Wir haben eine Führungskrise!

Wenn Führungskräfte Lob mit Leistung verwechseln

Wir haben eine handfeste Führungskrise in Deutschland! Und das Problem ist größer, als viele wahrhaben wollen.
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Die Ampelkoalition ist Geschichte – ein Paradebeispiel für gescheiterte Führung. Was mit großen Versprechen begann, endete im Chaos: Zögerliche Entscheidungen, endlose Streitigkeiten und das Fehlen klarer Prioritäten haben das Bündnis scheitern lassen. Was gerade auf der politischen Bühne passiert, ist jedoch kein Einzelfall. Auch in Unternehmen erleben wir immer wieder ähnliche Muster: Führungskräfte, die nicht führen, sondern moderieren, lavieren – oder schlicht ignorieren, was wirklich zählt. Das Ergebnis? Stillstand, Frust und Vertrauensverlust.

Geschichte wiederholt sich, Führungsversagen ist kein neues Phänomen. Denken wir an das späte Römische Reich, dessen zerstrittene Kaiser und Machtkämpfe den Untergang beschleunigten. Oder die Führungskrise in der DDR, die durch starres Festhalten an Ideologien und mangelnde Anpassung an die Realität in den Zusammenbruch führte. In jedem dieser Beispiele war das Muster gleich: Führungskräfte, die nicht in der Lage waren, Orientierung zu geben, Vertrauen aufzubauen oder klare Entscheidungen zu treffen. Der Preis? Der Verlust von Stabilität und Zukunft.

Führungskrise in Deutschland?

Das Ampel-Aus unterstreicht nur, was sich in vielen Unternehmen bereits beobachten lässt: Wir haben eine handfeste Führungskrise in Deutschland! Und das Problem ist größer, als viele wahrhaben wollen. Was wir erleben, ist nicht weniger als eine Verdrängung der Kernaufgabe von Führungskräften, nämlich: echte Mitarbeiterführung! Statt Klarheit und Orientierung zu bieten, verstecken sich viele Chefs hinter Floskeln, falsch verstandenem Lob und beschönigenden Euphemismen. Das Ergebnis? Unternehmen taumeln, die Wettbewerbsfähigkeit leidet, und Mitarbeitende verlieren den Glauben an die Firma.

Lob ist nicht Leistung!

Ein fatales Missverständnis: Viele Führungskräfte glauben, dass Lob automatisch Motivation erzeugt. Das tut es nicht – jedenfalls nicht, wenn es unverdient oder fehl am Platz ist. Doch genau das passiert tagtäglich in unzähligen deutschen Unternehmen. Schlechte Performance wird mit einem „Danke für den Einsatz“ abgetan, während die eigentlichen Probleme unter den Teppich gekehrt werden. Diese falsche Nettigkeit mag kurzfristig bequem erscheinen, doch langfristig zerstört sie den Kern jeder Organisation: die Leistungsfähigkeit.

Wenn Führungskräfte nicht in der Lage sind, klare Worte zu finden und ehrliches Feedback zu geben, führt das zu einem gefährlichen Stillstand. Die Mitarbeitenden bekommen keinen Ansporn, besser zu werden, weil niemand den Mut hat, sie auf Schwächen hinzuweisen. Schlimmer noch: Sie verlieren den Respekt vor ihren Vorgesetzten. Denn wer keine klaren Ansagen machen kann, führt nicht – sondern verwaltet bestenfalls!

Leadership-Coachings: Pflaster auf einer offenen Wunde

Es ist kein Zufall, dass der Markt für Leadership-Coachings boomt. Führungskräfte flüchten sich in teure Seminare, um Antworten auf Fragen zu finden, die sie eigentlich längst hätten beantworten müssen: „Wie motiviere ich mein Team?“, „Wie gehe ich mit Konflikten um?“. Diese Basics sollten nicht erst durch externe Coaches vermittelt werden. Wenn eine Führungskraft das nicht von selbst kann, hat sie den falschen Job. Punkt!

Noch alarmierender ist, dass darum auch immer mehr Mitarbeitende in Coachings gehen, weil sie den Halt in ihrem Arbeitsalltag verloren haben. Weil ihre Chefs ihnen weder Orientierung noch einen klaren Rahmen bieten. Diese Unsicherheit auf Führungsebene färbt auf die Mitarbeitenden ab.

Mitarbeitende haben ein Recht auf Führung!

Dabei ist Führung kein Bonusprogramm für Mitarbeitende, das ihnen bei Bedarf zugeschaltet wird. Nein! Führung ist ein fundamentales Recht, das jeder Mitarbeitende in einem Unternehmen einfordern sollte. Niemand kommt in ein Unternehmen, um im Nebel zu stochern. Menschen brauchen Orientierung, klare Ziele und nachvollziehbare Entscheidungen – und das alles ist Aufgabe der Führungskräfte. Wenn Vorgesetzte diesen Anspruch ignorieren oder ihre Verantwortung abwälzen, betrügen sie ihre Teams um das, was ihnen zusteht: Führung, die ihnen Halt und eine Perspektive gibt.

Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitenden keine klare Führung bietet, lässt sie im Stich – und verliert damit mehr, als es sich leisten kann. Unsicherheit führt zu Frust, und Frust führt zur Kündigung. Unternehmen, die diesen Kurs nicht rechtzeitig korrigieren, zahlen einen hohen Preis: Sie verlieren nicht nur Talente, sondern auch ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Sinkende Produktivität, steigende Fehlzeiten, ein negatives Betriebsklima – all das sind die Symptome einer Führungskrise, die viel zu lange ignoriert wurde. Wer jetzt nicht handelt, wird den Anschluss verlieren.

Es braucht „Strong Leadership“!

Die besten Talente wollen in einem Umfeld arbeiten, in dem sie wachsen können! Und dafür brauchen sie Führungskräfte, die ihnen den Weg weisen. Führung ist kein Gnadenakt – sie ist eine Verpflichtung gegenüber jedem Einzelnen im Team. Wer sich dieser Verantwortung nicht stellt, hat in einer Führungsposition nichts verloren. Mitarbeitende verdienen Chefs, die ihre Rolle ernst nehmen und für sie da sind. Das ist kein Wunsch, das ist ein Muss! Es ist höchste Zeit, dass wir Führung in Deutschland neu definieren. Und das bedeutet: Schluss mit falscher Höflichkeit und weichgespülten Feedbackrunden. Stattdessen brauchen wir Führungskräfte, die bereit sind, wieder „Strong Leadership“ zu praktizieren.

Und bevor die New-Work-Community jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt: Nein, das hat nichts mit autoritärem Führungsstil zu tun. Es geht um Klarheit, Ehrlichkeit und Konsequenz. Eine gute Führungskraft ist kein Kuschel-Coach, sondern ein Navigator. Sie gibt die Richtung vor, setzt klare Ziele und steht dafür ein, dass diese auch erreicht werden. Das heißt nicht, dass Empathie und Wertschätzung keinen Platz haben. Im Gegenteil: Echter Respekt zeigt sich darin, dass man Mitarbeitenden zutraut, sich weiterzuentwickeln – und sie ehrlich darauf hinweist, wenn sie noch nicht am Ziel sind.

Fazit: Führung braucht Mut – und das jetzt!

Die Führungskrise in Deutschland ist real. Und sie ist hausgemacht. Wer glaubt, Probleme mit falschem Lob und beschönigenden Worten lösen zu können, ist auf dem Holzweg. Es braucht Ehrlichkeit, Klarheit und Mut, um echte Führung zu leisten. Das mag unbequem sein – aber wer sagt, dass Leadership ein Spaziergang ist?

Wenn wir in Deutschland nicht schleunigst umdenken, werden unsere Unternehmen weiter an Boden verlieren. Die gute Nachricht ist: Es ist nicht zu spät. Aber dafür müssen Führungskräfte endlich aufwachen. Führen heißt: Entscheiden, Klartext reden und Verantwortung übernehmen. Alles andere ist keine Führung – sondern Zeitverschwendung!

Autorenprofil
Ulvi Aydin

Ulvi Aydin, Jahrgang 1960, ist preisgekrönter Interim Manager, Beirat, Aufsichtsrat, Unternehmens- und Unternehmer-Entwickler und Buchautor. Als international agierender Interim-CEO und -CSO, Beirat und Aufsichtsrat unterstützt er mittelständische Unternehmen und Konzerne bei Marken- und Marktentwicklung, Neupositionierung, Restrukturierung und Vertriebsexzellenz. Über seine Erfahrung schreibt er in diversen Wirtschaftsmedien (u. a. WirtschaftsWoche, Harvard Business Manager, Manager Magazin) und Sachbüchern.

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