von Dr. Maximilian Pluta von Pluta Rechtsanwälte ist bei der Zusammenarbeit mit den Gerichten ein gegenseitiges besonderes Vertrauensverhältnis wichtig: „Sowohl die bestellten Insolvenzverwalter, Sachwalter oder Restrukturierungsberater als auch die Sanierungsgeschäftsführer eines Unternehmens in Eigenverwaltung, sind in der Verantwortung, die Durchführung des jeweiligen Verfahrens bestmöglich durchzuführen.“

Gläubiger agieren immer professioneller

Dr. Christoph Niering, Vorsitzender, Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID), Foto: © VID

Dr. Pluta hat zudem bemerkt, dass mittlerweile die Mitglieder des Gläubigerausschusses sorgfältig ausgewählt werden und überwiegend aus Vertretern institutioneller Gläubiger bestehen. Das fördere den Einfluss der Gläubiger und die damit verbundene Kontrolle des Verfahrens. In 25 Jahren Insolvenzordnung hat Dr. Christoph Niering, Partner von NIERING STOCK TÖMP und Partner mbB Rechtsanwälte und Vorsitzender des Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) festgestellt, dass sich der Umgang mit dem Insolvenzrecht immer weiter professionalisiert: „Wir erleben regelmäßig eine gute Zusammenarbeit mit professionellen Gläubigervertretern, die genau wissen, was im Einzelfall möglich ist und was nicht.“ Bei der Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern ist nach Meinung von Dr. Maximilian Pluta eine intensive Kommunikation wichtig. Prof. Dr. Lucas F. Flöther von Flöther & Wissing Insolvenzverwaltung hat in seinen Verfahren festgestellt, dass sie in so gut wie in jedem Verfahren eine höchst konstruktive Rolle einnehmen: „Das ist umso beachtlicher, da es häufiger zum Abbau von Arbeitsplätzen kommt.“ Die Banken sind nach der Erfahrung von Flöther mittlerweile sehr strengen Standards unterworfen. Das habe es ihnen deutlich schwerer gemacht, gemeinsam mit den anderen Akteuren flexible Lösungen zu finden. Er sagt weiter: „Wir stellen aber immer noch fest, dass beispielsweise bei der Vorfinanzierung von Insolvenzgeld, bei Massedarlehen oder bei der Begleitung von Übernahmen und Sanierungen die Banken einen äußerst wichtigen Beitrag leisten.“

Kann man sanierte Unternehmen noch verkaufen?

Die Unsicherheiten in der Wirtschaft sowie die andauernden Krisen erschweren nicht nur das Wirtschaften – auch der Verkauf von sanierten Unternehmen ist schwieriger geworden. „Eine Unternehmensfortführungen gelingt schon immer nur in geeigneten Fällen. Ohne ein tragfähiges Geschäftsmodell gibt es keine Fortführung. Man sieht bei den Zahlen den Einfluss der Unternehmensgröße auf die Fortführungsperspektiven. Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr Aussichten bestehen für eine Fortführung, weil sich tendenziell auch mehr Interessenten für eine Übernahme finden lassen“, erklärt Niering zur aktuellen Situation.

Michael Ferber, Foto: Falkensteg
Michael Ferber, Foto: © Falkensteg

Nach Ansicht von Dr. Pluta stellt die aktuelle Wirtschaftslage Sanierungen derzeit vor Herausforderungen: „Während Absatzzahlen und Umsätze teilweise deutlich rückläufig sind, erhöhen sich die Personal- und Sachkosten; Finanzierungen für Unternehmen in der Krise stehen zudem unter Prüfungsvorbehalt. Das macht sich sowohl für die Sanierung aus eigener Kraft bemerkbar als auch in Verkaufsprozessen.“ Wichtig sei, dass solche Sanierungen auf Grundlage einer belastbaren Unternehmensplanung begleitet werden, um die Auswirkungen der jeweiligen Faktoren entsprechend realistisch beurteilen zu können. Pluta fährt fort: „Es wird sicherlich mehr Fälle als früher geben, in denen eine Sanierung aus eigener Kraft oder ein Verkauf nicht mehr gelingt und entsprechend eine Liquidation erforderlich ist.“

Ähnlich skeptisch sieht das auch Michael Ferber, Gründungspartner bei Falkensteg und Restrukturierungsexperte: „Insolvenzverfahren dauern immer länger und schnelle Verkäufe aus der Insolvenz nehmen stark ab. In einigen Branchen sind insolvente Unternehmen inzwischen unverkäuflich, weil sich Investoren von Krisenbranchen abwenden oder eine Finanzierung nicht möglich ist. Insbesondere für die Automobilzulieferer und das verarbeitende Gewerbe wird es eine Tour der Leiden.“ Die Rettungsquote von insolventen Großunternehmen ist innerhalb von drei Jahren von 62 auf 45% deutlich gesunken. Ein Viertel der Unternehmen, die im letzten Jahr einen Insolvenzantrag gestellt haben, mussten laut Ferber inzwischen den Geschäftsbetrieb einstellen oder der Insolvenzverwalter hat Masseunzulänglichkeit angemeldet. Die negativen Verfahrensausgänge würden in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, da in einigen Branchen ein Verkauf eines insolventen Unternehmens kaum mehr möglich und eine Fortführung nicht mehr finanzierbar ist.

Zu viele Unternehmen auf dem Markt

Aktuell kommen nach Ansicht von Oliver Kehren zu viele Unternehmen in die Restrukturierung oder Sanierung. Das führe dazu, dass die Kapazitäten bei den begleitenden Akteuren – z.B. Banken, Restrukturierungsberater – enger werden. Nach dem Motto “never catch a falling knife“ hätten es dann Unternehmen mit erst einmal besonders schlechten Sanierungsaussichten doppelt schwer. Manche Branchen sind so schlecht besprochen, dass sie als fast schon „uninvestable” gelten, wie Retail, Real Estate oder Automotive. Hinzu komme, dass manche Unternehmenslenker in der Vergangenheit billiges Geld jederzeit zur Verfügung hatten. Nun aber sei Geld für kleines Geld nicht mehr zu haben. Die Geschäftsmodelle ließen sich aber so schnell nicht umstellen, um den Leverage und die damit verbundenen Kosten zu stemmen. Kehren fügt an: „Derzeit wird in der Sanierung häufiger von Stakeholdern Eigenkapital verlangt, dann mittels doppelnütziger Treuhand ein Verkaufsprozess erzwungen, und wenn alles gescheitert ist, versucht man das Unternehmen zu restrukturieren. Das ist dann oft zu spät, gerade, wenn schon jeder im Markt mitbekommen hat, dass es Probleme und noch wenig Lösungen gibt.“

Dr. Florian Harig, Foto: Anchor
Dr. Florian Harig, Foto: © Anchor

Dr. Florian Harig, Partner bei Anchor Rechtsanwälte sieht zwar auch schwierigere Bedingungen für einen Unternehmensverkauf: „Es kommt wirklich auf die Branche an, wie gut die Chancen für einen Verkauf stehen. Aber im Kern ist es so, dass man für gute Unternehmen auch weiterhin einen Investor finden kann.“ Dass es ein „Cherry Picking“ nach den besten Teilen eines Krisenunternehmens gibt, das ist für ihn keine neue Erfahrung. Schwierige Erfahrungen beim Verkauf sanierter Unternehmen hat Prof. Flöther gesammelt: „In bestimmten Branchen – zum Beispiel Automobilzulieferer – hatten wir früher in der Endrunde eines Investorenprozesses mindestens drei Bieter. Heute sind wir froh, wenn wir einen haben. Das ist aber natürlich äußerst abhängig von der jeweiligen Branche. Im Einzelhandel oder bei Krankenhäusern finden Sie beispielsweise in vielen Fällen überhaupt keine Käufer mehr.“ In der Bauindustrie oder bei Immobilienunternehmen stünden die Chancen noch etwas besser, auch wenn man im Moment natürlich nicht die Preise erziele, die Sie vor wenigen Jahren noch verlangen konnten. Aber die Zahl der Liquidationen nach Eröffnung des Verfahrens sei nach seinem Eindruck deutlich gestiegen, weil sie keinen Käufer finden beziehungsweise keinen Investor, der ein akzeptables Angebot vorlegt.

Wie geht es weiter in der Restrukturierungsbranche?

In der aktuellen Sonderkonjunktur der Restrukturierungsbranche stellt sich nach Jahren der Flaute trotzdem die Frage der Zukunftsaussichten. „Die Ampelkoalition hat zuletzt einen notwendigen Schritt vollzogen und ein Berufsrecht mit Zulassungssystem für Funktionsträger in Insolvenz und Restrukturierung vorbereitet. Wir hoffen, dass die nächste Bundesregierung den erarbeiteten Gesetzentwurf aufnimmt und in den Deutschen Bundestag bringt“, kommentiert VID-Vorsitzender Niering. Mit einer gesetzlichen Verankerung des Berufs und einer beruflichen Selbstverwaltung käme die Branche laut Niering dem modernen Berufsbild wesentlich näher, das in den meisten Nachbarstaaten bereits etabliert sei.

„Insolvenzverwalter wird es immer geben. Wir erfüllen innerhalb einer Volkswirtschaft eine extrem wichtige Funktion: Wenn Unternehmen aus dem Wirtschaftsleben ausscheiden müssen, stellen Insolvenzverwalter sicher, dass dies in einem geordneten Prozess geschieht“, erklärt Prof. Flöther zu den Zukunftsaussichten. Zudem würden Sachwalter und Restrukturierungsbeauftragte in ESUG- und StaRUG-Verfahren eine Schlüsselrolle einnehmen. Diese Experten würden sicherstellen, dass Paragraf 1 der Insolvenzordnung – also die Wahrung der Interessen der Gläubiger – stets eingehalten wird. Überdies erlebe er im Moment, dass eine ganze Reihe von Großverfahren nicht als Eigenverwaltung angemeldet werden, sondern unverändert als Regelinsolvenzverfahren. „Vielleicht können wir durchaus von einer Renaissance der Insolvenzverwaltung bei größeren Verfahren sprechen“, fährt er fort.

Spezialisierung von Insolvenzverwaltern

Durch die Reformen im deutschen Insolvenzrecht mit dem ESUG und dem StaRUG hat sich das Aufgabenfeld für Restrukturierer geändert und erweitert. „Kanzleien arbeiten inzwischen verstärkt zusammen. Und in dieser Phase der Kooperation bekommt man auch das eine oder andere Best Practice-Beispiel“, erklärt Dr. Harig von Anchor Rechtsanwälte. Zugleich stellt er eine fortschreitende Spezialisierung auf bestimmte Branchen fest. „Der Spezialisierung bei Insolvenzverwaltern sind allerdings Grenzen gesetzt“, sagt Prof. Flöther. „Natürlich gibt es bereits jetzt Insolvenzverwalter, die sich auf bestimmte Branchen wie etwa Gesundheit oder Automotive spezialisiert haben. Das hat sicherlich auch seine Berechtigung, denn je besser Sie eine Branche kennen, desto mehr können sie ausrichten. Aber auch diese Verwalter sind immer in nicht nur einer Branche tätig.“ Als Insolvenzverwalter müsse man aber Generalist bleiben. Letztlich sei jede Insolvenz auf die Grundrechenarten herunterzubrechen.

Kommt der KI-Insolvenzverwalter?

Es gibt wohl gerade kaum ein wichtigeres Buzz-Word: Künstliche Intelligenz. Aber kann diese Technologie auch ihren Einzug feiern in die Restrukturierungsbranche? In einigen Bereichen erfolgt bereits der Einsatz: „Hier befinden wir uns in einem sehr spannenden Prozess. Das Potential der Automatisierung ist bei den standarisierten Abläufen, wie Forderungsanmeldungen, Gläubigerlisten, Zustellungen etc. enorm groß. Noch spannender ist dann der Einsatz echter KI-Lösungen etwa bei der Auswertung und Bewertung großer Datenmengen aus den insolventen Unternehmen. Erste Tools sind schon im Einsatz, die Entwicklung erfolgt gerade Hand in Hand zwischen Anwendern und Entwicklern“, sagt Niering. Auch bei Prof. Flöther wird KI genutzt: „Wir arbeiten mittlerweile weitgehend digital. KI wird zukünftig insbesondere bei der Forderungsprüfung – gerade bei Verfahren mit zigtausenden oder sogar hunderttausenden Gläubigern – oder den forensischen Ermittlungen eine noch stärkere Rolle einnehmen.“

2025 mit mehr Insolvenzen?

Das vergangene Jahr zeigte mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzzahlen eine Normalisierung nach der pandemiebedingten Entspannung. Trotz negativer Einflüsse wie Inflation und Branchenkrisen bleibt das Niveau moderat im Vergleich zu früheren Höchstständen – aber ein weiterer Anstieg wird erwartet. Die befragten Experten betonen die Bedeutung frühzeitigen Handelns und nachhaltiger Sanierungskonzepte, um Insolvenzen abzuwenden. Die Restrukturierungsbranche entwickelt sich weiter, etwa durch Spezialisierung und den Einsatz von KI.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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