Spätestens seit März war die deutsche Wirtschaft im Würgegriff der Corona-Pandemie. International vernetzte Firmen spürten die Auswirkungen bereits seit den ersten drastischen Maßnahmen in China zum Jahresbeginn. Seit Mai nun bahnt sich eine Lockerung an. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise auf den M&A-Sektor? Wie haben die Dealmaker die vergangenen Monate erlebt? Wie blicken sie in die Zukunft? Unternehmeredition befragte einige erfahrene Manager zu ihren Einschätzungen. Im Gespräch mit Johannes von Neumann-Cosel.
Einer der wesentlichen Bestandteile der verschiedenen Rettungs- und Hilfspakete war die Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht bis zum 30. September 2020. Unternehmen mit einer schwierigen Ertragslage durch wegbrechende Umsätze können auf diese Weise ihre Geschäfte weiter fortsetzen. Das Ergebnis war ein weiterer Rückgang der Insolvenzzahlen in Deutschland – trotz der landesweiten tiefen Krise. „Auch wir rechnen mit einer großen Welle von Insolvenzen ab Oktober. Allerdings wird dies in erster Linie kleinere Unternehmen betreffen, die sich bisher mehr schlecht als recht durch die Krise gewunden haben“, sagt Johannes von Neumann-Cosel, Partner bei der Beratungsgesellschaft Falkensteg.
Größere Unternehmen nutzen Sanierungsinstrumente
Bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. Euro ging die Insolvenzkurve dagegen stark nach oben. Im März und April stiegen die Antragszahlen so hoch wie schon seit acht Jahren nicht mehr. Nach Ansicht von Neumann-Cosel waren das meist gut beratende Unternehmen, deren Finanzierungsversuche relativ früh scheiterten und die sich über ein Eigenverwaltungsverfahren sanieren wollen. Zwei weitere Gründe sind die Insolvenzverschleppung und die strafrechtliche Problematik des Eingehungsbetruges. Geschäftsführer könnten in die Mühlen der Justiz geraten, wenn sie jetzt Bestellungen vornehmen, mit dem Wissen, dass sie ihre Lieferanten auch über das Ende der Aussetzung hinaus nicht bezahlen können.
„Die Aussetzung der Antragspflicht war richtig“
„Die Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht in Kombination mit der Neuregelung der Kurzarbeit ist eine sinnvolle Maßnahme. Es war auch wichtig, dass hier schnell gehandelt wurde, denn gerade den kleineren Betrieben wurde auf diese Weise Luft verschafft“, erklärt von Neumann-Cosel. Eine Verlängerung der Regelung über den 30. September dieses Jahres hinaus sieht er eher skeptisch: „Wer es jetzt nicht geschafft hat, der hat deutliche strukturelle Probleme und es wird auch nicht besser werden.“ Neu nachdenken sollte die Politik aber dann, wenn sich eine zweite Infektionswelle entwickelt. Zudem können Unternehmen, die von der Pandemie betroffen sind, staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. Das sei aber kein Selbstläufer, da Krisenunternehmen die Kreditkriterien oft nicht erfüllen.
Finanzierungen für Unternehmen werden schwieriger
Kurz- bis mittelfristig sieht von Neumann-Cosel für Unternehmen erschwerte Bedingungen bei der Finanzierung mit Fremdmitteln: „Mit einer Debt-to-EBITDA-Ratio von 4 bis 6 ist das Unternehmen gerade noch gut aufgestellt. In diesem Fall sind weitere Kredite wirtschaftlich zu verkraften. Aber bei höheren Raten wird es schwierig, denn diese Schulden wird man im Zweifelsfall nicht mehr los.“ Eine übertriebene Verschuldung des Unternehmens sei auch vor der Corona-Krise nicht der richtige Weg gewesen. Hier sollten die Beteiligten immer über andere Finanzierungsformen und Sanierungsinstrumente nachdenken.
Der Markt ist weiter aktiv
Nach einer gewissen Schockstarre hat sich nach Ansicht von von Neumann-Cosel der Distressed-M&A-Markt wieder etwas erholt: „Wir sehen, dass es weiter Übernahmen geben wird. Spezial-Aufkäufer sind auf dem Markt unterwegs und haben viel Geld in der Kriegskasse.“ Das gelte auch für mittelständische Investoren. Dennoch sei damit zu rechnen, dass der Verkauf von Krisenunternehmen in der Zukunft schwieriger wird und das Preisniveau sinkt. Wenn der Betrieb ein mehr oder weniger austauschbares Produkt herstellt, dann würden sich zukünftig nur noch wenige Käufer finden. „Je nach Kundenstruktur, Know-how und Produkt-Palette kann es aber gerade bei kleinen und mittleren Betrieben gute Gelegenheiten für eine Übernahme geben. Gerade in diesem Bereich seien immer noch einige Single-Source-Anbieter am Markt“, sagt von Neumann-Cosel. Ein schmerzlicher Nebeneffekt der Krise sei der Preisverfall bei gebrauchten Maschinen. Die Vielzahl von Krisen und Insolvenzen führe zu einem Überangebot in diesem Bereich. Auch bei Falkensteg habe es Fälle gegeben, bei denen ein Wertgutachten nach ein paar Monaten wegen der schlechteren Bewertung des Maschinenparks korrigiert werden musste.
Krise hat das Team zusammengeschweißt
„Diese außergewöhnliche Krise mit all ihren Auswirkungen hat unser Team stärker zusammengeschweißt. Das gegenseitige Verständnis ist noch größer geworden“, sagt von Neumann-Cosel. Die Welt habe sich in den vergangenen Monaten komplett geändert. Er hofft darauf, dass sich Routinen wie Video-Calls in der Zukunft weiter durchsetzen werden. Das spare eine Menge (Reise-)Zeit. Insgesamt habe die Corona-Pandemie der lange Zeit verschlafenen Digitalisierung einen gewaltigen Schub gegeben. Die Krise wird sich nach Ansicht von Neumann-Cosel ebenso auf das Management der Lieferketten auswirken: „Hier wird es deutliche Anpassungen geben, denn die Unternehmen haben gesehen, wie verwundbar sie sind. Die Globalisierung wird stückweit zurückgeführt und es besteht die Herausforderung, regionale Werksstrukturen aufzubauen.“
ZUR PERSON
Johannes von Neumann-Cosel ist seit 2016 Partner im Bereich Corporate Finance bei FalkenSteg. Er ist seit mehr als 15 Jahren auf die Beratung von Unternehmen in Krisensituationen im Hinblick auf M&A und Restrukturierungen spezialisiert. Vor seiner Zeit bei FalkenSteg war er Mitglied des European Management Boards der Thomas Cook Gruppe mit dem Fokus Restrukturierung. Darüber hinaus war er als Projektleiter bei Roland Berger, bei EQT, Deutsche Bank sowie Lehman Brothers in den Bereichen Private Equity und Investment Banking tätig. www.falkensteg.com
Weitere Beiträge aus der Serie “Corporate Finance nach Corona”:
1. Board Xperts: “Es gibt auch Gewinnerbranchen”
2. Abacus Alpha: „Das Spektrum zu beachtender Risiken hat sich definitiv erweitert“
3. Oaklins: „Die Globalisierung ist nicht am Ende“
4. Gimv: „Wir sind im Deal-Mode“
5. Primepulse: „Jetzt ist die Zeit der Macher und Anpacker“
6. Ebner Stolz: „Wir bemerken in unseren Gesprächen ein hohes Maß an Kreativität bei den Unternehmen“
7. Serafin: „Als Kapitän muss man auf der Brücke bleiben“
8. Hannover Finanz: „Die Wolken verziehen sich so langsam”
10. SGP Schneider Geiwitz Corporate Finance: „Man kann immer noch sehr gut Unternehmen verkaufen“
11. Finanzierung.com: “Viele klassische Finanzierer sind vorsichtig geworden”
12. Warth & Klein: “Der Hunger am Markt ist groß”
13. SNP Schneider-Neureither & Partner: “Es wird zu einem deutlichen Anstieg der M&A-Aktivitäten kommen”
14. Marondo: “Wir brauchen bei Private Equity einen Imagewechsel”
15. BayBG: “Es ist viel los am Markt für Transaktionsfinanzierungen”
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.