Das alte Jahr ist vorbei – das neue Jahr hat noch nicht richtig begonnen. Dies ist die Zeit für Wirtschaftsprognosen mit einem Ausblick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Alle möglichen Prognosen stehen allerdings unter dem Vorbehalt einer weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie – und dies weltweit. Immerhin seit nunmehr zwei Jahren dominiert diese Krankheit das wirtschaftliche Geschehen. Am 7. Januar 2020 wurde im chinesischen Wuhan das Corona-Virus identifiziert.
Lieferketten bleiben angespannt
Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet bis zum zweiten Halbjahr 2022 mit großen Problemen in den weltweiten Lieferketten. Begründet wird diese Annahme mit zu befürchtenden weiteren Corona-Ausbrüchen auf der ganzen Welt und mit der Null-Covid-Politik Chinas mit einhergehenden Sperrungen von Häfen. Dennoch wird ein Wachstum des weltweiten Handelsvolumens prognostiziert. Die Experten von Euler Hermes gehen für 2022 von einem Wachstum um 5,4% aus. Im darauffolgenden Jahr sei ein Zuwachs um 4,0% zu erwarten.
Mehr Inflation erwartet
Mit weiter zunehmender Inflation rechnet Christian Sewing, Präsident des Bankenverbands und CEO der Deutschen Bank. “Beim Inflationstrend erleben wir gerade einen Etagenwechsel, also von Inflationsraten unter zwei Prozent im vergangenen Jahrzehnt zu Raten von voraussichtlich 2,5 bis 3 Prozent in den nächsten Jahren”, sagte er in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe. Als treibende Faktoren nennt er den Fachkräftemangel mit daraus folgenden Lohnsteigerungen, den weiteren Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit und die fortgesetzten Probleme mit den globalen Lieferketten. Der verstärke Trend zu mobilem Arbeiten könne nach Sewings Ansicht zudem dazu führen, dass auch „auch Mittelständler in der deutschen Provinz plötzlich mit Jobs bei Großunternehmen aus den Metropolen konkurrieren müssen.“
Erholung ist unsicherer – mehr Insolvenzen?
„Die wirtschaftliche Erholung im Jahr 2022 ist deutlich unsicherer geworden“, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services beim internationalen Kreditversicherer Atradius. Die stark gestiegene Zahl der Neuinfektionen und die damit verbundenen Maßnahmen wie etwa Lockdowns treffen bereits jetzt Branchen wie Gastronomie, Tourismus oder die Veranstaltungswirtschaft. Die Wirtschaft leide seit Monaten bereits unter anhaltenden Rohstoff-, Material- und Lieferengpässen. Für die Fertigstellung von Aufträgen fehlen wichtige Vorprodukte wie Computerchips, Holz, Aluminium oder Plastik und Papier. Diese Mangelwirtschaft trifft nach Ansicht von Karrenberg insbesondere die Automobilindustrie. Die Teuerungsrate dürfte 2022 für eine große Herausforderung für Branchen wie Energie und Baumaterialien darstellen. Mehrere Energieanbieter seien zuletzt aufgrund der sprunghaft gestiegenen Bezugspreise für Gas und Strom in Bedrängnis geraten. All diese Herausforderungen dürften auch Auswirkungen auf die Firmeninsolvenzen in Deutschland haben. „Corona, Lieferengpässe, Inflation und politische Risiken können eine explosive Mischung bilden“, betont Karrenberg. Die Zahl der Pleiten dürfte 2022 wieder steigen und das Risiko der Forderungsausfälle zunehmen. Allerdings sei noch unklar, wie stark die Zahl der Firmeninsolvenzen nach dem Auslaufen der staatlichen Hilfsmaßnahmen steigen werden“, sagt Karrenberg.
Lage der Autoindustrie schlechter
Die Lage in der deutschen Autoindustrie hat sich den fünften Monat in Folge verdüstert. Der entsprechende Indikator des Münchener ifo-Instituts für die Branche fiel auf minus 1 Punkt im Dezember. „Diese abermalige Verschlechterung ist von den Herstellern getrieben, nicht von den Zulieferern“, sagt Oliver Falck, der Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Auch der Lageindikator für die Hersteller fiel deutlich. Alle Hersteller sind nach Aussage des ifo-Instituts weiterhin von Lieferengpässen bei Vorprodukten betroffen. „Auch die Erwartungen bei den Herstellern sind nicht mehr so rosig“, fährt Falck fort. Die Situation bei den Herstellern übertrage sich auch direkt auf die Zulieferer. Auch hier bleibe die Lage schlecht.
Auftragseingang steigt
Der Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im November 2021 gegenüber Oktober 2021 um 3,7 % gestiegen. Damit setzt sich die Zick-Zack-Bewegung dieses Wertes nahtlos fort. Im Vormonat gab es einen starken Rückgang – davor wieder ein deutliches Absinken. Ein wirklicher Trend ist seit Mitte des vergangenen Jahres nicht zu erkennen.
Dienstleistungssektor weiter betroffen
“Wenngleich die Maßnahmen zur Eindämmung der aktuellen Coronawelle im Vergleich zu den vorherigen weniger einschneidend sind, reichten sie gepaart mit der verstärkten Unruhe und den virusbedingten Störungen doch dafür aus, dass die Geschäftstätigkeit der deutschen Dienstleister im Dezember in die Schrumpfungszone rutschte. Zwar handelt es sich gegenwärtig nur um einen moderaten Rückgang, allerdings könnte das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht sein“, erklärt Phil Smith, Associate Director bei beim Wirtschafts-Informationsdienstleister IHS Markit. Es gebe weiterhin einen enormen Preisdruck. Trotzdem blicke dieser Wirtschaftsbereich leicht positiv in die Zukunft. Die positive Erwartungshaltung stützte sich dabei auf die Hoffnung, dass die Pandemie bis Ende 2022 unter Kontrolle gebracht werden könne und sich die Geschäfte dementsprechend normalisieren werden.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.