Zahl der Aufsichtsräte in Deutschland vor starkem Anstieg

Es wird erwartet, dass die Zahl der Aufsichtsräte von derzeit rund 280.000 Mandatsträgern auf bereits rund 400.000 bis 2030 steigt.
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Die Zahl der Aufsichtsräte in Deutschland steht vor einem drastischen Wachstum: Waren es bislang rund 280.000 Mandatsträger, könnten es bis 2030 bereits rund 400.000 sein. Diese Entwicklung sei ein Resultat mehrerer, eng verzahnter Faktoren, sagt Dr. Viktoria Kickinger, Geschäftsführerin der Directors Academy, der großen multimedialen Online-Weiterbildungsplattform für Aufsichtsräte in Deutschland.

Steigende Regulierungsdichte auf EU-Ebene

Die Europäische Union verschärft ihre Anforderungen an Corporate Governance kontinuierlich. Mit jedem neuen EU-Regelwerk, jeder frisch verabschiedeten Richtlinie, erhöhen sich die Ansprüche an Fachwissen, Dokumentation und Kontrollmechanismen. „Diese steigenden Anforderungen zwingen Aufsichtsräte, deutlich mehr Zeit in ihre Qualifikation und laufende Weiterbildung zu investieren als früher“, erklärt Dr. Kickinger. „Angesichts des wachsenden Themenumfangs und der zunehmenden Komplexität ist es für Aufsichtsräte, die zusätzlich eine operative Funktion ausüben – und das sind rund 65% aller deutschen Aufsichtsräte – kaum mehr möglich, neben ihrem Hauptberuf mehr als ein oder zwei Mandate professionell zu betreuen. Da künftig voraussichtlich noch mehr Aufsichtsräte eine operative Haupttätigkeit ausüben werden, weil sich das Durchschnittsalter erheblich verjüngt, wird sich dieser Trend weiter verschärfen.“

Deutlich höherer Zeitaufwand pro Mandat

Aufsichtsratsarbeit ist längst mehr als ein gelegentliches Sitzungsformat. Risikomanagement, Nachhaltigkeit, Compliance, Cybersecurity und Marktanalyse – all diese Bereiche erfordern ständige Aktualisierung des Wissens und intensive Vorbereitung. Der damit verbundene Zeitaufwand pro Mandat ist erheblich gestiegen – insbesondere, wenn ein Aufsichtsrat den Vorsitz innehat, der nochmals zusätzliche Verantwortung mit sich bringt.

Breitere Verankerung in deutschen Familienunternehmen

Auch deutsche Familienunternehmen setzen zunehmend auf externe Expertise. Immer mehr von ihnen etablieren Aufsichtsratsgremien, um strategische Begleitung sicherzustellen und den Anforderungen einer sich rasant wandelnden Wirtschaft gerecht zu werden. „Familienunternehmen tragen zu dieser Entwicklung maßgeblich bei. Dort ist der Trend zur Professionalisierung der Aufsichtsgremien besonders stark spürbar – sie nehmen hier eine echte Vorreiterrolle ein“, so Dr. Kickinger.

Weiterbildung wird zum Standard

Die Europäische Kommission plant nach Einschätzung von Dr. Kickinger, künftig einen formalen Weiterbildungsnachweis für Aufsichtsräte zu fordern. „Aufsichtsratstätigkeiten werden immer anspruchsvoller, und die damit verbundene notwendige Qualifizierung wird zum neuen Standard“, betont Dr. Kickinger.

Die Kombination aus strenger EU-Regulierung, zunehmender Arbeitsintensität, wachsender Bedeutung von Aufsichtsratsgremien in deutschen Familienunternehmen sowie begrenzten Mandatszahlen pro Person führt zu einem deutlichen Anstieg der Gesamtzahl an Aufsichtsräten. „Wir beobachten einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel“, fasst Dr. Kickinger zusammen. „Professionalisierung, Diversifikation und kontinuierliche Weiterbildung sind die neuen Leitlinien für erfolgreiche Aufsichtsratsarbeit in Deutschland.“

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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