Wirtschaftsprognosen: Institute senden gemischte Signale

Foto: © Miha Creative_AdobeStock
Foto: © Miha Creative_AdobeStock

Wenige Tage vor der Veröffentlichung der neuen Konjunkturprognose durch das ifo-Institut kommen von den verschiedenen Wirtschaftsforschern unterschiedliche Signale zur Beurteilung der aktuellen Lage der deutschen Wirtschaft. Zumindest bei den Insolvenzzahlen geht es aufwärts – von früheren Höchstständen ist man aber noch sehr weit entfernt. Mit diesen gemischten Nachrichten beginnen wir die Übersicht über die aktuellen Wirtschaftsprognosen.

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im November bei 808. Das sei der höchste Wert in diesem Jahr und liege damit 23% über dem Niveau des Vorjahresmonats. Jedoch seien im langfristigen Vergleich die derzeitigen Insolvenzzahlen weiter niedrig. Im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 wurden laut amtlicher Statistik im November durchschnittlich 1.007 Personen- und Kapitalgesellschaften insolvent gemeldet. „Die Insolvenzzahlen entwickeln sich bisher verhaltener als von vielen erwartet“, sagt Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität und der dort angesiedelten Insolvenzforschung. Die aktuellen Werte bleiben sogar hinter den vorsichtigen Prognosen der IWH-Insolvenzforschung zurück. Die Insolvenzwelle sei bislang ausgeblieben. Für die kommenden beiden Monate rechnet das IWH Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle nicht mit grundlegenden Veränderungen beim Insolvenzgeschehen.

Mehr Insolvenzen in der Bauwirtschaft?

„Die moderate Steigerung der beantragten Unternehmensinsolvenzen in den letzten Monaten ist noch kein Indikator für einen langfristigen starken Insolvenzanstieg“, erläutert Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). Kleine und mittelständische Unternehmen, die über Standardlastprofile abgerechnet werden und weniger als 1,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, hätten einen Anspruch auf die Übernahme des Dezembergas- und -wärmeabschlags, den der Bund als Soforthilfe eingeführt hat. Dies schaffe Entlastung für die betroffenen Unternehmen. Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen immer noch vor einer hohen Inflationsrate bei den Erzeugerpreisen. „Ab dem Frühjahr 2023 dürfte sich die stark abschwächende Baukonjunktur auch auf die Unternehmensinsolvenzen auswirken“, meint Niering. Ein Anstieg der Insolvenzzahlen in dieser Branche werde aber voraussichtlich keine größere Auswirkung auf die Arbeitslosenquote haben.

Deutschlands Industrie schrumpft weiter

Deutschlands Industrie schrumpfte nach einer Analyse der Wirtschaftsforscher von S&P Global auch im November, wie die aktuellen Daten zeigen. Die befragten Unternehmen hätten dies in erster Linie auf einen signifikanten Rückgang der Nachfrage zurückgeführt. Die Schrumpfungsraten für Produktion und Auftragseingang hätten sich im Vergleich zum Vormonat aber leicht abgeschwächt und die Geschäftsaussichten fielen weniger pessimistisch aus. Dies sei unter anderem auf die rückläufigen Lieferengpässe zurückzuführen. Die Umfrageergebnisse würden aber erneut ein deutliches Minus bei den Auftragseingängen im gesamten verarbeitenden Gewerbe ergeben. Dies deute auf eine anhaltend rückläufige Nachfrage nach Industriegütern hin. Die hohen Energiekosten, die steigende Inflation und der unsichere Geschäftsausblick wirkten sich allesamt negativ auf die Nachfrage aus.

Auch bei den Dienstleistungsunternehmen gibt es eine Nachfrageflaute. Zwar hätten sich die Geschäftsaussichten zum zweiten Mal hintereinander etwas aufgehellt, die Branchenakteure blickten laut S&P allerdings weiterhin negativ auf ihre Performance binnen Jahresfrist. Phil Smith, Economics Associate Director bei S&P Global Market Intelligence, kommentiert die aktuellen Umfrageergebnisse: „Auch wenn die Gefahr, dass es zu ernsthaften Engpässen bei der Gasversorgung kommt, vorerst gebannt scheint und sich die Geschäftsaussichten etwas vom Oktober-Tief erholt haben, bereitet die Energiesicherheit vielen Herstellern weiterhin große Sorgen, wie auch die sinkende Nachfrage. Die Zahl der Neuaufträge ist in den letzten Monaten rasant zurückgegangen. Dies hat nicht nur die Lagerbestände in die Höhe getrieben, sondern ist für viele Unternehmen anstelle der Materialknappheit zum Hauptproblem in der Produktion geworden.“

Materialknappheit rückläufig

Die Materialknappheit in der Industrie ist nach einer aktuellen Befragung des Münchener ifo-Instituts zurückgegangen. Im November hätten knapp 60% der befragten Firmen Probleme gemeldet, das sei der niedrigste Wert seit April 2021. „Die Zahlen machen Hoffnung. Dennoch kann noch nicht von einer tiefgreifenden Entspannung gesprochen werden. Viele Aufträge können noch immer nicht abgearbeitet werden“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. In der Automobilbranche sei der Anteil der betroffenen Firmen sogar auf 83,2% gestiegen. In der Metallerzeugung und ‑bearbeitung habe sich die Situation merklich entspannt. Mit 16,1% liege der Anteil der Unternehmen so niedrig wie zu Beginn der Beschaffungskrise.

Sentix: Konjunkturstimmung hellt sich auf

Der Konjunkturindikator des Beratungsunternehmens Sentix für den Euroraum hat sich im Dezember zum zweiten Mal in Folge aufgehellt. Nach der aktuellen Befragung wurde der höchste Stand seit Juni dieses Jahres erreicht. Sowohl die Konjunkturerwartungen als auch die Lagebewertung hätten sich bei den Unternehmen aufgehellt. Grund dafür seien unter anderem der verhältnismäßig milde Winter und die gut gefüllten Gasspeicher. Zuvor hatte es durch den Konflikt in der Ukraine starke Verschlechterungen des Sentix-Konjunkturindikators gegeben.

Energiekrise lässt Kurzarbeit steigen

Erstmals seit Januar steigt laut dem Münchener ifo-Institut wieder die Zahl der Kurzarbeiter. Von August auf November kletterte die Zahl von 76.000 auf 187.000. Der Zuwachs sei vor allem in der Industrie erfolgt. „Insbesondere die energieintensiven Industrien und die Automobilindustrie greifen wieder vermehrt zur Kurzarbeit. Dies steht im Einklang mit der zuletzt schwächelnden Produktion in diesen Branchen“, sagt Sebastian Link, Forscher am ifo Institut.  Im Vergleich zu den letzten Corona-Wintern sei  das Niveau der Kurzarbeit allerdings immer noch sehr gering, denn Im November 2021 lag die Gesamtzahl bei 750.000 Kurzarbeitern.

Gemischte Signale von Destatis

Gemischte Signale sendet das Statistische Bundesamt (Destatis) zur aktuellen konjunkturellen Lage in Deutschland. Der reale Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe sei im Oktober 2022 gegenüber dem Vormonat um 0,8% gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der Auftragseingang allerdings 3,2% niedriger. Gestörte Lieferketten infolge des Kriegs in der Ukraine und anhaltende Verwerfungen durch die Coronakrise würden nach wie vor zu Problemen beim Abarbeiten der Aufträge führen. Im produzierenden Gewerbe blieben die Daten für Auftragseingang und Produktion annähernd unverändert im Vergleich zum Vormonat und zum Vorjahresmonat. Allerdings habe es in den energieintensiven Energiezweigen einen deutliche Rückgang der Produktion in Höhe von 3,6% gegeben.

ifo Institut: Weniger Firmen wollen ihre Preise erhöhen

Weniger Unternehmen planen demnächst ihre Preise zu erhöhen. Das geht aus der aktuellen Umfrage des ifo Instituts hervor. Die sogenannten ifo Preiserwartungen sanken für die Gesamtwirtschaft im November auf 46,7 Punkte, von 51,3 im Oktober. Der Handel insgesamt plant weniger Anhebungen, auch im Verarbeitenden Gewerbe fallen die Preiserwartungen. Dienstleister und das Baugewerbe planen seltener ihre Preise zu erhöhen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger ArtikelMit frischem Geld schneller wachsen
Nächster ArtikelÜbernahmespekulation befeuert Aktienkurs der va-Q-tec AG