„Wir konnten bei Investitionen sogar eine Schippe drauflegen“

Interview mit Dr. Sven Oleownik, Head of Gimv Germany

Die europäische Investmentgesellschaft Gimv nutzte die Coronakrise, um für ihre Beteiligungsunternehmen nachhaltige Wachstumsperspektiven aufzubauen.
© rudall30 - stock.adobe.com

Während andere in der Coronakrise das Geschäft herunterfuhren, nutzte die europäische Investmentgesellschaft Gimv sie, um für ihre Beteiligungsunternehmen nachhaltige Wachstumsperspektiven aufzubauen.

Unternehmeredition: Was sind aus Ihrer Sicht die bedeutsamsten Veränderungen durch Corona?

Dr. Sven Oleownik: Am stärksten hat sich die Art und Weise unseres Arbeitens verändert. Durch unsere digitalen Möglichkeiten, die nun erst richtig genutzt werden und sich etablieren konnten, sitzen unsere internationalen Kollegen und Fachmenschen jetzt wie im Arbeitszimmer nebenan. Die neue Flexibilisierung von Arbeit bringt riesige Vorteile. Man ist allein durch weniger Reisen und dafür einfacheren und häufigeren Onlineaustausch viel schneller und effizienter geworden, gewinnt Talente für Firmen selbst an abgelegenen Orten, weil sie an ihren Wunschwohnorten bleiben können. Die Kunst für diese virtuelleren Arbeitswelten wird nun sein, eine neue Unternehmenskultur zu gestalten und Prozesse aufzusetzen, durch die man die Identifikation der Belegschaft mit dem Unternehmen erhält und neue Mitarbeitende in die virtuelleren Organisationen integrieren kann. Corona hat da bereits zahlreiche positive Entwicklungen in Gang gesetzt – allein schon, weil wir geistig deutlich flexibler geworden sind.

Welche coronabedingten Entwicklungen meinen Sie dabei konkret?

Viele Branchen haben unter Corona nicht unbedingt gelitten. Aber manche coronabedingte Entwicklungen werden auch wieder zurückgehen, so etwa die Gewohnheiten, sich zu Hause zu ernähren. Auf den daraus resultierenden Umsatz der Food-Industrie würde ich für die Zukunft nicht so sehr setzen, da wird einiges wieder in die Gastronomie zurückwandern. Interessant ist auch der Kosmetiksektor, der darunter leidet, dass die Leute weniger unter Menschen gehen. Aber manche Firmen konnten durch interessante digitale Lösungen gegen den Trend doch profitieren. So werden sich auch spannende Ergänzungen von Offline- und Onlineretail ergeben sowie neue Vertriebsformen über das Internet durch gut ausgebildete Menschen.

Unternehmeredition: Welche ­langfristigen Änderungen hat Gimv aufgrund von Corona eingeleitet?

Dr. Sven Oleownik: Wir konnten sehr früh über unsere Portfoliounternehmen hinweg verstehen, wie man mit solch schwierigen Herausforderungen umgeht, welche Veränderungen nötig sind, welche Chancen sich ergeben und wie wir sie umsetzen. Wir haben schnell Know-how ausgetauscht, ­anstatt in jedem Unternehmen das Rad neu zu erfinden. So konnten wir erheblich Zeit gewinnen. Da wir eine starke Kapitalbasis haben, konnten wir da, wo andere­ geschwächelt haben und Banken zöger­lich wurden, oft sogar eine Schippe drauflegen. Dadurch und als sehr analytischer Teil im Gesellschafterkreis konnten wir viel Ratio und Ruhe reinbringen. So blieben wir mit allen Beteiligungen manövrierfähig und konnten nach kurzer Zeit wieder aufs Gas drücken. Familien allein haben im Gesellschafterkreis oft weder die Ruhe noch den Atem, um so zu agieren. ­Damit sind unsere Unternehmen bei ­Finanzen, Kompetenzen und Chancen heute besser aufgestellt.

Was genau konnte Gimv bei seinen Portfoliounternehmen erreichen?

Portfoliounternehmen wie Wemas sind uns dankbar, dass wir alles in Bewegung gesetzt haben, um Lieferketten und Produktion zu sichern. Wir haben bewusst auf Profitabilität verzichtet und keine Kosten beispielsweise für veränderte Schichtmodelle, Schutzmaßnahmen, frühzeitige Tests et cetera­ gescheut. So konnten wir Kunden­beziehungen und Marktanteile aus­bauen. Für das IT-Service-Unternehmen Cegeka konnten wir neben starkem organischem Wachstum durch ­gezielte Add-on-Akquisitionen die Ange­botspalette erweitern und dadurch die Marktposition nachhaltig stärken.

Welche Schlüsse hat Gimv für sich aus den coronabedingten ­Veränderungen gezogen?

Wir denken ganz anders nach über Chancen in Krisen und darüber, wie wir intern und extern zusammenarbeiten. Interessant dabei ist, dass wir vollständig online Beteiligungen erworben und auch veräußert haben. Darüber ­hinaus haben wir Unternehmen kennen­gelernt, die ohne anfassbare Zentrale und im besten Sinne mittelstän­discher Größenordnung komplett virtuell organi­siert sind und hochprofitabel stark wachsen. Vor Corona hätten wir uns nicht vorstellen können, dass so etwas funktionieren kann. Das zeigt uns neue Wege in allen Bereichen auf.

Wie haben digitale Assets von Gimv, wie beispielsweise Sofatutor, von ­Corona profitiert?

Der Bereich Schule ist stark reguliert und wenig digitalisiert. Während manche Kinder dabei gut durch Corona ­gekommen sind, haben etliche den ­Anschluss verloren. Kinder sozial schwächerer Familien sind über­proportional betroffen. Wie kann man den Zugang zu unserer wichtigsten Ressource, nämlich Bildung, insbesondere für sozial Benachteiligte verbessern und damit demokratisieren? Wie kann man Präsenzunterricht am Vormittag und Aufgaben am Nachmittag optimal gestalten, das heißt zum Beispiel in Lerngruppen, um Kompetenzen wie Teamarbeit zu fördern? Wie können Lehrkräfte noch besser verstehen, wo die einzelnen Schüler und Schülerinnen stehen, und sie individueller fördern? Wir haben bei Sofatutor viele Initiativen ergriffen und neue ­Instrumente eingesetzt. So stellt beispielsweise das Land Hessen Kindern Sofatutor für ihre Nachmittagsauf­gaben kostenlos zur Verfügung. Wir entwickeln für Lehrkräfte ein Arbeitsmittel, mit dem sie besser monitoren können, wie Kinder mit Sofatutor ­lernen, um dann mit besseren individuellen Tipps schnellere Lernfortschritte zu erreichen: Denn es geht sowohl um besseres Lernen, die Freude am ­Lernen, das Erlernen des Lernens und um Teamarbeit als auch darum, Zeit für Freunde, Sport und Ausgleich zu gewinnen.

Hat ihr Investitionsfeld Healthcare durch Corona im Vergleich zu Smart Industries, Sustainable Cities und Consumer einen besonderen Schub bekommen?

Nein, einen besonderen und nachhaltigen Schub im Vergleich zu den anderen Bereichen gab es nicht. Die grundsätzlichen Themen wie medizinischer Fortschritt, alternde Gesellschaft oder Kostendruck der gesundheitlichen Versorgung bleiben gleich. Corona mag in manchen Bereichen einen Sondereffekt haben, aber unsere grundsätzlich positive Einschätzung der Möglichkeiten dieses Markts hat sich nicht verschoben. Vielleicht wird man aus Corona langfristige Erkenntnisse für die Krisenvorbereitung im Gesundheitssektor ziehen. Das betrifft aber auch alle anderen Bereiche.


ZUR PERSON

Dr. Sven Oleownik,

Head of Gimv Germany, Gimv

sven.oleownik@gimv.com

Das Investorenprofil zu Gimv finden Sie hier.

Das Interview ist in der Beilage Spezial “Investoren im Mittelstand” der Unternehmeredition 3/2021 erschienen.

Autorenprofil
Georg von Stein

Georg von Stein arbeitet seit 27 Jahren als Journalist, Moderator und Trainer & Coach für Medienauftritte. In dieser Zeit hat er sehr viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft insbesondere aus dem Private Equity-Sektor interviewt.

Vorheriger ArtikelBuy-and-Build-Strategie mit stiller Beteiligung
Nächster ArtikelInsolvenzen dürften 2022 wieder steigen