Warten auf den Tag E

Ersetzt die Elektromobilität den Verbrennungsmotor? Und wenn ja, wann? Diese Fragen stellen sich landauf, landab vor allem kleinere Zulieferbetriebe. Wie die Mittelständler mit den Szenarien umgehen können und welche neuen Optionen sich eröffnen.

Aktuell ist der große Umbruch indes noch nicht zu spüren, wie die Jahresbilanz 2017 des Kraftfahrt-Bundesamtes zeigt. So belief sich die Zahl der Pkw-Zulassungen im vergangenen Jahr auf insgesamt 3,44 Mio. Neuwagen beziehungsweise fast drei Prozent mehr als 2016. Dabei kamen hierzulande Elektroautos lediglich auf gut 25.000 Neuzulassungen. Nicht einmal ein Prozent neu gekaufter Autos in Deutschland ist also mit einem reinen Elektroantrieb ausgestattet.

Ein Grund dafür mögen neben zu wenig E-Tankstellen und der geringen Laufleistung die Preise sein, die derzeit noch aufgerufen werden. Allerdings kommt die Analyse „Emobilty 2035“ der Strategieberatung Oliver Wyman zu dem Ergebnis, dass der Elektroantrieb im Jahr 2025 nur noch knapp 20 Prozent teurer sein wird als der Verbrennungsmotor. Für alle Zulieferer entlang der Lieferkette bedeutet dies: Es ist an der Zeit, eine zielgerichtete Produkt- und Markenstrategie zu entwickeln, neue Kooperationen einzugehen, sich mit bestehenden Technologien zusätzliche Geschäftsfelder zu erschließen und sich eventuell sogar mit Wettbewerbern zu verbünden. All dies stellt gerade Anbieter mit Umsätzen zwischen 50 Mio. und 250 Mio. Euro vor erhebliche Herausforderungen.

Gute Konjunktur für die Transformation

Bei diesem Wandlungsprozess kommt der Industrie allerdings ein Trend zupass, der sich immer weiter zu etablieren scheint: die proaktive Restrukturierung. Grob gesagt geht es darum, eine Krise zu antizipieren und frühzeitig kreativ gegenzusteuern – mit neuen Geschäftsmodellen. Wegen der Verknüpfung mit digitalen Technologien wird die proaktive Restrukturierung oft mit Transformation gleichgesetzt, was dem Ganzen einen positiven Anstrich gibt. Reformen beim Insolvenzrecht wie die Sanierung in Eigenverwaltung durch das ESUG bis hin zu einem geplanten außergerichtlichen Sanierungsverfahren legitimieren die professionelle Krisenprävention auch auf juristischer Seite. Die anhaltend gute Konjunktur hat letztlich dazu beigetragen, dass sich Sanierungsberater und -anwälte zwangsläufig mehr mit Transformations- denn mit Insolvenzthemen beschäftigen.

Markus Cichy (li.) von Vokswagen und Dr. Harald Proff von Deloitte auf dem Panel zum Wandel der Automobilindustrie: Eine kontroverse Diskussion, wie aktive die Transformation gestaltet wird.
Markus Cichy (li.) von Vokswagen und Dr. Harald Proff von Deloitte auf dem Panel zum Wandel der Automobilindustrie: Eine kontroverse Diskussion, wie aktive die Transformation gestaltet wird. © EUROFORUM Deutschland Foto Vogt GmbH

Es war deshalb kein Zufall, dass die diesjährige Jahrestagung Restrukturierung vom Handelsblatt folgenden Titel trug: „Automobilbranche im Wandel“. Auf einem Panel wurde die Asymmetrie zwischen den großen Konzernen und den kleinen Lieferanten heftig diskutiert. Dass die Elektromobilität kommt, wurde von keinem der Branchenvertreter und Unternehmensberater angezweifelt. Kontrovers wurde allerdings diskutiert, ob der Wandel aktiv gestaltet wird oder aber wie eine Welle über die Industrie hereinbricht.

Einer der Diskutanten war Dr. Harald Proff vom Beratungshaus Deloitte. Er mahnt die Zulieferer, sich so schnell wie möglich mit der neuen Technologie zu befassen, um nicht in fünf oder zehn Jahren vor dem Nichts zu stehen: „Der OEM kann das Thema ausbalancieren, am Ende springt der um auf die neue Technik, weil er mehr konfiguriert als entwickelt. Der Zulieferer muss also früher springen, wenn er nicht morgen ersetzt werden will.“

Komponenten werden einfach wegfallen

In der Gegenwart – um im Bild zu bleiben – finden noch Trockenübungen statt. Die meisten deutschen Automobilhersteller haben bislang vergleichsweise zarte Bemühungen unternommen, irgendwie dabei zu sein beim E-Zeitalter, auch wenn die Wahrnehmung und mit ihr die Investitionen stetig zunehmen. So hat die BMW Group mit dem „Project i 2.0“ gestartet, um Elektromobilität, autonomes und vollvernetztes Fahren miteinander zu verbinden. Das erste Auto dieser Art soll 2021 auf den Markt kommen. Der Stuttgarter Autokonzern Daimler vereinbarte kürzlich mit Bosch eine Kooperation für die Entwicklung eines Roboterautos. VW-Tochter Audi verfolgt ähnliche Pläne.

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