In Zeiten von Corona bewerten Kreditinstitute mittelständische Unternehmen eingeschränkter als zuvor. Langjährige und gute Kundenbeziehungen mit vollen Auftragsbüchern gelten plötzlich als risikorelevant. Gerade jetzt benötigt der Mittelstand schnelle, unkonventionelle, alternative und bankenunabhängige Lösungen und Partner, um seine Auftragslasten zu erfüllen. Eine dieser Lösungen bietet sich in Form einer Einkaufsfinanzierung.
Hinter dieser Dienstleistung und dem Namen nach würde man eher ein Produkt von Kreditinstituten vermuten – es handelt sich aber um eine Dienstleistung auf Basis eines Handelsgeschäfts. Die Deutsche Einkaufsfinanzierer GmbH (DEF) hat sich auf diese Handelspartner spezialisiert. Durch die Zwischenschaltung eines zusätzlichen Handelspartners in die Lieferkette, der DEF, können erweiterte Zahlungsziele zur Verfügung gestellt und damit Liquiditätsreserven gehoben werden. Diese Handelsdienstleistung wird mit einem Handelsaufschlag oder einer Dienstleistungsgebühr vergütet. Durch die unverzügliche Zahlung an den Lieferanten seitens des Handelsdienstleisters DEF können in den meisten Fällen deutlich bessere Einkaufskonditionen verhandelt werden. Diese Vorteile werden gegen die anfallenden Kosten für die Handelsdienstleistung der DEF gerechnet, sodass die Kosten einer Einkaufsfinanzierung auf die Handelsparteien aufgeteilt werden. Auch müssen in den meisten Fällen nicht die bankenüblichen Sicherheiten gestellt werden: Vielmehr werden die Warenbewegungen und die Zahlungsströme durch entsprechende Maßnahmen in der Prozesskette abgesichert. Dies führt zu deutlich schnelleren Umsetzungsprozessen, die sich in unternehmerischer und finanzieller Flexibilität bezahlt machen.
Verlängertes Zahlungsziel bei Auftragslieferungen
Wenden wir uns einmal dem Beispiel eines deutschen Mittelstandsunternehmens zu, das sich auf die Herstellung von Schuhsohlen spezialisiert hat. Auf diese Branche hat Corona keinerlei Auswirkung – die Auftragslage steigt sogar ständig an, sodass über das normale Maß hinaus produziert werden muss. Dies bedeutet ein höheres Einkaufsvolumen an Rohwaren, das die aktuellen liquiden Mittel schmälert, die zum Unternehmenswachstum vorgesehen sind. Finanzinstitute verhalten sich, wie schon erwähnt, derzeit zurückhaltend. An dieser Stelle steigt die DEF mit ihrer Projekt- und Einkaufsfinanzierung ein. Das Unternehmen hat feste Abnehmer und Auftraggeber, sodass Schuhsohlen nur auftragsbezogen produziert werden und kein Abnahmerisiko besteht. Die DEF tritt nun in die verhandelten Lieferantenverträge ein und kauft die notwendigen Rohwaren für den Sohlenproduzenten, die direkt als Streckengeschäft an die Produktionsfirma geliefert werden. Der Lieferant stellt die Rechnung für die gelieferten und geprüften Waren an die DEF. Gleichzeitig berechnet die DEF die Ware mit einem erweiterten Zahlungsziel an die Produktionsfirma. Am Ende des Prozesses werden der Zahlungseingang des Auftragsgebers und die Fälligkeit des erweiterten Zahlungszieles der DEF wieder zusammengeführt, sodass keine weiteren liquiden Ressourcen benötigt werden.
Welche Vorteile bietet die Einkaufsfinanzierung?
- Es schont die Liquidität des Unternehmens bei moderaten Sicherheiten und gewährleistet die Handlungsfähigkeit bei eventuellen Spotgeschäften oder betrieblich notwendigen Investitionen.
- Grundsätzlich bezahlt die DEF die Lieferantenrechnung innerhalb kürzester Zeit (innerhalb der Skontofrist), sodass bessere Einkaufskonditionen verhandelt werden können.
- Im Bedarfsfall und bei Verfügbarkeit können größere Mengen geordert werden, um die Produktion zu sichern und eine verbesserte Lieferbereitschaft erklären zu können.
- Das durch die DEF zur Verfügung gestellte, verlängerte Zahlungsziel entspannt den internen Liquiditätsdruck bei üblicherweise steigenden Debitorenlaufzeiten und sinkenden Kreditorenlaufzeiten.
- Deutlich bessere Planungssicherheit bei der Rohwarenbeschaffung.
Doch auch der Lieferant genießt einige Vorteile:
- Sofortige Liquidität nach Lieferung,
- kein Delkredererisiko,
- Chance auf höhere Absatzquoten durch größere Einkaufschargen des Kunden sowie
- direkte Auswirkungen auf die Lieferanten-Kunden-Beziehung im Sinne des Forderungsmanagements.
Somit kann die „Projekt- oder Einkaufsfinanzierung“ einen intelligenten Finanzierungsbaustein in der Gesamtfinanzierung des Unternehmens darstellen. Außerdem wird dieses Geschäftsmodell dem Markt gerecht, der nach innovativen und alternativen Finanzierungswerkzeugen entlang der Supply Chain sucht. Die kaufmännischen Abwicklungen werden zwischen dem Kunden und der DEF digital abgebildet und stellen somit keinen Mehraufwand dar.
Interview mit Thomas Auerbach, Geschäftsführer der Deutschen Einkaufsfinanzierer GmbH: „Nachfrage nach alternativen Finanzierungsinstrumenten wächst“
Unternehmeredition: Herr Auerbach, wie läuft das Geschäft mit der Einkaufsfinanzierung in Coronazeiten?
Thomas Auerbach: Seit Basel III und IV müssen Banken höhere Eigenkapitalauflagen bei der Kreditvergabe erfüllen. Einige Industriebranchen, beispielsweise der Automobilsektor, befinden sich zudem in einer Strukturkrise. Im März 2020 kam nun noch die Coronapandemie mit ihren Unwägbarkeiten hinzu. All diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Banken weniger Geld für mittelständische Unternehmen bereitstellen, es sei denn, Letztere verfügen über überproportionale Sicherheiten. Seither wenden sich insbesondere Mittelständler verstärkt alternativen Finanzierungsinstrumenten zu. Wir als Einkaufsfinanzierer merken diesen Trend deutlich daran, dass wir querbeet mehr Anfragen aus allen Branchen haben als zuvor. Die Qualität der Anfragen ist dabei überdurchschnittlich gut.
Unternehmeredition: Wer sind Ihre Kunden und in welchen Fällen nehmen diese Ihre Hilfe in Anspruch?
Auerbach: Hinsichtlich der Branchen gibt es bei uns keine Einschränkungen – wir sind für alle da. Allerdings haben wir uns auf den Bereich Projektfinanzierung spezialisiert, das heißt, wir konzentrieren uns auf reines B2B-Geschäft und zielen auf vertraglich vereinbarte Projekte ab, deren Abnehmerstrukturen solvent sind und bei denen vertragliche Abnahmesicherheit besteht. Größentechnisch geht es um Limite zwischen 250.000 und circa 5 Mio. EUR, die Umsatzspannen der Unternehmen liegen zwischen 10 Mio. und 100 Mio. EUR. Uns ist vor allem wichtig, dass für den Kunden ein Mehrwert entsteht. Meist handelt es sich um Geschäfte, die für das Unternehmen kurzfristig eine einmalige Chance mit hohen Margen darstellen, wie Saison- oder Spotgeschäfte, bei denen es darum geht, schnell zu reagieren, auch wenn gerade kurzfristig im Unternehmen nicht ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stehen. Unsere Kunden sehen uns dabei als „Enabler“.
Unternehmeredition: Wie schätzen Sie die weiteren Marktperspektiven ein?
Auerbach: Wir sind und bleiben Nischenanbieter. In unserem Fokus stehen gute, werthaltige Geschäfte und stabile Partnerschaften. Neben uns wird es immer die großen, klassischen Finanzdienstleister geben. Dennoch wollen wir wachsen – aber nicht um jeden Preis. Auch wir refinanzieren uns zum Teil über den klassischen Kreditmarkt. Eine Option für weiteres Wachstum liegt für uns im Ausbau alternativer Refinanzierungsquellen wie beispielsweise Private Equity und Factoring. Hier sehen wir großes Potenzial.
ZUR PERSON
Thomas Auerbach ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Deutschen Einkaufsfinanzierer GmbH. Seit knapp 30 Jahren ist er Akteur in leitenden Positionen diverser Bereiche in Handel und Finanzen.
Dieser Beitrag ist erschienen in der Unternehmeredition 4/2020.
Thomas Klimek
Thomas Klimek verantwortet den Vertrieb Deutschland der Deutschen Einkaufsfinanzierer GmbH. Er ist Spezialist und Entwickler für bankenunabhängige Finanzierungslösungen in der Industrie und im Handel.