Die vorstehend genannten Firmen sind drei deutsche Unternehmen, die in diesem Jahr erfolgreich ein neues Mitarbeiterbeteiligungsprogramm aufgelegt und ausgerollt haben. Erfreulicherweise handelt es sich dabei sogar nur um einen kleinen Ausschnitt der Unternehmen in unserem Land, die 2021 ihren teilnahmeberechtigten Mitarbeitern im In- und Ausland erstmalig ein solches Programm angeboten haben. Der Erfolg der aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Deutschland in diesem Jahr hat eine Vielzahl von Hintergründen und Ursachen: Da wäre zum einen das für Sparer verheerende aktuelle Nullzinsumfeld in Kombination mit der Androhung von Strafzinsen auf größere oder mittlerweile auch kleinere Bankguthaben, zum anderen eine gewachsene Einsicht in der Bevölkerung für die Notwendigkeit aktienbasierter privater Vorsorge vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sowie möglicherweise die mehr als überzeugenden langfristigen Renditen von Mitarbeiteraktien, die aufgrund der vergünstigten Abgabe an die Mitarbeiter durch den Arbeitgeber mehrheitlich im Durchschnitt deutlich über 12% jährlich liegt. Auch haben das erfolgreichste IPO-Jahr in Deutschland seit dem Platzen der Dotcomblase 2000 sowie die immer internationalere Ausrichtung der deutschen Unternehmen und ihrer Belegschaften ihren Anteil daran.
Die entscheidende Ursache dürfte jedoch der seit dem 1. Juli gültige neue Steuerfreibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen in Deutschland sein. Ab diesem Zeitpunkt wurde er im Rahmen der Verabschiedung des Fondsstandortgesetzes durch den Deutschen Bundestag von zuvor 360 auf maximal 1.440 EUR pro Jahr in einem Schritt vervierfacht. Bis zu diesem Zeitpunkt lag Deutschland mit seinem sehr geringen Steuerfreibetrag im europäischen Vergleich weit abgeschlagen auf einem der letzten Plätze. Dieser Schritt des deutschen Gesetzgebers war damit längst überfällig, beläuft sich doch der entsprechende Freibetrag in anderen europäischen Ländern wie etwa Großbritannien auf 3.500 EUR, in Österreich auf 4.500 EUR oder in Spanien und Irland gar auf 12.000 EUR.
Ist damit nun alles gut und Deutschland auf dem Weg zu einem Land der Aktionäre, Teilhaber und Mitunternehmer? Leider nicht – ich muss Ihnen hier Wasser in den Wein gießen.
Überbordende Regulierung als Hemmnis
Zwar ist die Anzahl der direkt in Aktien oder Aktienfonds investierenden Privatanleger während der Coronapandemie nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts in Frankfurt am Main im Jahr 2020 von circa 9,7 Millionen auf etwa 12,4 Millionen gestiegen. Im selben Zuge stieg analog erfreulicherweise die Zahl der Belegschaftsaktionäre um mehr als 50% auf circa 1,6 Millionen. Doch die nach wie vor überbordende Regulierung des Gesetzgebers für Privatanleger beim Thema Aktienanlage in Deutschland ist eines der größten Hemmnisse für eine einfache und anlegerfreundliche Aktienanlage, mehr Aktienkultur und natürlich auch für mehr Teilhabe der Mitarbeiter als Mitunternehmer bei den Unternehmen, bei denen sie beschäftigt sind. Hier gilt es für alle Beteiligten anzusetzen und weiter gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie die über das Ziel hinausgeschossene Regulierung seitens des Gesetzgebers in den letzten elf Jahren wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert werden kann, ohne dabei den natürlich notwendigen Anlegerschutz aus den Augen zu verlieren.
Fazit
Es wäre uns allen und vor allem dem Standort Deutschland, der immer noch viertgrößten Volkswirtschaft der Erde, zu wünschen, dass diese sehr positive Entwicklung in diesem Jahr beim Thema Aktienanlage nach Jahrzehnten, in denen die Privatanleger in Deutschland vor allem auf Sparbücher, Festgelder und festverzinsliche Wertpapiere setzten, kein der Coronapandemie geschuldetes Ausnahmejahr darstellt, sondern den Beginn einer Entwicklung hin zu einem Volk von Aktionären und Mitunternehmern.
Dieser Beitrag ist im Spezial “Mitarbeiterbeteiligung 2021” erschienen.
Jörg Ziegler
Jörg Ziegler ist Managing Director Germany bei Global Shares.