205.630: So viele Gründer-Einstiegsgespräche haben die Industrie- und Handelskammern in Deutschland 2015 getätigt. Laut dem aktuellen Gründerreport des Dachverbands DIHK ist das ein Minus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr und der vierte Abwärtstrend in Folge.
Es ist ein neuer Negativrekord: Seit der Ersterhebung 2002 haben sich noch nie so wenige Gründunginteressierte an ihre örtliche IHK gewandt. „Deutschland gehen die Gründer aus“, warnte DIHK-Chef Dr. Eric Schweitzer gegenüber der Passauer Neuen Presse. Für das abflauende Interesse gibt es laut DIHK einige Gründe. Erstens sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt recht gut. Anders als in anderen Ländern wird in Deutschland der Schritt zum eigenen Unternehmen oft aus der Erwerblosigkeit heraus getätigt. Auch zieht der Fachkräftemangel dem deutschen Gründungsgeschehen die Leute ab. Anstatt sich ins persönliche Risiko zu stürzen, wählen viele gut ausgebildete Menschen lieber eine Festanstellung. Diejenigen, die gründen wollen, tun dies dann aus knallhart unternehmerischen Motiven – und das sind bekanntlich wenige. Laut DIHK sieht man das auch an der nachlassenden Qualität der eingereichten Gründungskonzepte: In nicht einmal 60 Prozent der Fälle war die Geschäftsidee ausgereift, ein Viertel der Beratungssuchenden konnten ihre Produktidee nicht klar beschreiben. Die Zahl der schlecht Vorbereiteten steigt, während die guten Gründungsideen weniger werden.
Interessant ist, dass viele Frauen gründungsinteressiert wären. Sie machen 42 Prozent der Beratungsgespräche aus. Ihnen erscheint die Selbstständigkeit wohl attraktiv, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Den entscheidenden Schritt wagen sie dann aber meist doch nicht. Der Standort Deutschland tue gut daran, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu steigern, so der DIHK. Außerdem müsse das Image von Unternehmern in der Gesellschaft verbessert werden, etwa durch Schulprojekte. Schließlich weist der DIHK darauf hin, dass die Finanzierung für Unternehmensgründungen in Deutschland immer noch äußerst ungünstig seien: Vor allem Start-ups müssten mehr Möglichkeiten haben, an Venture Capital zu kommen. Ausländische und heimische Investoren müssten steuerfreundlicher behandelt werden. Auch beim Bürokratieabbau pocht der Verband auf Fortschritte: Eine Gründung müsse innerhalb eines Monats möglich sein, statt vieler Behörden und Ämter brauche es eine zentrale Anlaufstelle. www.dihk.de