Mittelstand und Start-ups können gemeinsam wachsen!

Zwei Welten treffen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten – der Mittelstand und die agilen, innovationsgetriebenen Start-ups.
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Durch gezielte Kooperation können Mittelständler und Start-ups eine neue Wettbewerbsfähigkeit aufbauen –  immer in Balance zwischen Tradition und rasanter Innovation. Anne Decker, Chefin von wattx, einer der führenden Start-up-Schmieden Deutschlands, erklärt in diesem Beitrag, wie die auf den ersten Blick ungleichen Akteure gemeinsam wachsen können.

Tradition, Wissen, Rückgrat versus Schnelligkeit, Flexibilität, Grenzenlosigkeit. Zwei Welten treffen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten – der traditionsreiche Mittelstand und die agilen, innovationsgetriebenen Start-ups. Doch genau diese Unterschiede bieten Potenzial für gegenseitige Inspiration und wertvolle Partnerschaften. Nicht alles ist dabei gleich eine Chance, doch zusammen gedacht, kann es unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit immens erhöhen. Und das beweisen bereits Mittelständler.

Innovationskraft von Start-ups als Inspirationsquelle für den Mittelstand

Start-ups sind oft Synonyme für Innovation, Agilität und kreative Problemlösungen. Sie sind darauf ausgelegt, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Manchmal sogar von heute auf morgen. Mittelständische Unternehmen können von dieser Denk- und Arbeitsweise Impulse mitnehmen. Dabei ist es ratsam, sich bewusst drei bis vier Anstöße herauszugreifen, diese im Team zu bewerten und aktiv in Handlungs- und Denkweisen einfließen zu lassen. Oft hilft dabei schon die Visualisierung als Erinnerung und das Bewusste einfließen lassen in Routinen.

Beispiele, die zur Veränderung der Arbeitskultur und damit zur Transformation eines Unternehmens beitragen, sind beispielsweise die stetige Auseinandersetzung und Bewertung von neuen Tools und Technologien, agilen Projektmethoden und Team-Routinen.

Stabilität und langfristiges Wachstum als Anker für
Start-ups

Auf der anderen Seite profitieren Start-ups enorm von der Stabilität und den bewährten Geschäftsmodellen des Mittelstands. Während viele Start-ups oft auf schnellen Erfolg ausgerichtet sind, zeigt der Mittelstand, wie wertvoll ein solides Fundament und klare Ausrichtung für ein nachhaltiges Wachstum sein kann. Die Auseinandersetzung mit der Bandbreite unterschiedlicher Finanzierungsmethoden, vom Eigenkapital über Venture-Capital-Investments bis hin zu Krediten, kann Start-up-Unternehmern neue Perspektiven auf das eigene Unternehmen und ihre Navigation zwischen kurzfristigem Shareholder Value und nachhaltigem Wertzuwachs geben und ihnen helfen dazwischen zu navigieren.

Ebenso kann der Austausch dazu beitragen, den richtigen Qualitätsstandard beim Go-to-Market zu finden und den Weg zu ebnen, wie sich ein Produkt zwischen regulatorischen Anforderungen, Zertifikaten und Qualitätssiegeln entwickeln lässt.

Darüber hinaus können sich Start-ups beim Mittelstand abschauen, wie Netzwerke aufgebaut werden und was das Arbeiten in Ökosystemen an Wert schaffen kann. Mittelständler haben oftmals über Jahrzehnte hinweg wertvolle Beziehungen aufgebaut. Nicht nur die Arten der Zusammenarbeit zu betrachten ist dabei interessant, sondern auch über Mittelständler einen Zugang zu Feedback, einer etablierten Kundenbasis und Industriepartnern zu bekommen.

Voneinander Lernen und miteinander Wachsen

Stagnierendes Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Digitalisierungsstau und Bürokratieabbau sind nur erste Schlagwörter, mit denen sich der Mittelstand sowie Start-ups gleichermaßen konfrontiert sehen. Der Austausch von Erfahrungen in überregionalen Netzwerken, wie dem Maschinenraum oder UnternehmerTUM, fördert schnellere Erfahrungsgewinne und ermöglicht gleichzeitig den flexibleren Einsatz von Ressourcen untereinander. Spätestens seit ChatGPT ist klar, dass Wissen schnell und individualisiert zugänglich ist, aber die Einschätzung und der Umgang mit diesem den relevanten Zugang macht! Wer hier neu denkt und ausprobiert, wird neue Stärken ausspielen können.

Einige Mittelständler machen es mit ihren New-Business-, Venture- oder Digitaleinheiten bereits vor, wie aktive Zusammenarbeit in der Praxis in klare Wettbewerbsvorteile übersetzt werden kann. Nehmen wir die Nutzung von neuen Chancen durch Künstliche Intelligenz als Beispiel: Die Technologien werden von Start-ups entwickelt, mittelständische Unternehmen stellen ihre Daten und Testbereiche (wie Maschinen) zur Verfügung. Gemeinsam schaffen sie so eine digitale Lösung, deren Entwicklung für beide Seiten allein schwierig oder gar unmöglich gewesen wäre. Gleichzeitig verringern sich Entwicklungszeiten, das individuelle  Erfahrungsspektrum erhöht sich und Mittelständler können zudem die Erfahrungen in der Produktentwicklung auf ihr eigenes Unternehmen übertragen und Verbesserungen in Ansätzen vornehmen.

Natürlich geht das nicht immer ohne Reibungsverluste einher. Die genaue Definition von Zielen und Erwartungen, das gegenseitige Verständnis für Entscheidungen und Priorisierungen muss da sein und mit klaren Verantwortlichkeiten versehen, gemanaged werden.

Die Arbeitswelt von Morgen gestalten und Kultur neu denken

Die Frage nach dem Sinn ist für eine heranwachsende Generation der Kern vieler ihrer Entscheidungen. Gerade die starken Unternehmer:innen-Persönlichkeiten machen das Wachstum des starken familiengeführten Mittelstands aus: Menschen, die für etwas brennen, eine Vision vorgeben, für ein Vorhaben und die Menschen, die dabei sind, einstehen. Damit sind sie nicht gleichermaßen die besten Führungskräfte, können Startup-Unternehmern aber viele Erfahrungen mitgeben, wie sie mit Unsicherheit und nicht stabilen Zeiten umgehen können und was es bedeutet, einen klaren Wertekanon vorzuleben sowie nachhaltige Organisationsstrukturen aufzubauen.

Umgekehrt leben Startups vor, wie in flachen Hierarchien und einer experimentellen Denkweise, oft bei geringen Löhnen jedoch mit spannender Inzentivierungsstruktur, Anreize geschaffen werden und ein Unternehmen ohne direktive Teamstruktur oder starke Kontrollmechanismen wachsen kann. Besonders relevant kann auch der Austausch zu Kommunikationsmechanismen und -wegen sein. Erfahrungsgemäß ist die Transparenz und digital unterstützte Schnelligkeit des Informationsflusses ein wichtiges Element des Wachstums eines Startups. Am Schluss hängt dies natürlich nicht von der Organisation ab, sondern von jedem individuellen Menschen, die sie einstellt. Man sollte aber nicht unterschätzen, wie prägend eine aktiv gestaltete Unternehmenskultur ist.

Ein Appell: Permanenter Wandel wird eine neue Art von Stabilität schaffen, die wir unbedingt brauchen!

Wir brauchen mehr Blaupausen der Zusammenarbeit dieser jungen, agilen Startup-Welt mit dem Teil der Wirtschaft, der unsere Wirtschaft über Jahrzehnte getragen und unseren Reichtum hat wachsen lassen. Die Startup Strategie der Bundesregierung gibt erste Hinweise auf neue Möglichkeiten, geförderte Reallabore verstärken die Chancen, Einzelbeispiele zu skalieren.

Weiterhin gehen wir noch zu verkopft mit Kollaborationen um. Da müssen zunächst anwaltlich unterstützte Verschwiegenheitserklärungen langwierig aufgesetzt und über Monate die eigene Organisation mitgenommen werden, damit sie Daten bereitstellt und Prozesse öffnet. Für einen echten Wandel ist mehr Offenheit gefragt – weg von individuellen Interessen hin zum kollektiven Nutzen. Nur so schaffen wir eine neue Art von Stabilität, die für die Zukunft unserer Wirtschaft unerlässlich ist.

Autorenprofil
Anne Decker

Anne Decker ist Geschäftsführerin des Company Builders wattx, der unter anderem mit triebwerk.ai eine industriefokussierte KI-Produktentwicklungsfirma erfolgreich aufgebaut hat. Mit ihrem Team arbeitet sie mit Firmen unterschiedlichster Industrien an technologiegetriebenen Lösungsansätzen. Darüber hinaus agiert sie in ihrer Funktion als Strategie- und Innovationsexpertin als Vordenkerin für den Maschinenraum − dem deutschsprachigen Ökosystem für Familienunternehmen.

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