2 Unternehmensfinanzierung Finanzierung – Nachfolge – Vermögen Sonderteil Krisenbewältigung Coronakrise – Distressed M&A – Facto ring – Hilfsprogramme – Insolvenz – Manager haftung – M&A-Markt – Private Debt – Restrukturierung – Sale & Lease Back – Schutz- schirmverfahren – Vermögenserhalt Foto: © Photocreo Bednarek – stock.adobe.com Inhalt S. Gewaltige Welle an Pleiten droht . . . . . . 60 Sentiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 mit Sascha Borowski, Frank Günther, Dr. Christian Becker, Rolf G. Pohlmann Der Insolvenzantrag kann . . . . . . . . . . . . 66 eine Lösung sein Dr. Florian Linkert Ein Schutzschirm in stürmischen Zeiten . 68 Dr. Maximilian Pluta „Rechtsunsicherheiten in der . . . . . . . . . 68 Wirtschaft in Kauf genommen“ Interview mit Prof. Dr. Georg Streit Schuldschein versus Anleihe – große . . . .74 Unterschiede in der Restrukturierung Frank Günther, Wolf Waschkuhn, Dr. Peter Russo, Marvin Armbruster „Ein stabiles Unternehmen ist . . . . . . . . . . 75 immer eine gute Geldanlage“ Interview mit Jan Hatje Mittels Sale & Lease Back rasch . . . . . . . . 76 Liquidität in der Krise beschaffen Thomas Vinnen Mit Factoring besser durch die Krise . . . . . . 78 Joachim Haedke Private Debt – die unternehmerische . . . . . 80 Finanzierungslösung nicht nur in der Krise Knud Dippel Sechs Regeln, mit denen Manager . . . . . . . . 82 in der Krise Haftung vermeiden Dr. H. Philipp Esser Vermögenserhalt für Unter neh mer- . . . . . . 84 familien in stürmischen Zeiten Peter Fabry Steckbriefe Experten in Krisesituationen BayBG Bayerische . . . . . . . . . . . . . . 86 Beteiligungsgesellschaft BBL Bernsau Brockdorff . . . . . . . . . 87 Finanzierung.com GÖRG Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . 88 Helbling Business Advisors Heuking Kühn Lüer Wojtek . . . . . . . 89 Luther Rechtsanwaltsgesellschaft Nord Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 One Square Advisors Patrimonium Asset Management . . . 91 Pinsent Masons PLUTA Rechtsanwalts GmbH . . . . . 92 Dr. Wieselhuber & Partner

Krisenbewältigung Sonderteil . m o c e b o d a k c o t s . – k e r a n d e B o e r c o t o h P © : o t o F 50 Beschäftigten (rund 2% der Gesamt- fälle) schätzt Creditreform den Anteil der Eigenverwaltung inzwischen auf rund ein Drittel. Damit ist das neue Instru- ment zur Sanierung von Krisenunter- nehmen im Markt weitgehend etabliert. Die Eigenverwaltung kommt ver- stärkt bei etablierten Unternehmen zum Einsatz. Dies ist nicht weiter verwunder- lich, denn bei einem solchen Verfahren müssen Gläubiger weiterhin Vertrauen für das bisherige Management aufbrin- gen. In der aktuellen Krisensituation könnte sich nach Expertenmeinung (siehe Seiten 68/69) dagegen das Schutz- schirmverfahren weiter durchsetzen. Welche Auswirkungen bringt die Coronakrise? Im Zuge einer Vielzahl von Rettungs- und Hilfsmaßnahmen zur Abmilderung der Coronakrise hat die Bundesregie- rung auch beim Insolvenzrecht Ände- rungen vorgenommen. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wurde bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Als Voraussetzung gilt dabei, dass der mögliche Insolvenzgrund auf der Epide- mie und ihren Auswirkungen basiert. Die neue Regelung zeigt auch Wirkung, denn trotz Produktionsstopps und Be- triebsschließungen sind die Insolvenz- zahlen in Deutschland bisher nicht nach oben geschnellt. Die Aussetzung der Insolvenzantrags- pflicht kann ohne weiteren Beschluss des Bundestags bis zum 31. März 2021 verlängert werden. Bislang bestehen aber seitens der Politik keine Anzeichen dafür, dass von dieser Möglichkeit Ge- brauch gemacht würde. Insgesamt war Wo drohen 2020 die meisten Insolvenzen? Fachleute sehen die in den folgenden Branchen nach der Coronakrise ein besonders hohes Insolvenzrisiko: • Tourismus und Gastronomie • Eventveranstalter und • Automobilzulieferer • Einzelhandel (durch Messebauer • Kinos • Exportabhängige Industrie vermehrtes Onlineshopping) • Pflegeheime • Immobiliensektor das Echo in der Restrukturierungsbran- che und bei Wirtschaftsverbänden auf die Insolvenzrechtsanpassungen positiv. Der Gravenbrucher Kreis – ein Zusam- menschluss führender, überregional täti- ger Insolvenzverwalter – sprach sich zusätzlich dafür aus, dass der Bezugs- zeitraum für das Insolvenzgeld auf sechs Monate verlängert werde; dies würde die Sanierung von Unternehmen erleichtern. Die Redaktion der Unterneh- meredition hat Restrukturierungsex- perten befragt, wie sie die aktuellen Rege- lungen des Insolvenzrechts sehen und mit welcher Entwicklung sie nunmehr rechnen – Seiten 62 bis 65. 10.000 zusätzliche Insolvenzen befürchtet Inzwischen liegen erste Schätzungen vor, wie sich die Zahl der Insolvenzen infolge der Pandemie entwickeln könnte. Kreditversicherer Euler Hermes rechnet weltweit mit einem Plus bei den Kon- kursen in Höhe von 20%. Für Deutsch- land gehen die Fachleute von einer Stei- gerung um mindestens 10% aus – das wären dann rund 20.500 Fälle im Jahr 2020. Deutlich pessimistischer ist Infor- mationsdienstleister Crif Bürgel: Die Ex- perten erwarten mehr als 29.000 Firmen- insolvenzen, was ein stattlicher Zuwachs um mehr als die Hälfte im Vorjahresver- gleich wäre. Für diese Schätzung könnte allerdings sprechen, dass die Insolvenz- anzahl auch 2009 nach der Finanzkrise stieg: und zwar auf ganze 34.000 Fälle. Wann beginnt die Pleitewelle? Insolvenzverwalter, Restrukturierungs- experten und Kreditversicherer erwar- ten eine große Welle von Pleiten im Herbst 2020, wenn nach aktueller Pla- nung die Aussetzung der Insolvenz- antragspflicht endet. Die ersten deutli- chen Anstiege könnten aber bereits im Sommer kommen, wenn nämlich bean- tragte Hilfskredite nicht genehmigt wer- den. Unstrittig scheint aber zu sein, dass ein deutlicher Zuwachs bei den Firmen- insolvenzen zu verzeichnen sein wird. Aufgrund der sich abzeichnenden Menge von Verfahren ist auch die Frage zu stel- len, ob die zuständigen Gerichte über ausreichende Kapazitäten verfügen. redaktion@unternehmeredition.de 2/2020 Unternehmeredition | 61

Sentiment Sonderteil „ Die Eigenverwaltung ist der Flavour of the Month“ Herr Günther, ist aufgrund der Coronapandemie mit überbor- dend vielen – zusätzlichen – Insolvenzen zu rechnen? Ich bin mir sicher, dass sich die Zahlen deutlich nach oben bewegen werden. Die große Insolvenzwelle steht uns ver- mutlich ab Herbst bevor. Die Lage ist bei vielen Unternehmen aufgrund der weggebrochenen Umsätze überaus dra- matisch. Im Vordergrund steht aktuell weiterhin die Sicherung der Liquidität – das hat oberste Priorität. Insgesamt muss man sagen: Für die Branche der Restrukturierer ist Corona weniger ein Virus, sondern eher ein Vitamin. Hilft die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht? Die schnellen und konsequenten Maß- nahmen des Gesetzgebers als Reaktion auf diese außergewöhnlich heftige Krise waren richtig. Das gilt nicht nur für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, sondern auch für andere Schritte, bei- Die Lage ist bei vielen Unterneh- men aufgrund der weggebrochenen Umsätze überaus dramatisch. spielsweise im Bereich des Steuer- rechts. In der Kürze der Zeit wurde das eine oder andere Detail vielleicht ver- gessen, aber die Unternehmen haben an vielen Stellen kurzfristige Unterstüt- zung bekommen. Wo wünschen Sie sich Verbesserungen? Für uns als Experten für Anleihe- und Schuldscheinrestrukturierungen hat es sich als sehr schwierig erwiesen, dass Gläubigerversammlungen nicht online durchgeführt werden können. Was bei Hauptversammlungen oder Aufsichts- ratssitzungen möglich ist, sollte bei den Treffen der Gläubiger auch durchführbar sein. In einem konkreten Fall mussten wir beim Innenministerium eine Aus- nahme genehmigung erwirken. Das sollte zukünftig einfacher gehen. Und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht? Für eine konkrete Antwort auf diese Frage ist es jetzt noch zu früh. Aber vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn die Verlängerung dieser Regelung bran- chenspezifisch erfolgt. Es wird Sektoren der Wirtschaft geben, die voraussicht- lich noch lange unter den Einschrän- kungen leiden werden. Hier wäre eine Verlängerung unter Umständen sinn- voll – in anderen Branchen eher nicht. Jetzt ist aus meiner Sicht die Zeit, ein- mal um die Ecke zu denken. Welche Rolle wird die Eigen- verwaltung bei zukünftigen Insol venzverfahren spielen? Die Eigenverwaltung und der Schutz- schirm sind – lassen Sie es mich salopp sagen – „Flavour of the Month“. Die Coronakrise wirkt wie ein Verstärker für diese Form des Insolvenzverfahrens. Ich rechne in der Zukunft mit einem wachsenden Anteil, denn Corona bietet die Möglichkeit, sich im Schutzschirm langfristig zu sanieren. Sehen Sie weitere Möglichkeiten zur Sanierung? Aktuell gilt: Cash ist King. Es ist richtig und wichtig, neben staatlichen Krediten oder der Insolvenz auch die Möglichkeit der konsensualen außergerichtlichen Sanierung und der Liquiditätssicherung nicht aus dem Auge zu verlieren. Das Standardinstrumentarium der Restruktu- rierer wie Covenant-Anpassungen, Stun- dungen, Zinsaussetzungen oder Anleihe- und Schuldscheinrestrukturierungen ist heute wichtiger denn je. Herr Günther, besten Dank für die interessanten Einblicke. ZUR PERSON Frank Günther ist Geschäftsführer bei One Square Advisors. Die unabhängige Beratungsgesellschaft mit Sitz in Mün- chen sowie Büros in Frankfurt, Düssel- dorf und London gehört zu den füh- renden Adressen in Deutschland für Finanzrestrukturierungen, Distressed M&A und Treuhandlösungen. 2/2020 Unternehmeredition | 63

Sentiment Sonderteil „ Corona wird auch 2021 das Insolvenzgeschehen beeinflussen“ Herr Pohlmann, wie stehen Sie zu den verschiedenen Hilfsmaß- nahmen der Regierung? Die Unterstützungsprogramme sind richtig und wichtig. Bund und Länder haben in Windeseile Unterstützungs- programme geschnürt und Erleichte- rungen für die Beantragung von Kredi- ten entwickelt. Auf diese Weise sollten auch Insolvenzen und der Verlust von Arbeitsplätzen vermieden werden. Das wird in einigen Fällen gelingen. Es ist al- lerdings davon auszugehen, dass bei vielen Unternehmen die Liquidität trotz Soforthilfen nicht ausreichen wird oder die Belastung durch die Kredite mittel- bis langfristig nicht zu refinanzieren sein wird. In der Folge drohen dann – mit einer gewissen Verzögerung – trotz- dem die Zuspitzung der Krise und Zah- lungsunfähigkeit und Überschuldung. Sehen Sie eine Insolvenzwelle im zweiten Halbjahr oder später? Ich gehe von einer größeren Welle von Insolvenzen spätestens im Herbst aus. Es spielen mehrere Faktoren zusam- men: Zum einen läuft am 30. September die Aussetzung der Insolvenzantrags- pflicht aus und Fremdanträge können ab 29. Juni wieder gestellt werden. Zum anderen befanden sich Unternehmen in einer Art ‚Schockstarre‘. Und sie haben beobachtet, wie sich ihre Situation ent- wickelt und welche Förderprogramme aufgelegt werden. Zunehmend erken- nen sie, dass sie aus der Krise aus eige- ner Kraft nicht wieder herauskommen werden. Die Höhe der zu erwartenden Fallzahlen lässt sich schlecht abschät- zen – hier gehen die Prognosen sehr weit auseinander. Ich rechne damit, dass die Auswirkungen von Corona auch noch im kommenden Jahr auf das Insol- venzgeschehen Einfluss haben werden. In der aktuellen Marktsituation wird es in vielen Insolvenzfällen keine Investoren geben. Werden einige Insolvenzfälle quasi alternativlos sein? In der aktuellen Marktsituation wird es in vielen Insolvenzfällen, je nach Bran- che und Größe, keine Investoren geben, sodass strukturierte Investorenprozesse mit dem Ziel eines Unternehmensver- kaufs nicht mehr in Betracht kommen. Andererseits haben Vertragspartner, Vermieter oder Lieferanten, anders als bisher, wenn die Insolvenz auf Manage- mentfehlern beruhte und Vertrauen be- schädigt wurde, keinen Grund, mit ih- rem Schuldner nicht weiterhin oder wieder neu zusammenzuarbeiten. Es fehlt den Gläubigern, wie zum Beispiel dem Vermieter, vielfach auch an ernst- haften Alternativen. Die Insolvenz kann somit zum ‚Befreiungsschlag‘ für das Unternehmen werden. Anders als in vielen früheren Fällen kann dem Unter- nehmer das Ruder trotz Insolvenz wie- der in die Hand gegeben werden. Wird sich die Rolle der Eigenver- waltung verstärken? Es ist sicher hilfreich, dass Unterneh- men und Gläubiger über verschieden- artige Instrumente verfügen, um eine Sanierung vorzunehmen. Mit der vorin- solvenzlichen Restrukturierung wird in der Zukunft ein weiteres Werkzeug hin- zukommen. Die Vorstellung für den Un- ternehmer in der Eigenverwaltung, das Ruder nicht aus der Hand geben zu müssen, ist verlockend, und gut beglei- tet führt die Eigenverwaltung in geeig- neten Fällen zu besseren Ergebnissen als das Regelverfahren. Aber die Eigen- verwaltung teuer, auch miss- brauchsanfällig und eignet sich – selbst in Zeiten von Corona – bei Weitem nicht für alle Fälle. ist Herr Pohlmann, wir bedanken uns für Ihre aktuellen Einschät- zungen. ZUR PERSON Rolf G. Pohlmann ist Gründer und Partner der Sozietät Pohlmann Hofmann Insolvenzverwalter Rechtsanwälte mit Standorten in München, Augsburg und Ulm. 2/2020 Unternehmeredition | 65

Krisenbewältigung Sonderteil auch am höchsten, da die Zahlungs un- fähigkeit noch nicht eingetreten sein darf. Verfahren in Eigenverwaltung, ob mit oder ohne Schutzschirm, sehen im Grunde vor, dass die bisherige Geschäfts- leitung handlungsbefugt bleibt, ihr in der Praxis aber regelmäßig ein Sanie- rungsgeschäftsführer zur Seite gestellt und das Unternehmen von einer auf Sanierung/Restrukturierung spezialisier- ten Anwaltskanzlei begleitet wird. Chancen im Insolvenzverfahren Welcher Weg – Verfahren in Eigenver- waltung oder Regelinsolvenzverfahren – dann der richtige ist, muss im Einzel- fall geprüft werden. Jeder Variante ist jedoch gemeinsam, dass es sich um ein Insolvenzverfahren handelt, und zwar mit allen Vorteilen, die ein solches bietet. Insbesondere ist hier das Insolvenz- geld zu nennen, das derzeit für einen Zeitraum von maximal drei Monaten gewährt wird sowie das volle Nettoge- halt der Arbeitnehmer bis zur Beitrags- bemessungsgrenze der Arbeitslosen- versicherung und damit regelmäßig in voller Höhe abdeckt. Dieser Zeitraum bietet dem Unternehmen eine Atem- pause, um ein Sanierungskonzept zu erar - beiten. Während dieser Zeit ist es vor Zugriffen einzelner Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung geschützt und hat die Möglichkeit, sich zu konsolidie- ren, indem nur noch betriebsnotwendige Verbindlichkeiten bedient werden. Kre- dite und sonstige „Altlasten“ werden hingegen nicht bedient. Verträge kom- men auf den Prüfstand und können im Insolvenzverfahren gekündigt und neu verhandelt werden. Unvoreingenommene Prüfung ist gefragt Entscheidend ist daher, dass sich im Grunde sanierungsfähige Unternehmen mit allen denkbaren Optionen befassen und das Insolvenzverfahren, ob mit oder ohne Eigenverwaltung, unvoreingenom- men in ihre Überlegungen einbeziehen. Die aktuellen Zahlen erwecken aber einen anderen Eindruck: So sind laut Statistischem Bundesamt im April 2020 die vorläufigen Insolvenzverfahren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13,4% zurückgegangen. Man mag darüber spekulieren, ob das mit der (im Zweifel auch nur vermeintlich) ausgesetzten In- solvenzantragspflicht zusammenhängt oder Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld, Soforthilfen und sonstige Förderpro- gramme der KfW ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Das am 3. Juni 2020 beschlos sene „Konjunktur- und Krisen- bewältigungspaket“ sieht jetzt noch weitere entlastende Maßnahmen vor. Das ist begrüßenswert – fest dürfte aber stehen, dass für einen signifikanten Teil der Unternehmen die Hilfen zu kurz greifen und das Problem nur verscho- ben wird. Damit hätten sie dann wert- volle Zeit für eine Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglicher- weise unwiederbringlich verpasst. unternehmeredition.de Anzeige Unternehmer Edition Finanzierung – Nachfolge – Vermögen Unternehmensnachfolge • Corporate Finance Recht • Unternehmensfinanzierung • Unternehmens verkauf • Corporates & Start-ups • Unternehmervermögen 2 Unternehmensfinanzierung Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter: www.unternehmeredition.de Juni 2020 9,80 EUR Finanzierung – Nachfolge – Vermögen Unternehmensfinanzierung Optionen in der Krise Foto: © Guido Grochowski – stock.adobe.com Jetzt abonnieren! www.unternehmeredition.de/abonnement Tel.: + 49 89 - 2000 339 - 0 t e n S o n d e r t e i l 3 4 S e i U n t e r n e h m e n s fi n a n z i e r u n g 2 l t t e i F i n a n z i e r u n g – N a c h f o l g e – V e r m ö g e n i g u n g S o n d e r K r i s e n b e w ä l r e s s e d M & A – f s p r o g r a m m e – i s e – D i s t C o r o n a k r t u n g – i n g – H i I n s o l v e n z – M a n a g e r F a c t o r – i v a t e D e b t – P r i e r u n g – S a l e & M & A - M a r k t r u k t u r L e a s e B a c k – S c h u t z - R e s t f a h r e n – r m v e r t V e r m ö g e n s e r h a l s c h i h a f l © P h o t o c r e o B e d n a r e k – s t o c k . a d o b e . c o m F o t o : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i s t 7 5 t S . 6 0 6 2 . Mittelstandsversteher l e s U n t e r n e h m e n i m m e r e i n e g u t e G e l d a n l a g e “ „ E i n s t a b i r a s c h J a n H a t M i t t e l s S a l e & L e a s e B a c k I n t e r v i e w m i f e n i n d e r K r i s e b e s c h a f M i t F a c t o r i n g b e s s e r d u r c h d i e K r i s e L i q u i d i t ä t T h o m a s V i n n e n Merkur Bank interpretiert P r i v a t e D e b t – d i e u n t e r n e h m e r i s c h e J o a c h i m H a e d k e F i n a n z i e r u n g s l ö s u n g n i c h t n u r m i t d e n e n M a n a g e r K n u d D i p p e l i n d e r K r i s e H a f t u n g v e r m e i d e n S e c h s R e g e l n , das Hausbankprinzip neu f ü r U n t e r n e h m e r - i p p E s s e r i n s t ü r m i s c h e n Z e i t e n V e r m ö g e n s e r h a l t D r . i e n l f a m i F a b r y P e t e r Seite 22 I n h a l l e a n P l e i t e n d r o h t . . . G e w a l t i g e W e l . . . . 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Krisenbewältigung Sonderteil das Beispiel deutlich, welche große Bedeutung eine umfassende Dokumen- tation im Unternehmen einnimmt. Wich- tige Entscheidungen der Geschäftsfüh- rung sowie aktuelle Zahlen zur finan- ziellen Lage sollten klar dokumentiert werden, um Haftungsrisiken zu mini- mieren. Schutzschirmverfahren als Alternative Eine Insolvenz gilt hierzulande noch im- mer als Makel. Doch das Insolvenzrecht kann Unternehmen retten sowie Arbeits- plätze erhalten – und einen gesunden Start nach der Sanierung ermöglichen. Eine Möglichkeit kann – auch in der Coro nakrise – ein gut geplantes Schutz- schirmverfahren sein. Bei diesem han- delt es sich um eine Variante des Insol- venzverfahrens in sogenannter Eigen- verwaltung. Dies bedeutet konkret: Die Geschäftsführung bleibt im Amt und behält trotz des Verfahrens die Kontrolle. Ein vom Gericht bestellter Sachwalter begleitet im Sinne der Gläubiger das Verfahren. Die Gehälter der Mitarbeiter werden für drei Monate über das Insol- venzgeld gezahlt und das Unternehmen genießt einige Sonderrechte; es ist bei- spielsweise vor Zwangsvollstreckungen geschützt. Ziel ist die Erstellung eines Insolvenzplans, also die umfassende Ei- nigung mit den Gläubigern. Das Gericht genehmigt ein Verfahren nur, wenn noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Da- für bietet es den Vorteil, dass dem Schuldner bereits zu Beginn unbe- schränkt die Befugnis eingeräumt wird, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Das Unternehmen verfügt damit über ein flexibleres Liquiditätsmanagement als in anderen Verfahren. In der Praxis kann so in schwierigen Phasen Zeit für Sanierungsmaßnahmen gewonnen werden – und zwar ohne den „Stempel“ eines klassischen Insolvenz- verfahrens. Geeignet ist das Schutz- schirmverfahren für Unternehmen jeder Größenordnung. Häufig nutzen daher auch mittelständische Betriebe diese Möglichkeit, um das Unternehmen neu aufzustellen und in der Folge wieder profitabel arbeiten zu können. FAZIT Staatliche Hilfen verschaffen kurzfristig finanziellen Spielraum. Doch die Rück- zahlung der Hilfskredite beeinflusst die Liquidität des Unternehmens noch meh- rere Jahre; eine hohe Verschuldung kann die Folge sein. Neue Schulden sind also nicht für alle Unternehmen die beste Wahl. Es bestehen andere Mög- lichkeiten, die auf jeden Fall überprüft werden sollten. Ein Schutzschirmver- fahren bietet die Möglichkeit für Restruk- turierungen sowie die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen. Welche Instru- mente für das eigene Unternehmen geeignet sind, sollte zusammen mit Sa- nierungsexperten analysiert werden. Dabei ist der gesamte Blick entschei- dend. Nur das passende Instrument kann einen guten Schutz in stürmischen Zeiten bieten. Anzeige ZEITSCHRIFT FÜR FAMILIENUNTERNEHMEN UND STRATEGIE Forschung und Praxis Hand in Hand. Alle zwei Monate im Abo. Jetzt Bestellen! www.fus-magazin.de/abonnement

Krisenbewältigung Sonderteil … wenn Corona quasi das Zünglein an der Waage spielte. Ja, denn ungeklärt ist auch, wie Fälle zu behandeln sind, in denen Corona den Eintritt der Insolvenzreife nur beschleu- nigt hat. Da wir noch keine Rechtspre- chung in Bezug auf die Auslegung des COVID- 19-Gesetzes haben, besteht Rechts unsicherheit. Insoweit hilft der Gesetzgeber mit Vermutungsregelungen zugunsten von Ende 2019 noch zahlungs- fähigen Unternehmen. Es waren Abwä- gungen vorzunehmen, und dabei wurde gut vertretbar in Kauf genommen, dass die temporäre Aussetzung der Insol- venzantragspflichten Unsicherheiten in der Wirtschaft schafft. Das Risiko, mit zahlungsunfähigen Vertragspartnern zu kontrahieren, ist aktuell gesteigert. Wir beobachten, dass verstärkt Vorkasse beziehungsweise die Abwicklung von Lie- ferungen und Leistungen gegen direkte Zahlung verlangt wird. Auch die Hinter- legung von Mitteln auf Treuhandkonten zur Absicherung des Vertragspartners, das sogenannte Escrow, ist ein probates Mittel zum Umgang mit der gesteiger- ten Unsicherheit. Genauso bei den Subventionen und Fördermitteln, auch Förderkrediten. An tragsteller berichten uns, dass Nach- fragen oder Zusagen bereits auf späte- ren, auf jeden Fall anderen Versionen statt der „1.0-Version“, auf deren Basis sie Anträge stellten, zustande kamen. Immerhin droht hierbei gleich Sub- ventionserschleichung oder -betrug. Mit Subventionen und KfW-Krediten sprechen Sie weitere wichtige Werkzeuge der Krisenbekämpfung an. Unsere Erfah- rung ist, dass sich Unternehmen außeror- dentlich schwertun, diese Hilfen zu erlan- gen. Dabei spielt sicher die sehr hohe Zahl der Anträge eine Rolle. Vor allem aber tut sich jeder schwer, der in einer weiterhin unsicheren Lage aktuell die Kreditwürdigkeit beurteilen soll. Dies gilt völlig unabhängig von der Frage, ob bei Kleinkrediten eine volle Risikoübernahme erfolgt oder aber die KfW 80% oder 90% des Ausfallrisikos übernimmt. Bei Ein- schränkungen der Rück zah lungs wahr- scheinlichkeit kann unabhän gig von der späteren Tragung des möglichen Scha- dens kein positives Votum erfolgen. Die Anträge gelangen ja eigentlich über die Hausbanken zur KfW – die sollten doch eine Vorbeurteilung bewerkstelligen können. Es fragt sich ohnehin, ob nicht die KfW im Falle der zwangsläufigen spä- teren Ausfälle prüfen muss, ob die Hausbanken beziehungsweise andere Stellen gegebenenfalls haften. Insbe- sondere Unternehmen, bei denen die Bonität bereits vor der Pandemie nicht über jeden Zweifel erhaben war, erlangen nach unserer Erfahrung im Regel fall keine KfW-Kredite. Insoweit hilft es natürlich auch nicht, dass die Medien zuletzt über gehäufte Fälle von Subventionserschleichung berich- ten mussten. Lässt sich die Trennschärfe, zum Beispiel im Insolvenzrecht, später eigentlich wieder in den Status quo ante zurückdrehen – was war corona- bedingt und was nicht, was wird uns gegebenenfalls über Jahre künftig begleiten und damit auch Rechts- streitigkeiten provozieren? Corona wird uns noch eine Weile als ernst zu nehmende Krankheit beschäf- tigen. Viel länger als die Pandemie und die von ihr hervorgebrachten Spezial- regelungen, die bezüglich der Insol- venz antragspflicht Ende September 2020 bzw. März 2021 und zum Beispiel hinsichtlich der Kündigungssperre im Mietrecht Ende Juni 2022 auslaufen, werden uns die Rechtsstreitigkeiten in diesem Zusammenhang begleiten. Ab etwa Mitte des Jahrzehnts wird jedoch der Status quo ante wieder einkehren. Denkbar erscheint mir allerdings, dass man sich von dem Insolvenzantrags- grund der Überschuldung verabschie- den wird, den die meisten anderen Rechtsordnungen so nicht kennen. Der in der Praxis dominierende Grund für die Eröffnung von Insolvenzverfah- ren ist ohnehin seit jeher die Zahlungs- unfähigkeit. Zudem wird die aktuelle Krise wohl auch beschleunigenden Ein- fluss auf die Einführung des Restruktu- rierungsrahmens haben. Wie sehen Sie die Situation, falls sich später herausstellt, dass der Shutdown/Lockdown in Deutschland nicht ver hältnismäßig war, im Sinne von nicht alternativlos, zum Bei- spiel da einfache Schutzmasken das gleiche Ergebnis gebracht hätten: Wird uns die recht liche Auslegung des gesamten Intermez- zos nicht noch Jahre beschäftigen? Sollten die Maßnahmen des Shut- downs nicht verhältnismäßig gewesen sein, so handelte es sich um rechts- widrige staatliche Eingriffe in die Grundrechte. Dann stellte sich die Frage nach der Haftung des Staates bezie hungsweise nach Entschädigun- gen. Bei problematischen Abgrenzun- gen, wie zum Beispiel der 800-m²-Regel, kann ich mir vorstellen, dass bestimmte Maßnahmen nicht verhältnismäßig wa- ren. Der Blick über die Grenzen zeigt meines Erachtens aber, dass Gesetz- geber, Bundesregierung und Landes- regierungen in Deutschland im Wesent- lichen richtig reagiert haben. Es ging und geht nach wie vor um den Schutz von Leben und Gesundheit. Ein zu Beginn weniger entschlossenes Eingrei- fen hätte nicht nur kurzfristig höhere Opferzahlen, sondern mittelfristig auch größere wirtschaftliche Schäden zur Folge gehabt. Ich gehe daher nicht von zahlreichen staatshaftungsrechtlichen Prozessen aus. Aber von zivilrechtlichen, oder? Eher werden uns zivilrechtliche Strei- tigkeiten im Hinblick auf die Verteilung der Schäden aufgrund der Pandemie beschäftigen, zum Beispiel in Bezug auf Mietzinsminderungen und Kündigungen bei gewerblichen Mietverhältnissen, Ver tragsverstößen im Rahmen gerisse- ner Lieferketten sowie Streitigkeiten zwischen geschädigten Unternehmen, Versicherungen und Versicherungs- maklern bezüglich der Reichweite des Versicherungsschutzes sowie etwaiger Beratungs fehler hinsichtlich der Absi- cherung gegen pandemiebedingte Risi- ken. So gesehen wird uns die rechtliche Auf arbeitung der Coronapandemie in der Tat noch auf Jahre begleiten. Herr Prof. Dr. Streit, ganz herzlichen Dank für Ihre interessanten Einblicke in diese schwierige Materie. redaktion@unternehmeredition.de 2/2020 Unternehmeredition | 71

Krisenbewältigung Sonderteil Gegenüberstellung der wesentlichen Charakteristika: rechtliche Grundlage: Dokumentation Emissionsvolumen: Schuldscheindarlehen • Darlehen im Sinne von §§ 488 . BGB • Dokumentation der wichtigsten Vertragsbestandteile • in der Regel bis zu 250 Mio. EUR, Unternehmensanleihe • Schuldverschreibungen im Sinne von §§ 793 . BGB sowie SchVG von 2009 • Anleihebedingungen Prospektpflicht bei öentlichen Angeboten • 10 Mio. bis 500 Mio. EUR Stückelung: Laufzeit: aber auch „Jumbos“ mit > 1 Mrd. EUR • Häufig 100.000 oder 500.000 EUR • Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten (in der Regel drei, fünf und sieben Jahre) • In der Regel 1.000 oder 100.000 EUR • überwiegend fünf oder sieben Jahre Verzinsung: Besicherung/Covenants: Rating: Transaktionskosten: • variabel/fest • in der Regel keine Besicherung • insbesondere Negative Pledge, Financial Covenants • in der Regel nicht erforderlich • circa 2% bis 3% des Volumens • fest • in der Regel keine Besicherung • Negative Pledge, Pari Passu, Cross Default, Financial Covenants et cetera • für ein Börsenlisting erforderlich • circa 0,75% (Benchmark-Anleihen 500 Mio. EUR) bis 5% (KMU-Anleihen 30 Mio. EUR) • Banken, Sparkassen und sonstige institutionelle Investoren • institutionelle und private Investoren • keine formalen Oenlegungspflichten • hohe Flexibilität • Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten/Zinssätzen • Fungibilität der Anleihe • breite Investorenbasis • Mehrheitsbeschlüsse nach dem SchVG möglich • Erhöhung des Bekanntheitsgrads • Institut des gemeinsamen Vertreters Investoren: Vorteile: Nachteile: Quelle: One Square Advisors möglich • Übertragung durch Abtretung möglich • einfache Dokumentation und niedrige Emissionskosten • kein fungibles Wertpapier • Individualvereinbarung mit jedem einzelnen Investor, keine Mehrheitsbeschlüsse möglich • höhere Finanzierungskosten bei vergleichbarem Risiko • in der Regel keine vorzeitige Tilgung beziehungsweise Kündigung möglich • gute Bonität erforderlich • hohe Dokumentations-/Publizitätspflicht und erhöhte Emissionskosten • Mark-to-Market-Bilanzierung • Investor Relations, intensive Kapitalmarktkommunikation Mit der Begebung einer Anleihe er- schließt sich das Unternehmen den Kapi- talmarkt und damit eine (weitere) wich- tige Quelle zur Beschaffung von Refinan- zierungskapital, zusätzlich zu einer reinen (Konsortial-)Bankenfinanzierung. Zudem wird die Finanzierungs- und Kapital- struktur diversifiziert, jedoch ohne Än- derung der Eigentümerstruktur. In der Praxis dient die Aufnahme von Anleihe- kapital in häufigen Fällen der Umfinan- zierung, das heißt der (teilweisen) Ablö- sung bestehender und zugleich teurer Finanzverbindlichkeiten. Als positiver Nebeneffekt werden die Anzahl der Gläu- biger sowie das Fälligkeitenprofil breiter gestreut. Außerdem gewinnt der Emit- tent, soweit noch nicht vorhanden, erste Kapitalmarkterfahrungen. Restrukturierungspraxis COVID-19 hat in einigen Branchen zum kompletten Shutdown sowie zeitweise zum vollständigen Umsatzverlust geführt und ist aktuell der maßgebliche Treiber für alle anstehenden Finanzrestrukturie- rungen. Das gilt, wie unsere jüngsten Recherchen zeigen, sowohl für Schuld- scheine als auch für Unternehmensanlei- hen. Allerdings sprechen die meisten Unternehmen in diesem Zusammenhang eher nicht von Restrukturierung, son- dern von „notwendigen Anpassungen“ der Anleihebedingungen. Der Charakter der Finanzierungsins- trumente ist ein wesentlicher Treiber der Umsetzung einer Restrukturierung res- pektive Anpassung. Bei einer Bankfinan- zierung steht dem Unternehmen in der Regel eine überschaubare Anzahl von Finanzierungspartnern gegenüber, die bei der Anpassung von Darlehen und Krediten wirtschaftlich getrieben, ent- scheidungsfähig und restrukturierungs- kompetent sind. Bei Anleihen sieht das Schuldver- schreibungsgesetz die Möglichkeit von für alle Investoren bindenden Mehrheits- entscheidungen im Rahmen einer Gläubi- gerversammlung sowie den gemeinsamen Vertreter als Ansprech- und Verhand- lungspartner vor, der auch im Insolvenz- verfahren Entscheidungen treffen kann. In der Praxis erfolgt eine Anpassung der Bedingungen an das operative Leis- tungsvermögen des Unternehmens: • Verlängerung der bestehenden Anleihe noch vor Fälligkeit 2/2020 Unternehmeredition | 73

Krisenbewältigung Sonderteil „ Ein stabiles Unternehmen ist immer eine gute Geldanlage“ Welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise auf den M&A-Sektor? Wie haben die Dealmaker die vergangenen Wochen erlebt? Wie blicken sie in die Zukunft? Die Unternehmeredition sprach mit Jan Hatje, Vorstandsmitglied von Oaklins Germany und Leiter der Industriegruppe Technology. INTERVIEW ALEXANDER GÖRBING Unternehmeredition: Herr Hatje, wie haben Sie persönlich diese außer gewöhnliche Krise erlebt? Jan Hatje: Ich befinde mich in einer beinahe komfortablen Situation, da ich in unserem Portfolio bei Oaklins viele Technologieunternehmen aus den Be- rei chen IT Services, Outsourcing, Vir- tual Reality oder Hardwarebeschaffung betreue. Bei vielen dieser Firmen gibt es praktisch keine negativen Aus- wirkungen der Krise – vielmehr macht sich an verschiedenen Stellen sogar eine bessere Auftragslage bemerkbar. In anderen Sektoren der Wirtschaft hat aber eine Art „Schockstarre“ ge- herrscht, und diese dauert teilweise auch noch an. Welche Branchen werden von der Krise besonders betroffen sein? Die schon bestehende Krise im Automo- tive-Bereich dürfte sich weiter verschär- fen. Am Distressed-Markt rechne ich mit einem wachsenden Druck auf die Margen bei möglichen Übernahmen. Als eher krisenfest sehe ich die Bauwirt- schaft. Wir haben im Bausektor gerade drei Mandate im Bestand und bekom- men hier sehr gute Signale. Was bedeutet dann die Krise für den M&A-Bereich allgemein? Oaklins erhält weiterhin zahlreiche An- fragen und es sind neue Projekte auf dem Markt. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Nachfolgeregelungen. Die innere Uhr und die äußere Uhr bei Gesellschaften beziehungsweise Gesell- schaftern passen halt einfach nicht immer zusammen. Trotzdem spüren wir eine gewisse Zurückhaltung: Die Zahl der Transaktionen hat in den letz- ten Monaten abgenommen. Und die Preise für M&A-Transaktionen? Kurz- bis mittelfristig rechne ich mit Druck auf die Transaktionspreise. Käufer sind schnell mit neuen Preisen – die Verkäufer brauchen etwas länger. Nach vielen sehr guten Jahren mit lukrativen M&A-Deals ist eine Korrektur sicher nicht unge- wöhnlich. Es ist unverändert viel Geld im Markt unterwegs, das nach Investitions- objekten sucht. Ein stabiles Unterneh- men ist aber weiter eine gute Geldanlage! Was bedeutet die Coronakrise für die Globalisierung? Brutale Just-in-time-Lieferketten wird es nach meiner Einschätzung mittelfris- tig nicht mehr geben. Ich sehe zukünf- tig wieder mehr Lagerhaltung – auch auf Kosten der Marge. Die Unter- nehmen haben jetzt schmerzhaft er- lebt, was Stillstand kosten kann. Bei vie- len Unternehmen rechne ich mit einer Diversifizierung bei Lieferanten, um ge- fährliche Abhängigkeiten zu verringern. Dennoch ist die Globalisierung nicht am Ende durch die Viruspandemie, denn die Lohnkostenvorteile in Asien bestehen schließlich weiterhin. Wie wird sich unsere Arbeitswelt verändern? Nach der Coronakrise rechne ich mit neuen Bürokonzepten und Verände- rungen in der Büronutzung. Das klas- sische „Nine-to-five“ ist mehr denn je ein Auslaufmodell. Die Mitarbeiter wollen dort arbeiten, wo sie am pro- duktivsten sein können. Es bleibt abzu- warten, wie sich das auf die Immobi- lienpreise auswirkt, aber Unternehmen im Segment „Remote Work“ dürfen sicher lich mit Zuwächsen rechnen. Die in Windeseile etablierten Pro zesse für Homeoffice und Webmeetings werden nicht einfach wieder in der Versenkung verschwinden bis zur nächsten Krise. Wie können wir die Krisen situation am besten überwinden? Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/09 gibt es diesmal kein Misstrauen unter den Marktbeteiligten. Alle sitzen in einem Boot – alle haben ähnliche Probleme. Ich sehe das als eine gute Grundlage für einen sich schnell wieder ausbreitenden Optimismus. In Deutschland hat die Poli tik im Großen und Ganzen gut rea- giert. Wichtig ist nun, dass sich die Stimmung weiter bessert, sodass auch die Unternehmer wieder Mut fassen. Das ist die solide Basis für eine schnelle Besserung. Herr Hatje, vielen Dank für Ihre inte- ressanten Einschätzungen. redaktion@unternehmeredition.de ZUR PERSON Jan Hatje Vorstandsmitglied von Oaklins Germany und Leiter der Indus trie gruppe Technology. Er verfügt über mehr als 15 Jahre M&A-Erfahrung, speziell in den Sektoren TMT und Personal. www.oaklins.com 2/2020 Unternehmeredition | 75

Krisenbewältigung Sonderteil Ein anderes Beispiel liefert der Fall eines Anbieters von hoch spezialisier- ten Zulieferteilen für Haushaltsgeräte: Bei ohnehin eher knapper Kapital- und Liquiditätsdecke führt die aktuelle Krise schnell in die Insolvenz. Aufgrund der ausgeprägten Spezialisierung ist jedoch eine Beteiligungsgesellschaft am Unter- nehmenserwerb interessiert. Um den Kaufvorgang nicht komplett aus Eigen- mitteln finanzieren zu müssen, wird ein Sale & Lease Back des vorhandenen Maschinenparks als Finanzierungsbau- stein genutzt. FAZIT Sale & Lease Back gehört zu den alterna- tiven Finanzierungslösungen und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Zahlrei- che Unternehmen haben bereits vor der Coronakrise eine größere Unabhängig- keit von den Banken angestrebt. Dieser Trend ist auf dem Markt jetzt noch stärker spürbar. Für typische Anwendungsfälle des Sale & Lease Back gilt ohnehin, aber noch weit mehr in einem Insolvenzsze- nario: Die Zeit ist knapp, sodass von allen Beteiligten zügig und zielorientiert an der Realisierung eines Projekts gearbeitet werden muss. Wenn diese Vorausset- zung erfüllt ist, lassen sich die gewünsch- ten Effekte in erstaunlich kurzer Zeit erzielen. . . m o c e b o d a k c o t s – z z e k r e k © : o t o F 2/2020 Unternehmeredition | 77 . . m o c e b o d a k c o t s – Y T V T A E R C B A D N © I I von Auftragsabrufen und der damit einhergehende Umsatzeinbruch machen eine planmäßige Fortführung der Neu- ausrichtung unmöglich. Gerade um die bisherigen Erfolge nicht zu gefährden, entschließt sich das Unternehmen für eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Einerseits gilt es, die mit diesem Ver- fahrensschritt verbundenen Chancen zu nutzen; andererseits benötigt das Unter- nehmen schlicht frische liquide Mittel, um die Durststrecke zu überbrücken. In dieser Situation sorgt eine Sale & Lease Back-Finanzierung für die rasche Erwei- terung des finanziellen Spielraums. : o t o F Was sich geändert hat, sind die Beurteilungsmaßstäbe Zum einen muss den zum Teil deutlich reduzierten Preisen für Gebrauchtma- schinen bei der Wertermittlung für den Maschinenpark Rechnung getragen wer- den. Hier zahlt es sich aus, wenn man – wie es Nord Leasing seit jeher tut – mit einem erfahrenen Gutachter kooperiert, der die Markt- und Preisentwicklungen genau berücksichtigt. Zum anderen gilt es in dieser Krise umso mehr, die Zukunftsperspektiven des Unternehmens abzuschätzen: Ist die Unternehmensfinan- zierung für eine hinreichende Zeitspanne gesichert, kann Sale & Lease Back eine wesentliche Rolle bei der Stabilisierung spielen? Beispiele aus aktuellen Fällen Ein Unternehmen aus dem Bereich der Metallverarbeitung hat sich bereits vor längerer Zeit auf den Weg gemacht, um durch gezielte Produktentwicklungen und Markterschließungen die Abhän- gigkeit von der Automobilindustrie zu reduzieren. Trotz der schon erzielten Erfolge kann sich auch dieses Unterneh- men nicht den negativen Wirkungen der Coronakrise entziehen. Das Wegbrechen

Krisenbewältigung Sonderteil keinen Abtretungsvermerk und die Zah- lungen laufen weiterhin über das Konto des Rechnungsstellers. Möglich ist über- dies ein Ausschnittsfactoring, bei dem der Factoringnehmer die Forderungen gegenüber bestimmten Kunden von der Abtretung ausschließt. Factoring: die Vorteile im Überblick • verschafft sofort Liquidität • Schutz vor Zahlungsausfällen • bonitätsunabhängig • keine Sicherheiten erforderlich • schnell anwendbar • Auslagerung der Debitorenprüfung an den Factor • zusätzlich Auslagerung von Debitoren- buchhaltung, Inkasso und Mahnwesen möglich Angesichts dieser Vielzahl von Vortei- len muss das Factoring doch sehr teuer sein? Ganz und gar nicht. Selbstver- ständlich ist der Forderungsverkauf nicht gratis – mit bis zu 1% liegen die Factoringgebühren jedoch im Skonto- bereich. Die Zinskosten bewegen sich im Rahmen der Kosten eines marktüblichen Kontokorrentkredits. Auch die Debito- renprüfung belastet ein KMU mit 20 bis 60 EUR kaum mehr, als wenn es die Zah- lungsfähigkeit seiner Kunden selbst prüfen müsste. FAZIT Vor allem aber erlaubt das Factoring dem Unternehmen, seinen Kunden längere Zahlungsziele zu offerieren. In der aktu- ellen Krisensituation ist die Dauer des Zahlungsziels bei der Auftragsvergabe oft ein Killerkriterium. Außerdem sind Factoringnehmer in der Lage, ihre Liefe- ranten schneller zu bezahlen. Dadurch generieren sie Skontoerträge und erwir- ken im Falle von Lieferengpässen eine bevorzugte Behandlung. 2/2020 Unternehmeredition | 79 Die sechs Schritte beim Factoring Ihr Unternehmen 6. Überweisung der verbleibenden 10–20% 4 . F o r d e r u 3 . V e r k 1. Rechnung an Ihren Kunden F n g w i r d ü a u f d e r F o r d e r u n g b e r w i e s e n ( 8 0 – 9 0 % ) Ihr Kunde Factor 2. Bonitätsprüfung 5. Zahlung der Rechnung Quelle: Finanzierung.com Inkas sos führt nicht selten zu einer Steigerung der Erfolgsquote. Davon ab- gesehen ermöglicht sie dem Factoring- nehmer, Personalressourcen zu schonen und sich auf sein Kerngebiet zu fokus- sieren. Das ist zurzeit bitter nötig, erfor- dert die Krise doch einen erheblichen Mehraufwand im Alltagsgeschäft. Zudem sind vielzählige Mitarbeiter nicht ein- setzbar, weil sie zu einer Risikogruppe gehören oder mit Betreuungsaufgaben ausgelastet sind und deshalb zu Hause bleiben müssen. Bonitätsunabhängig und trotzdem nicht teuer Gegenüber einem Kredit hat das Facto- ring einen weiteren Vorzug: Es ist weit- gehend bonitätsunabhängig. Selbst Un- ternehmen, die in normalen Zeiten einen Insolvenzantrag stellen müssten, können ihre Forderungen verkaufen. Sicherhei- ten sind ebenfalls nicht erforderlich – sicherheitsfähige Vermögenswerte blei- ben daher für spätere Kredite verfügbar. Da das Factoring weder eine Bonitäts- prüfung des Factoringnehmers noch Sicher heiten erfordert, lässt es sich im Übrigen sehr schnell anwenden. Die erste Auszahlung erfolgt nicht selten weniger als drei Wochen nach der Ver- tragsanfrage. Genau diese niederschwellige Zugäng- lichkeit für bonitätsschwache Unterneh- men ist es indessen, die Unternehmer vor dem Factoring zurückschrecken lässt: Sie befürchten, ihre Kunden wür- den negative Rückschlüsse auf ihre Solvenz ziehen, falls sie von der Forde- rungsabtretung erführen. Allerdings ist dies gar nicht notwendig: Beim stillen Factoring enthalten die Rechnungen

an einen Konkurrenten weiterzugeben. Zumal in solchen Distressed-M&A-Pro- zessen nur selten Höchstpreise erzielt werden können. Vielmehr werden hier- bei meist nur die Banken befriedigt – für die Alteigentümer bleibt hingegen wenig bis gar nichts übrig. Vermögen, Renommee und unternehmerisches Lebens werk sind für die Familie in den meisten Fällen verloren: der Alptraum des eigentümergeführten Mittelständlers. Alternative Finanzierung durch Private Debt-Fonds Zu diesem Szenario existiert allerdings eine AAlternative, nämlich Private Debt – eine Kreditfinanzierungsform, die in der Regel von professionellen Investo- ren, zum Beispiel Fondsgesellschaften, angeboten wird. Dabei wird meist insti- tutionelles Kapital in klassischen Fonds- strukturen gebündelt und durch speziali- sierte Asset manager verwaltet, welche die Auswahl und Strukturierung der Finan zierungen übernehmen und eine risikoadjustierte Bepreisung sicherstel- len. Diese Fonds sind nicht unreguliert, sondern unterstehen einer Vielzahl un- terschiedlicher regulatorischer Regimes. Private Debt eignet sich grundsätzlich sowohl zur kurzfristigen Sicherstellung der Liquidität als auch zur mittel- und langfristigen Unternehmensfinanzierung und hat sich über Jahre hinweg am Markt bewährt. Folgende Merkmale von Private Debt erweisen sich insbesondere in Sonder- und Krisensituationen als Erfolgsfaktoren: Resistenz. Im Gegensatz zu Banken, die vor allem von kurzfristigen Einlagen ab- hängen, machen die Investoren der ge- schlossenen Private Debt-Fonds ihre Zusagen bis zum Ende der Fondslauf- zeit. In einer zwischenzeitlichen Krise können sie ihr Kapital daher nicht plötz- lich zurückverlangen. Dementsprechend können Kreditfonds antizyklisch agieren und den mittelständischen Unterneh- men „geduldiges“ Kapital zur Verfügung stellen. Freiheit. Anders als beim M&A-Prozess können sich Unternehmenseigner bei Pri- vate Debt-Finanzierungen ihren Hand- lungsspielraum langfristig sichern, ohne Krisenbewältigung Sonderteil Struktur des Kreditmarkts in Deutschland Struktur des Kreditmarkts in Deutschland Finanzierer und Bepreisung schematische Darstellung n e m u o V l Geschäfts- banken Private Debt- Markt Landesbanken Sparkassen und Genossenschaftsbanken e t i d n e R schematische Darstellung alternative Finanzierer – Private Debt-Fonds Sonder- und Krisen- situationen Direct Lending Kreditinstitute und klassische Finanzierer Bonität Risiko Quelle: Patrimonium Asset Management AG Anteile oder Kontrolle über das Unter- nehmen abgeben zu müssen. Ratingunabhängigkeit. Private Debt-Fonds können im Gegensatz zu Kreditinstituten ratingunabhängig agieren. Dies erweist sich insbesondere bei exogenen Marktver- werfungen, bei denen quantitative Rating- modelle limitiert sind, als vorteilhaft. Debt-Fonds haben schließlich die Mög- lichkeit, sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien in ihre Kreditent- scheidung miteinzubeziehen, was eine individuellere und ganzheitliche Beur- teilung ermöglicht. Beispielsweise kön- nen Eigentümerstrukturen, Erfahrungs- werte des Managements sowie vorhan- dene Sicherheiten stärker berücksich- tigt werden. Individualität. Da Debt-Fonds kein stan- dar disiertes Kreditgeschäft betreiben, son dern Finanzierungsanfragen einzelfall- bezogen und unternehmerisch bewerten, können maßgeschneiderte Finanzierungs- strukturen implementiert werden. Dies spiegelt sich dann in einer individuell mit dem Unternehmen abgestimmten Vertragsdokumentation wider, welche die situationsspezifischen Gegebenheiten berücksichtigt. Flexibilität. Verglichen mit klassischen Finanzierern können Private Debt-Fonds mit umfangreicheren Gestaltungsoptio- nen arbeiten, da sie einer differenzierte- ren regulatorischen Betrachtung unter- liegen. Dies ermöglicht vor allem in komplexen Krisensituationen einen flexi bleren Handlungsspielraum. So ist es Debt-Fonds zum Beispiel bei corona- bedingten Krisensituationen möglich, ins- besondere Fresh Money-Finanzierungen ohne Vorlage eines Sanierungs-/IDW- S6- Gutachtens schnell umzusetzen. Geschwindigkeit. Zusammen mit den oben genannten Punkten ermöglicht eine agile Organisationsform mit flachen Hierar chien und kurzen Entscheidungs- wegen aufseiten der Private Debt-Fonds zeitnahe Entscheidungen und eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit – Fakto- ren, die in Krisensituationen über den Fortbestand des Unternehmens und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ent- scheiden können. Häufig vergehen bei Debt-Fonds vom Erstkontakt bis zur Auszahlung nur circa sechs Wochen. Darüber hinaus können spezialisierte Debt-Fonds auch im Rahmen von Insol- venzszenarien kurzfristig geeignete Finan- zierungsinstrumente, zum Beispiel Massedarlehen, zur Verfügung stellen, um eine Fortführung des Betriebs si- cherzustellen. FAZIT Auch wenn die COVID-19-Krise sogar jeweils die Öl- und Finanzkrise in den Schatten zu stellen scheint, bedeutet sie nicht das Ende der Welt. Für Unterneh- mer ist jetzt der Zugang zu nachhaltigen und unternehmerischen Finanzierungs- lösungen der kritische Erfolgsfaktor zur Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit. Debt- Fonds, die sich auf Sondersituatio- nen spezialisiert haben und über Krisen- erfahrung verfügen, können dabei ein besonders wertvoller Partner sein. 2/2020 Unternehmeredition | 81

Krisenbewältigung Sonderteil etwa zum 31. Dezember 2019. Nur wer den Überblick über die eigenen Zahlen behält, kann ein Unternehmen aus der Krise steuern. Für das Gelingen einer Sanierung wird in der Regel auch ein Sanie rungsplan notwendig sein, der die Ertragslage und mögliche strukturelle Maßnahmen berücksichtigt. 3. Zahlungen nur im ordnungs- gemäßen Geschäftsgang Der Klassiker der Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz ist das Zahlungsverbot gemäß § 64 GmbHG. Demnach haften Geschäftsführer persönlich für Zahlun- gen, die nach Eintritt der Zahlungsunfä- higkeit oder Überschuldung der Gesell- schaft geleistet werden. Ausnahme: Zahlungen (nicht an Gesellschafter), die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Im Rahmen der ausgesetzten Insol- venz antragspflicht sind nun alle Zahlun- gen erlaubt, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen. Dazu zählen insbesondere Zahlungen zur Aufrecht- erhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder zur Umsetzung eines Sanierungskonzepts. Hier ist im Detail einiges unklar – die Bezahlung of- fener Forderungen bei zentralen Liefe- ranten zwecks Weiterbelieferung dürfte aber zulässig sein. Deutlich kritischer erscheint die Tilgung von Verbindlich- keiten gegenüber Gesellschaftern, spe- ziell Gesellschafterdarlehen. Hierunter können auch Forderungen der Gesell- schafter fallen, die mindestens seit drei Monaten offenstehen und dadurch einen darlehensähnlichen Charakter erhalten. Eine Haftung der Geschäftsführer droht ferner bei jeder Auszahlung des Stammkapitals an einen Gesellschafter bei Bestehen oder Entstehen einer Unter bilanz (§ 30 GmbHG, mit diversen Direkt die strafrechtliche Haftung trit den Geschäftsführer, der die Sozial- versicherungs- beiträge der Arbeitnehmer an die zuständi gen Stellen nicht pünktlich weiterleitet. Ausnahmen). Gesellschafter dürfen dann keine Zahlungen erhalten, denen keine vollwertige Gegenleistung oder Möglich- keit der Rückforderung entgegensteht. 4. (Fast) alle Gläubiger sind gleich Während der Geschäftsführer grundsätz- lich keine Gläubiger bevorzugen sollte, gilt dies nur eingeschränkt für Sozial- kassen und Fiskus. Direkt die straf- rechtliche Haftung trifft den Geschäfts- führer, der die Sozialversicherungsbei- träge der Arbeitnehmer an die zuständi- gen Stellen nicht pünktlich weiterleitet. Das Vorenthalten von Sozialversiche- rungsbeiträgen ist nicht nur hart sank- tioniert, sondern auch relativ leicht nachzuweisen und wird in Insolvenzen häufig verfolgt. Demgegenüber ist es zwar nur eine Ordnungswidrigkeit, die Lohnsteuer nicht abzuführen. Das wird indes flan- kiert von der persönlichen Haftung des Geschäftsführers für nicht oder nicht rechtzeitige Erfüllung von Steuerpflich- ten schon bei grober Fahrlässigkeit ge- mäß § 69 AO. So befreit die Krise den Geschäftsführer auch nicht von der recht- zeitigen Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer. 5. Eingehungsbetrug Streng strafrechtlich sanktioniert ist zu- letzt der Eingehungsbetrug, wenn der Geschäftsführer Verpflichtungen eingeht, von denen er wissen muss, dass die GmbH sie nicht wird erfüllen können. Diesen Straftatbestand hat auch die Corona gesetzgebung nicht abgemildert. Insofern ist dem Vertragspartner gegen- über nichts zu verschleiern. Für den Geschäftsführer gilt: Drum prüfe, wer sich lange bindet. 6. Letzter Ausweg: Schutzschirm Spitzt sich die Lage so bedrohlich zu, dass ein Geschäftsführer nicht handeln kann, ohne ein unangemessenes Haf- tungs risiko einzugehen, und gelingt auch kein außergerichtlicher Vergleich, bleibt der Insolvenzantrag. Speziell Schutz- schirmverfahren und Insolvenzplan er- freuen sich zuletzt steigender Beliebt- heit. In Verbindung mit einer Eigenver- waltung kann die bisherige Geschäfts- führung im Amt bleiben und so Disrup- tionen infolge der Insolvenzantragstel- lung und danach minimieren. 2/2020 Unternehmeredition | 83

Krisenbewältigung Sonderteil wegen geringerer Lohnausgangssum- men Chancen, die Steuerbelastung für künftige Übertragungen abzusenken. Im Jahr 2020 erwirtschaftete Verluste eines Unternehmens könnten bei Über- tragungen vor dem 1. Januar 2021 – anders als beim vereinfachten Ertrags- wertverfahren – durch Anwendung zu- kunftsorientierter Bewertungsverfahren nach IDWS1 – wertmindernd Berück- sichtigung finden. Einlagen, Geboten ist auch ein Abgleich im Sinne eines ständigen Monitoring von in der Krise getroffenen unter- nehmensbezogenen Maßnahmen ( wie private Vermögensum- schichtungen oder sanierungsbeding- te Umstrukturierungen) auf ihre mög- lichen negativen steuerlichen Auswir- kungen für zukünftige Übertragungen durch insoweit entstehendes steuer- schädliches junges Verwaltungsver- mögen. immensen Zukünftige Jagd auf das Vermögen Erwartungsgemäß ist in der Politik schnell der Ruf nach Steuererhöhungen laut geworden. Ob der Gesetzgeber hier wirklich zur Gegenfinanzierung der derzeitigen finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für die Unternehmen auch die „große Bazoo- ka“, also Maßnahmen von einem „Co- rona-Soli“, über Vermögensabgaben und die (Wieder-)Einführung der Ver- mögenssteuer bis zur Abschaffung von Spekulationsfristen bei Immobili- en auspacken wird, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Vermögende und Unternehmer, die im Fokus solcher Maßnahmen stehen werden, tun gut daran, sich bereits jetzt mit entsprechenden Vorsorgemaßnah- men, wie etwa einem Wegzug ins Aus- land oder der Überführung von Vermögen in ausländische Strukturen, zu beschäf- tigen. Inwieweit solche Überlegungen allerdings am Ende zielführend sein können, bleibt angesichts der gerade anstehenden Verschärfung der Weg- zugsbesteuerung und der Tatsache, dass bei einem in der Umsetzung ge- scheiterten Gesetzentwurf zur Erhe- bung einer Vermögensabgabe aus dem Jahre 2012 auch Vermögen in ausländi- schen Stiftungen und Trusts erfasst werden sollte, abzuwarten. FAZIT Vermögende und Unternehmer, die den Schutz ihres Vermögens für ihre Familien und Mitarbeiter jetzt und für die Zukunft sichern wollen, sollten persönliche Vorsorgemaßnahmen tref- fen und die rechtlichen Rahmenbedin- gungen bei Unternehmen und Vermögen für zukünftige Vermögensübergänge und zu erwartende steuerliche Son- derbelastungen entsprechend aus- richten. Anzeige

Experten in Krisensituationen Sonderteil Ansprechpartner: Dr. Florian Linkert Partner T +49 89 30 2000 334-00 berlin@bbl-law.de www.bbl-law.de BBL Bernsau Brockdorff gehört seit vielen Jahren zu den bundesweit führenden Kanzleien mit klarem Fokus auf Sondersituationen – Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz. Mit circa 200 Mitarbeitern und 40 Anwälten ist die Kanzlei deutschlandweit prä- sent, zudem verfügt sie über ein Büro in London. BBL steht für die Begleitung von Restruktu rierungsprojekten zur Krisenvorbeugung und für die Beratung im Fall existenz bedrohender Situationen ebenso wie für die Begleitung von Insolvenzverfahren oder Insolvenzen in Eigenverwaltung. Viele der Projekte sind grenzüberschreitend, entsprechend umfassend ist auch das internatio- nale Netzwerk der Kanz lei. Im aktuellen Ranking der Wirtschaftswoche (2020) steht BBL auf Platz fünf der führenden Insolvenzkanzleien Deutschlands. Anschrift: BBL Bernsau Brockdorff I Krausenstraße 41 I 10117 Berlin Telefon I E-Mail: +49 30 2000334-00 I berlin@bbl-law.de Gründung: 2009 Standorte: deutschlandweit in allen Wirtschaftszentren und in London Branchen I Spezialisierung: branchenübergreifend in den Bereichen Restruk- turierung, Sanierung und Insolvenzverwaltung Unternehmensgrößen: Unternehmen jeder Größenordnung mit dem Fokus auf mittelständische Unternehmen Fokus in einem Satz: BBL versteht sich als Spezialkanzlei mit dem Fokus auf Sondersituationen – Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz. Übernahme Organfunktion: Übernahme von Sanierungsgeschäftsführung (CRO) Ansprechpartner: Joachim Haedke Geschäftsführender Gesellschafter T +49 89 210 244-59 joachim.haedke@finanzierung.com www.finanzierung.com Finanzierung.com gehört als Finanzierungsplattform zu Deutschlands wichtigsten Finanzierungs- beratern für den Mittelstand. Durch eine Kombination aus digitaler Antrags- strecke und individueller Beratung kann Finanzierung.com Kunden maß- geschneiderte Finanzierungsangebote innerhalb weniger Tage vorstellen. Das in München ansässige Unternehmen vermittelt innovative Mittelstands- und Immo- bilienfinanzierungen im gesamten DACH-Raum. Der Fokus liegt hier auf asset- basierten, bankenunabhängigen Finanzierungen, die Unternehmen auch in Krisen- situationen Zugang zu Liquidität bieten. Darüber hinaus wird Mezzanine-Kapital in diversen Formen strukturiert und auf das Fremdkapital abgestimmt. Einher- gehend mit der Diversifizierung des Finanzierungsportfolios und der Etablierung neuer Finanzierungsformen wird im Rahmen der Beratung auf die strategische Verbesserung von Bilanzkennzahlen geachtet. So werden mittelfristig wieder günstige Konditionen und einfache Bankfinanzierungen ermöglicht. Anschrift: Finanzierung.com GmbH I Löwengrube 10 I 80333 München Telefon I E-Mail: +49 89 210 244-59 I info@finanzierung.com Gründung: 2012 Standort: München Branchen I Spezialisierung: branchenübergreifende Finanzierung Unternehmensgrößen: ab 2 Mio. EUR Jahresumsatz Fokus in einem Satz: innovative Mittelstands- und Immobilienfinanzierung 2/2020 Unternehmeredition | 87

Experten in Krisensituationen Sonderteil Ansprechpartner: Prof. Dr. Georg Streit Partner T +49 89 540 31-227 g.streit@heuking.de www.heuking.de Heuking Kühn Lüer Wojtek Mit über 400 Rechtsanwälten, Steuerberatern und Notaren an acht Standorten in Deutschland und einem Büro in Zürich ist Heuking Kühn Lüer Wojtek eine der großen wirtschaftsberatenden deutschen Sozietäten. Einen Schwerpunkt hat die Kanzlei im Bereich Restrukturierung. Die Praxisgruppe besteht aus 43 Experten mit besonderen Erfahrungen und Qualifikationen im Bereich des Insolvenzrechts, der Sanierung und Restrukturierung. Das Team ist umfassend beratend und prozessführend in allen Bereichen tätig, die durch den Themenkreis Krise/ Sanierung/Insolvenz in juristischer Hinsicht angesprochen sind. Die Experten der Praxisgruppe Restrukturierung beraten und vertreten Unternehmen bezie- hungsweise Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte sowie sonstige Beteiligte bei der Sanierung von Unternehmen, bei Maßnahmen zur Krisenüber- windung beziehungsweise Insol venzvermeidung (Restrukturierung der Passivseite, Sanierungstransaktionen, Debt-Equity-Swap, Treuhandmodelle et cetera) bezie- hungsweise im Schutzschirm- und Insolvenz (plan)verfahren. Anschrift: Heuking Kühn Lüer Wojtek I Prinzregentenstraße 48 I 80538 München Telefon I E-Mail: +49 89 540 31-227 I s.waldeck@heuking.de Gründung: 1971 Standorte: Berlin, Chemnitz, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart, Zürich Professionals: 43 Rechtsanwälte mit dem Schwerpunkt Sanierung und Insolvenz Branchen I Spezialisierung: branchenunabhängig Übernahme Organfunktion: Nein – wir verfügen über ein verlässliches Netzwerk bewährter CROs und Organpersonen. Ansprechpartner: Peter Fabry Partner T +49 89 23714 24780 peter.fabry@luther-lawfirm.com www.luther-lawfirm.com Die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zählt zu den führenden deutschen Wirtschaftskanzleien. Mit zehn deutschen Büros und zehn weiteren im Ausland ist Luther an allen wichtigen Investitions- standorten und Finanzplätzen Europas und Asiens vertreten. Zu ihren Mandanten zählen große und mittelständische Unternehmen sowie die öffentliche Hand. Die Full Service-Kanzlei bietet ein umfassendes Angebot in allen wirtschaftlich rele- vanten Bereichen der Rechts- und Steuerberatung an. Luther verfügt über ein leis- tungsfähiges Restrukturierungs- und Insolvenzteam mit langjähriger praktischer Erfahrung bei komplexen Restrukturierungen in allen Krisenstadien. Zudem berät Luther Unternehmen hinsichtlich aller rechtlichen und wirtschaftlichen Konse- quenzen, die sich aus der Geschäftsverbindung mit Unternehmen ergeben, die sich in einer wirtschaftlichen Krise oder bereits in einem Insolvenzverfahren befin den Im Jahr 2019 wurde Luther vom Juve Verlag als „Kanzlei des Jahres“ ausgezeichnet. Anschrift: Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH I Anna-Schneider-Steig 22 | 50678 Köln Telefon I E-Mail: +49 221 221 9937-0 I contact@luther-lawfirm.com Standorte: Bangkok, Berlin, Brüssel, Delhi-Gurugram, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Jakarta, Köln, Kuala Lumpur, Leipzig, London, Luxemburg, München, Shanghai, Singapur, Stuttgart, Yangon Professionals: 420 Unternehmensgrößen: alle Übernahme Organfunktion: nein 2/2020 Unternehmeredition | 89

Die Patrimonium Asset Management AG ist einer der führenden Private Debt-Anbieter im deutschsprachigen Raum und bietet Fremdkapitallösungen für etablierte mittelständische Unternehmen in der DACH-Region. Als eigentümergeführte, unabhängige Schweizer Assetmanage- ment-Gesellschaft bietet Patrimonium auf die Unternehmensbedürfnisse zuge- schnittene, individuelle und flexible Fremdkapitallösungen an. Typische Finan- zierungsanlässe sind zum Beispiel Expansionen, Akquisitionen, Refinanzierungen und Restrukturierungen. Experten in Krisensituationen Sonderteil Ansprechpartner: Knud Dippel Director Private Debt T +41 58 787 00-38 knud.dippel@patrimonium.ch www.patrimonium.ch Anschrift: Patrimonium Asset Management AG I Zugerstrasse 74 I CH-6340 Baar Telefon I E-Mail: +41 58 787 00-00 I privatedebt@patrimonium.ch Gründung: 2006 Standorte: Baar, Lausanne, Zürich Branchen I Spezialisierung: Private Debt | Mittelstandsfinanzierung Unternehmensgrößen: ab 20 Mio. EUR Umsatz Fokus in einem Satz: individualisierte Finanzierungslösungen zwischen 5 Mio. EUR und 50 Mio. EUR unter Berücksichtigung der jeweiligen Ertrags-, Cashflow- und Sicherheitensituation sowie unter Einbindung aller relevanten Stakeholder Referenzprojekte I Beteiligungen: Seit 2006 wurde ein Gesamtvolumen von mehr als 1 Mrd. EUR über Fremdkapitalinstrumente in über 200 mittel- stän dische Unternehmen investiert. Einzelne Referenzen erhalten Sie gerne auf Anfrage. Ansprechpartner: Eike Fietz Partner T +49 89 203043 530 eike.fietz@pinsentmasons.com www.pinsentmasons.com Pinsent Masons ist eine der führenden internationalen Wirtschaftskanzleien. Die Rechtsan- wält*innen unseres Restrukturierungsteams beraten bereits dann, wenn Unter- nehmen und ihre Eigentümer Geschäftsbereiche und Assets frühzeitig neu ord- nen möchten, um ihre Interessen zu wahren und künftige Risiken zu mindern, und sind dann aber auch vor und während eines Insolvenzverfahrens für die Beteiligten tätig. Unsere Mandanten sind Hersteller, Kunden und Lieferanten von Unternehmen, deren Anteilseigner, Investoren und Geschäftsführer sowie Kreditgeber und andere Gläubiger. Die Stärke unseres Teams ist vor allem sein Sektorenansatz. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Sektor Technology, Science and Industry, in dem wir weltweit mit unseren Spezialisten aus allen rele vanten Praxisgruppen wie Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Banking and Finance, gewerblicher Rechtsschutz oder Steuerrecht zusammenarbeiten. Inter- national haben wir herausfordernde Sachverhalte in der ganzen Welt begleitet. Anschrift: Pinsent Masons I Ottostraße 21 I 80333 München Telefon I E-Mail: +49 89 203043 500 I kontakt@pinsentmasons.de Gründung: 1769, in Deutschland seit 2012 Standorte: 25 Branchen I Spezialisierung: Technologie, Medien und Telekommunikation, Life Sciences und Healthcare sowie in wesentlichen produzierenden Industrie- bereichen wie Automotive, chemische Industrie, Lebensmittel, Luftfahrtindustrie und Maschinenbau (bei uns gebündelt im Sektor Technology, Science and Industry) Fokus in einem Satz: ganzheitliche Rechtsberatung mit Weitblick in Krisen für die Unternehmen unserer Schwerpunktsektoren 2/2020 Unternehmeredition | 91