Wirtschaftsprognosen: Die Zeichen stehen auf Krise

Foto: © Miha Creative_AdobeStock
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Deutschlands Hersteller starteten schwächer ins zweite Quartal, da der Krieg in der Ukraine und die Lockdowns in China sowohl die Nachfrage drückten als auch die Lieferketten störten. Das ist das Ergebnis des aktuellen S&P Einkaufsmanagerindex Deutschland für April. Mit dieser unerfreulichen Nachricht beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.

Aufgrund des Rückgangs der Neuaufträge sowie der weitverbreiteten Lieferverzögerungen würden zudem die Produktionsraten schrumpfen.  Die Fertigung müsse nach der aktuellen Studie vielerorts wegen Materialengpässen und schwächerer Nachfrage gedrosselt werden. Zugleich gebe es eine geringere Zahl an Neuaufträgen in Folge des Ukraine-Krieges, der Sanktionen gegen Russland sowie des Lockdowns in China zugeschrieben. Phil Smith, Economics Associate Director bei S&P Global, erklärt dazu: „Deutschlands Industrie sieht sich mit einer unangenehmen Kombination aus explodierenden Preisen und rückläufigen Produktionsraten konfrontiert. Auslöser sind der Krieg in der Ukraine und der Lockdown in China, denn beides hat zu erneuten Störungen in den weltweiten Lieferketten und einer schwächeren Nachfrage geführt. Für eine verlässliche Aussage ist es noch zu früh, aber es zeichnet sich bereits ab, dass die Industrie das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal bremsen dürfte.“

Bundesregierung senkt Jahresprognose

Die Bundesregierung hat ihrer Wachstumsprognose nach unten korrigiert. Demnach wächst die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2022 nur noch um 2,2%. Im Jahr 2023 wird gemäß der „Frühjahrsprojektion 2022“ ein Wachstum von 2,5% erwartet. Im Januar dieses Jahres war die Regierung noch von einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 3,6% ausgegangen. Die Bundesregierung korrigierte nun ihre Erwartungen deutlich nach unten. Hauptgrund für die Eintrübung der wirtschaftlichen Aussichten sei der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sowohl die hohen Energiepreise, aber auch die Sanktionen und die gestiegene Unsicherheit würden die Wachstumsaussichten der deutschen Volkswirtschaft belasten. Die im Zuge des Kriegs stark gestiegenen Preise von Öl, Kohle und Gas würden auch die Verbraucherpreise in Deutschland weiter stark steigen lassen. Die Bundesregierung erwartet für das Jahr 2022 eine Inflationsrate von 6,1%. Solche Raten wurden bislang nur zu Zeiten der Ölkrise oder kurz nach der Wiedervereinigung beobachtet.

Creditreform sieht steigende Risiken

Massive Preissteigerungen bei Energie und Kraftstoffen, die galoppierende Inflation sowie die hohe Ungewissheit über den weiteren Verlauf des Konflikts und seine wirtschaftlichen Folgen lähmen nach Ansicht der Wirtschaftsauskunftei Creditreform derzeit eine bessere Geschäftsentwicklung im deutschen Mittelstand. „Der Krieg in Osteuropa lässt die mittelständischen Unternehmen in Deutschland sorgenvoll in die Zukunft blicken, eine depressive Stimmung ist aber noch nicht auszumachen. Der Ukrainekrieg ist Gift für die aufkeimende Erholung der mittelständischen Wirtschaft“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, bei einer Pressekonferenz.

Ertragserwartungen 2022 Creditreform Sorgen würde den Mittelständlern vor allem die Ertragslage machen: Jedes dritte Unternehmen war hier laut Creditreform von Einbußen betroffen und nur 17,5% der Befragten meldeten steigende Erträge. Durch die Inflationstendenzen in Deutschland würde mehr als die Hälfte der Mittelständler sogar die Unternehmensstabilität in Gefahr sehen. Noch vor den Lieferketten-Problemen und dem Fachkräftemangel sind nach Meinung von knapp 72% der Befragten die massiven Preissteigerungen für den Mittelstand die wohl größte Herausforderung in diesem Jahr.

Viele kleine und mittlere Betriebe seien geschwächt aus der Coronakrise gekommen und würden immer noch mit den Folgen kämpfen. Bemerkbar mache sich das unter anderem bei der Eigenkapitalausstattung: Knapp ein Drittel der Mittelständler gibt an, eine zu geringe Eigenkapitalquote von unter zehn Prozent im Verhältnis zur Bilanzsumme zu haben. Damit bleibe die Sorge einer zu geringen Resilienz im Falle einer neuen Rezession weiterhin bestehen. Zudem spürten die Unternehmen erste Tendenzen einer Inanspruchnahme von längeren Zahlungsfristen.

Bruttoinlandsprodukt leicht im Plus

Destatis BIP April 2022Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im ersten Quartal 2022 gegenüber dem vierten Quartal des vergangenen Jahres leicht um 0,2 % gestiegen. Nach der Erholung der deutschen Wirtschaft im vergangenen Sommer und dem Rückgang zum Jahresende 2021 nahm die Wirtschaftsleistung damit nach einer Analyse des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wieder leicht zu. Dazu hätten vor allem höhere Investitionen beigetragen, während der Außenbeitrag das Wirtschaftswachstum eher gebremst habe. Seit Ende Februar beeinflussen laut Destatis die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine die konjunkturelle Entwicklung zunehmend. Dadurch seien in die Zukunft gerichtete Prognosen derzeit schwierig. Einen ausführlichen Vergleich der Auswirkungen der Corona-Pandemie im Vergleich mit der Finanzkrise vor zehn Jahren gibt es unter dem Link https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Corona/krisenmonitor.html

Beschäftigungsbarometer steigt

Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen in Deutschland ist nach einer aktuellen Studie des Münchener ifo-Instituts gestiegen. Das ifo Beschäftigungsbarometer stieg im April leicht auf 102,8 Punkte. Die hohe Unsicherheit in der Wirtschaft durch den Angriff Russlands auf die Ukraine habe offensichtlich keinen nachhaltigen Einfluss auf die Personalplanungen zu haben. Die Beschäftigung in Deutschland werde laut der ifo-Experten weiter steigen. In der Industrie sei das Beschäftigungsbarometer erneut gesunken. Insbesondere energieintensive Industrien wollen sich demnach zurückhalten mit Einstellungen.

Deutschen sparen Energie ein

In jedem zweiten deutschen Haushalt wird angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Energie gespart: Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland gibt in einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom an, bewusster mit Energie umzugehen − etwa indem sie weniger Strom verbrauchen, weniger heizen oder auf Ökostrom umgestiegen sind. Die Umfrage wurde im März 2022 durchgeführt. Demnach hat sich bei 16% der Befragten in Deutschland der Energieverbrauch stark verändert, weitere 32% haben demnach zumindest eine leichte Veränderung vorgenommen. Bei jüngeren Menschen zwischen 16 und 29 Jahren ist laut Bitkom-Befragung die Tendenz zum Energie sparen etwas ausgeprägter als bei anderen Altersgruppen. Zugleich geben jedoch auch 47% an, seit Beginn des Krieges in der Ukraine in dieser Hinsicht alles beim Alten zu lassen. „Durch den Krieg in der Ukraine sind viele Menschen zusätzlich motiviert, Energie einzusparen. „Auch kleine Maßnahmen, die den täglichen Komfort nicht einschränken, können in der Summe einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass das Klima geschützt und die Abhängigkeit von russischen Energieimporten verringert wird“, sagt Bitkom-Präsidiumsmitglied Matthias Hartmann. Neun von zehn Deutschen seien der Meinung, Deutschland müsse so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden.

ifo Exporterwartungen erholen sich

Die Stimmung unter den deutschen Exporteuren hat sich nach dem Einbruch im März etwas erholt. Dies hat eine aktuelle Befragung des ifo-Instituts München ergeben. Die ifo Exporterwartungen sind im April deutlich auf plus 3,5 Punkte gestiegen. Trotz hoher Unsicherheit und Logistikproblemen zeichnet sich gemäß der Studie eine Stabilisierung der Exportstimmung ab. In der Elektroindustrie würden die Exporterwartungen wieder zulegen. Viele Unternehmen würden von steigenden Exporterlösen ausgehen. Auch im Maschinenbau kehre die Zuversicht wieder zurück. Die chemische Industrie hingegen sei weiterhin skeptisch. Dies gelte auch für die Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren.

Importpreise deutlich gewachsen

Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat ermittelt, dass die Importpreise im März um 31,2% gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind.  Im Februar hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahr 26,3% gelegen. Die aktuellen Daten spiegeln nach Ansicht von Destatis bereits erste Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine wider. Die Energieeinfuhren waren im März 2022 um 160,5% teurer als im Vorjahr. Der hohe Anstieg im Vorjahresvergleich sei weiterhin vor allem durch die stark gestiegenen Preise für Erdgas begründet. Diese stiegen in den vergangenen Monaten das Vierfache. Nie zuvor habe sich Erdgas im Import innerhalb eines Jahres so stark verteuert wie im vergangenen Monat. Das sei auch nicht während der beiden Ölkrisen der Jahre 1973/1974 und 1979/1980 der Fall gewesen.

Konsumklima auf historischem Tief

Die Verbraucherstimmung der Deutschen hat sich im April nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zum zweiten Mal in Folge deutlich verschlechtert. Damit stürze das Konsumklima auf einen neuen historischen Tiefststand und unterschreite das bisherige Rekordtief aus dem Frühjahr 2020 während des ersten Corona-Lockdowns deutlich. „Der Ukrainekrieg sowie die hohe Inflation haben der Verbraucherstimmung einen schweren Schlag versetzt. Damit haben sich die Hoffnungen auf eine Erholung als Folge der Lockerungen pandemiebedingter Beschränkungen endgültig zerschlagen,“ erklärt Rolf Bürkl, GfK-Konsumexperte.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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