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„Wir beobachten sehr genau, was Google macht“

Unternehmeredition: Herr Dr. Blase, wie haben Sie es in Ihren Anfängen, gerade zu „Dotcom-Zeiten“, geschafft, sich nach dem Einsturz des Neuen Marktes zu behaupten und so stark zu wachsen?

Henrich Blase: Wir haben immer sehr solide gewirtschaftet. Gerade zur Dotcom-Blase-Zeit war das bei vielen Unternehmen nicht der Fall. Die Leute waren sehr illusorisch. Wir haben auch hohe Marketingkosten gehabt, aber immer auf einen Sicherheitspuffer für ein bis zwei schwierige Jahre geachtet. Als dann 2001/2002 der Zusammenbruch kam, war es uns möglich, mit Finanzpolster bis 2003 durchzuhalten. Ab 2003 waren wir durchgehend profitabel.

Haben Sie auch deswegen überlebt und sich so stark vergrößert, weil Sie viele Wettbewerber einfach geschluckt haben?
Wir haben einige Unternehmen gekauft. Dabei hat uns unsere gute finanzielle Lage geholfen. Unser Gedanke war, Transparenz und Service für den Kunden zu schaffen in Märkten, in denen er eine Übersicht über die Produkte braucht. Dafür haben wir partiell auch M&A-Aktivitäten durchgeführt, um uns in Funktionen, in denen wir nicht gut waren, zu verstärken.

Welche Übernahmen haben sich als besonders gewinnbringend erwiesen?
Tarifcheck24 von Jan Schust hat in meinen Augen das beste Affiliate-Programm in Deutschland. Auch die Integration der IT-Firma Rapidsoft war ein Erfolg, um uns im IT-Bereich zu stärken.

Wie steht es um die Übernahme des Reiseanbieters Travel-IQ?
Travel-IQ kann man durchaus als Misserfolg werten. Hier hat leider das Management total enttäuscht. Wir haben dadurch lediglich unsere Produktpalette erweitert. Die anderen beiden Übernahmen waren 100%ige Treffer. Mit den jeweiligen Gründern arbeiten wir heute noch aktiv zusammen.

Sie planen, in die Reisebranche einzusteigen. Wollen Sie dort noch stärker wachsen?
Wir wollen ein Vergleichsportal ohne Einschränkung beim Produktangebot werden. Deswegen muss unser Portfolio auch die Reiseprodukte umfassen. Unser strategischer Fokus liegt daher auch in der Ausweitung der Positionen im Reisemarkt.

Wachstum kostet – wie wollen Sie das auf Dauer finanzieren?
Seit wir Check24 aus dem Zusammenschluss von vier Unternehmen 2008 gegründet haben, ist das Unternehmen zu 90% in Managementhand und das Ziel ganz klar, „das“ Vergleichsportal zu werden. So wie Google „die Suchmaschine“ ist und Amazon „das Online-Kaufhaus“. Daran arbeiten wir sukzessive und die Finanzierung erfolgt immer durch Einbehalten der Gewinne.

Wann stoßen Sie an Wachstumsgrenzen?
Wir sehen die Grenzen unseres Wachstums noch lange nicht erreicht. Das Know-how, das wir im Bereich Vergleiche aufgebaut haben, ist enorm. Internationalisierung haben wir bisher völlig außen vor gelassen, weil wir hier immer genügend Wachstum generieren konnten. Sollte es mit dem deutschlandweiten Wachstum schwierig werden, ist Internationalisierung eine Option.

Start-ups schalten recht schnell auf internationale Expansion. Rocket Internet lebt das ja vor. Sie gehen einen sehr unkonventionellen Weg, wenn das bei Ihnen bisher nur als Option gilt…
Das liegt am Geschäftsmodell, das die Internationalisierung sehr schwer macht. Sie müssen erst mal hunderte Berater schulen, das geht nicht in sechs Wochen. Bei Gutschein- und Schnäppchenportalen können sie das so machen.

Statt radikalem also eher nachhaltiges Wachstum?
Ja, definitiv. Das war immer die Strategie. Wir fragten uns: Was funktioniert auch in fünf Jahren noch? Wie kriegen wir die Kunden dazu, dann noch zu uns zu kommen? Mancher mag sagen, wir hätten dadurch Wachstum verschenkt, aber das macht uns letztlich nichts aus.

Kommt ein Börsengang in Frage?
Wir werden häufig von Investmentbanken oder Private-Equity-Firmen angesprochen, die sich beteiligen wollen. Es besteht derzeit aber überhaupt kein Kapitalbedarf bei uns. Wir können alles intern finanzieren. Ich will damit nichts ausschließen, wir stehen Angeboten immer sehr offen gegenüber. Aber wir können das Wachstum, das wir anstreben, mit dem uns zur Verfügung stehenden Finanzierungsvolumen durchführen.

Wie profitabel sind Sie im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?

Die Märkte sind sehr umkämpft. Unser Vorteil ist die Marktführerschaft. Es gibt kaum eine Branche im Internet, in der der Marktführer nicht auch das profitabelste Unternehmen ist. Google ist profitabler als Yahoo, Amazon ist profitabler als jeder andere Händler, Ebay ist mit Abstand das profitabelste Auktionshaus.

Die Medien sprechen konkret über Provisionen von 80 bis 100 EUR für Kfz-Versicherungen und 30 bis 50 EUR für Stromkunden…
Die Größenordnungen in der Presse sind latent ein bisschen zu hoch, aber auch nicht völlig verkehrt. Wir sind vertraglich verpflichtet, unsere Provisionshöhen nicht preiszugeben.

Wie schwierig war es zu Beginn, große Anbieter wie die Allianz zu überreden, ihre Tarife offen zu legen?
Heute ist das in den Branchen Alltag, früher war das ein schwieriges Thema. Allianz hat sich jahrelang gesträubt teilzunehmen und ist bei uns erst seit 2005 dabei. Zu Start-up-Zeiten haben wir teilweise die Websites der jeweiligen Anbieter „gecrawled“ oder „gespidert“ und die Daten in Realtime heruntergeladen. Das hat dazu geführt, dass wir teilweise für so viel Traffic bei den Versicherern gesorgt haben, dass deren Server abgestürzt sind. Das wird heute alles über Schnittstellen gemacht.

Wie halten Sie die Versicherer bei Stange?
Wir sind für die meisten Versicherer und Produktanbieter ein sehr günstiger Vertriebskanal, weil der Kunde schon alles eingibt, was er wissen möchte. Der Versicherer bekommt dann den Neukunden und dessen Kundendaten von uns, in voll elektronischer Form, ohne von Hand geschriebene Anträge eintippen zu müssen.

Bereuen Sie im Nachhinein, dass Sie sich mit der HUK-Versicherung überworfen haben, diese dann transparo gegründet hat und nun bei Ihnen nicht mehr angeboten wird? Das trübt ein wenig Ihren Anspruch auf Vollständigkeit im Vergleichsangebot…
Wir haben uns mit der HUK nicht überworfen, aber nicht alle Anbieter lieben Vergleichsportale. Von daher hat die Verhaltensweise der HUK uns gar nicht so überrascht. So ein bekannter Anbieter kann durch Vergleichsportale einiges verlieren: Er wird in ein neues Licht gerückt. Wie steht er denn eigentlich wirklich gegenüber Wettbewerbern im Markt an? Wir müssen damit fertig werden, dass es nie ganz gelingt, 100% des Marktes abzudecken. Wir sind aber grundsätzlich jedem Anbieter gegenüber offen.

Gibt es viele Anbieter, die nicht in Vergleichsportalen aufgelistet werden wollen?
Diejenigen, die neue Kunden gewinnen wollen, sind gegenüber Vergleichsportalen sehr positiv eingestellt. Aber es gibt auch Produktanbieter, die sich dagegen entscheiden, weil sie Konkurrenz fürchten. Bei den Autoverleihern möchte Sixt zum Beispiel nicht, dass die Preise verglichen werden.

Die Konkurrenz an Online-Vergleichsportalen ist groß – Verivox beansprucht auch die Marktführerschaft für sich. Was ist Ihr USP?
Der große Unterschied ist, dass wir ein breit aufgestelltes Vergleichsportal sind. Verivox hat bis vor einem Jahr ausschließlich Strom, Gas und Telekommunikationsprodukte verglichen. Jetzt vergleichen sie auch Versicherungen und Finanzprodukte. Aber das läuft zum Großteil über Kooperationspartner. Im Kfz-Bereich kooperiert Verivox mit transparo, also findet der Kunde auf der Vergleichsseite den Rechner von transparo. Er wird bei Anruf nicht von Verivox-Mitarbeitern, sondern vom transparo-Personal begrüßt. Das machen wir ganz konsequent nicht.

Gerade bei den krisen- und pleitegeschüttelten privaten Geldanlegern ist das Vertrauen in Berater geschmolzen. Warum sollen sie dann einem Internet-Vergleichsportal vertrauen?
Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt streng nach mathematischen Regeln: Über eine Schnittstelle rufen wir in Sekundenschnelle die aktuellen Preise ab, die dann die Reihenfolge der Tarife bilden. Wir können uns gar nicht leisten zu steuern, was sie sehen und letztlich auswählen. Der Kunde würde das merken, und Vergleichsportale sind jederzeit austauschbar. Außerdem würde so ein Vorgehen langfristig allen Vergleichsportalen schaden. Aber auch hier gibt es schwarze Schafe.

Wenn es um Transparenz und Kundenfreundlichkeit geht, wollen Sie nicht mit der Stiftung Warentest verglichen werden. Wieso nicht?
Von uns wurde konkret gefordert, dass wir alle Konditionen auflisten. Würde man dasselbe auch von Versicherungsunternehmen oder von der Baubranche verlangen? Das macht kein Mensch. Im Gegensatz zur Stiftung Warentest sind wir nicht vom Staat finanziert. Unsere knapp 600 Mitarbeiter müssen bezahlt werden.

Sie haben mit der Führungsriege von Check24 vor einem Jahr den Inkubator M-Cube in Berlin gegründet. Sind Sie darüber hinaus auch privat als Business Angel aktiv?

Seit 1999 investieren wir parallel zu unserem Unternehmen auch in Start-ups. Ich halte als Business Angel zwischen 20 und 30 Beteiligungen an anderen Internet-Start-ups mit Anteilen von bis zu 30%. Einmal im Monat bin ich einen Tag in Berlin. Das ist immer ein Highlight, weil die Stimmung dort im Aufbruch ist. In Berlin floriert die Start-up-Szene.

Weswegen hat sich Check24 dann für einen Firmensitz in München statt in Berlin entschieden?
Wenn Sie einmal ein Unternehmen gegründet haben, verlieren Sie bei einem Umzug nach Berlin mindestens die Hälfte der Mitarbeiter. Wir haben uns auch trotz der etwas höheren Steuerlast in der Innenstadt bewusst für diesen zentralen Firmensitz entschieden. Wichtig ist uns die Mitarbeiterbindung.

Was Marketing und Werbung angeht, sind Sie ja sehr umtriebig und fast omnipräsent mit Online-, TV-, Offline-Werbung und Event-Sponsoring…
Stimmt, wir sind im Internet präsent, im Fernsehen sicher noch mehr. Aber der Bereich Internet wird weiter an Bedeutung gewinnen. Die Zugangskanäle zum Internet sind extrem umkämpft und werden immer teurer.

So eine aufwendige Marketingstrategie kosten nicht wenig. Ist das mit Ihren Umsatzzahlen vereinbar?
Im Geschäftsjahr 2011/2012 hatten wir einen Umsatz von 115 Mio. EUR. Den Umsatz 2012/2013 kommunizieren wir noch nicht, wir sind aber ordentlich zweistellig gewachsen. Das Marketingbudget ist ebenfalls ein zweistelliger Millionenbetrag.

Wie empfinden Sie Ihre Werbung? Haben Sie den Spot mal gesehen?
Natürlich, ich bin sogar bei den Dreharbeiten dabei gewesen. Die Details sind uns da schon wichtig, denn es geht darum, die Marke und den Kern von Check24 zu transportieren. Im Januar startet zudem unser neuer Reisewerbespot, den ich aktiv mitgestaltet habe.

Wie wichtig ist es heute für ein Unternehmen, zu Werbemaßnahmen im On- und Offlinebereich zu greifen?
Sie müssen als Internetunternehmen früher oder später einen Brand entwickeln. Wenn der Kunde Sie nicht von sich aus kennt, dann geht er zu Google, zu Apple oder Amazon. Nicht umsonst ist Google so stark, weil sie die Besucher ihrer Seite immer besser monetarisieren und pro User immer mehr Geld bekommen.

Könnte durch Google langfristig der Kahlschlag von Vergleichsportalen drohen?
Wir beobachten sehr genau, was Google macht. Schon 2010 haben sie eine große Softwarefirma für Flugpreisvergleiche in den USA gekauft und kamen 2011 mit einem eigenen Flugvergleich. 2012 übernahmen sie in Großbritannien ein Vergleichsportal. Wir rechnen damit, dass sie auch nach Deutschland kommen, und das wird das Leben für alle Vergleichsportale deutlich schwerer machen. Dann ist es aber immer noch besser, du bist der größte Anbieter statt auf Platz vier oder fünf.

Herr Blase, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Cynthia Castritius
castritius(at)goingpublic.de

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