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„Wir alle wissen, dass der Zug demnächst abfahren wird“

Unternehmen wollen digitalisieren, stoßen aber auf Hindernisse. Die Potenziale sind groß. Interview mit Dr. Matzner, KI-Experte bei DPE.

Foto: © ipopba_AdobeStock

Die meisten Unternehmen wollen digitalisieren. Viele haben erste Schritte unternommen, stehen aber immer noch vor einem Berg an Herausforderungen. Die Potenziale sind enorm: Es locken beachtliche Effizienz- und Gewinnsteigerungen. Wir sprachen mit dem KI- und Digitalisierungsexperten der DPE – Deutsche Private Equity, Dr. Alexander Matzner. 

Unternehmeredition: Wie weit ist der Mittelstand mit der Digitalisierung? Wie ist Ihre diesbezügliche Erfahrung?

Dr. Alexander Matzner: Wenn ich mir die Unternehmen anschaue, die bei uns neu ins Portfolio reinkommen, dann sind die meisten nur geringfügig digitalisiert, haben nahezu keine Erfahrung mit KI, verfügen über Potenziale, wissen aber selbst meist nicht, wo diese liegen. Insofern begleiten wir sie dabei intensiv als Lotse durch diesen Dschungel.

Die Unternehmen, die zu Ihnen kommen, sind in Sachen Digitalisierung und KI also noch recht jungfräulich. Gilt diese Einschätzung Ihrer Meinung nach für den Mittelstand im Allgemeinen?

Bei den administrativen Kernprozessen wie Finanzbuchhaltung, ERP, Rechnungsstellung und Controlling ist schon viel passiert. Es gibt eigentlich kaum noch Unternehmen, die kein halbwegs ordentliches ERP-System haben und ihre Rechnungen nicht einscannen und teilweise automatisch erkennen lassen. Diese Super Basics, die die Administration vereinfachen, sind inzwischen Standard.

Und wo ist wenig passiert? Was sind die offenen Themen?

Noch viel zu tun ist in der Digitalisierung der Administration um die Kernprozesse herum, wie Marketing, CRM und Kundenmanagement. Da liegt es nahe, zu digitalisieren, aber der klassische Maschinenbauer oder das klassische Dienstleistungsunternehmen managen ihre Geschäfte so, wie sie es gelernt haben. Und durch das mangelnde Hintergrundwissen fehlt meist die Transferleistung, wie man das, was man bisher manuell gemacht hat, in Zukunft digital unterstützt oder sogar ganz digital machen könnte.

Welche manuellen Prozesse im Maschinenbau könnte man digitalisieren?

Wenn ich mir den End-to-End-Prozess anschaue, dann startet der wahrscheinlich im CRM-System oder bei Kundenleads, potenziellen Kundenaufträgen, und endet beim ausgelieferten Produkt. Der erste Schritt besteht darin, Angebote zu kalkulieren, die sich an der Zahlungsbereitschaft des Kunden orientieren und eine saubere Vorhersage zu treffen, wie viel wann vom Markt angefragt werden wird. Und die Informationen, die man dafür braucht, sind heute oft zu großen Teilen bereits in einem CRM-System enthalten, sind aber noch nicht vollständig und gehen noch nicht in das Pricing und die Produktionsplanung oder Beschaffungsplanung über.

Das klingt jetzt vielleicht trivial: Aber in der Praxis ist das sehr komplex, weil meistens in verschiedenen Abteilungen Abläufe angepasst werden müssen und die Informationen aus mehreren, teilweise alten Systemen miteinander verknüpft werden müssen, um Mehrwert zu bringen. Und da fängt die Komplexität an; Stichwort Daten. Zurück zum Prozess: Wie viel wird wann kommen? Natürlich ganz wichtiger Input zum Beispiel für Supply-Chain-Management und den Einkauf.

Insbesondere der strategische Einkauf kann mit digitalen Werkzeugen beträchtlichen Wert heben. Er kann vorhersagen, welche Materialien wann und in welchen Mengen vermutlich gebraucht werden und bei welchen Lieferanten wie viel bestellt wurde. Das kann ein wertvoller Input für die nächste Verhandlungsvorbereitung oder eine strategische Lieferantenentwicklung sein. So wird der Einkauf wie auch dessen Integration ins Unternehmen bedeutend verbessert.

Im Bereich Supply Chain hat digitales Potenzial viel mit gebundenem Kapital und guter Produktionsvorbereitung zu tun. Auf jeden Fall lässt sich deutlich kostengünstiger wirtschaften, denn durch bessere Transparenz und digitale Werkzeuge kann feiner geplant und damit Lagerbestände reduziert werden – oder man traut sich, Sicherheitspuffer weiter zu senken, weil man weiß, dass volle Transparenz auf die Lieferkette gegeben ist und man schnell reagieren kann, wenn irgendwo ein Hafen geschlossen wird, durch den man seine Lieferungen erhält.

Das alles manuell umzusetzen ist ein immenser Aufwand, weswegen die meisten Unternehmen sich damit zufriedengeben müssen, diese Potenziale auf der Straße liegen zu lassen. Mithilfe von geschickter Digitalisierung lässt sich das skalieren.

Trotzdem hat man doch das Gefühl, dass der Bereich Industrie 4.0 in Deutschland schon recht weit fortgeschritten ist. Sind das nur die Großen – oder muss man hier nach Branchen unterscheiden?

Industrie 4.0 wurde vor allem von Unternehmen vorangetrieben, die es sich leisten konnten, Millionen in die Hand zu nehmen, um mit großen Beraterteams ihre Systeme miteinander zu verknüpfen und so ein signifikantes Potenzial zu schöpfen. Allerdings sind, wenn man an Bereiche wie Predictive Maintenance oder Internet of Things in der Produktion denkt, neben vielen erfolgreichen Projekten auch viele Millionen versenkt worden, die dann den erhofften Mehrwert nicht geliefert haben. Der typische Mittelständler ist da jedoch ohnehin außen vor, weil er sich ein solches Riesenprojekt gar nicht leisten konnte.

Wie hoch schätzen Sie den Mehrwert ein, der dabei entstehen kann, wenn man analoge Prozesse digitalisiert?

Gute Frage. Es kommt immer auf die Absprungbasis an und auf die Branche. Wenn ich etwa in einer Branche mit schlanken Margen unterwegs bin, dann können 2% Effizienzsteigerung, besserer Einkauf, Vertrieb oder Preisgestaltung durch Digitalisierung schon den Unterschied machen zwischen dem Marktführer und dem, der kurz vor der Insolvenz steht. Es lässt sich auf jeden Fall nicht allgemein ausdrücken. Der Mehrwert bezogen aufs Ergebnis kann zwischen 0% und vielleicht 30% liegen – oder im negativen Bereich bei schlechter Ausführung –, je nachdem, in welcher Branche oder in welchem Reifegrad man sich bewegt. Gezielt eingesetzt ist auf jeden Fall eine signifikante Verbesserung zu erwarten.

Wenn ich mein Kundenmanagement, mein Lead Management und meine Preisgestaltung verbessere, dann kann ich natürlich auch bei gleichen Kosten den Umsatz steigern, was sich dann natürlich im Ergebnis noch stärker auswirkt.

Das Pricing ist wahrscheinlich der größte Hebel auf der Umsatzseite. Und um das gut zu machen, benötige ich gute Daten dazu, was der Kunde zu bezahlen bereit ist, wo der Marktpreis liegt und was mich meine verschiedenen Produkte und Services tatsächlich kosten. Wenn man beides richtig miteinander verquickt und einen guten datengetriebenen Prozess dazu aufsetzt, dann sind für die meisten Firmen ohne Weiteres 10% Ergebnissteigerung drin.

Welche Potenziale man schöpfen kann, ist die eine Seite. Auf der anderen Seite steht ein Prozess der steten Innovation. Was muss ich denn an Zeit- und Personalaufwand investieren?

Genau deshalb ist die Digitalisierung noch nicht so weit, wie wir es alle gerne hätten: weil die Kosten für vollständige Digitalisierung exorbitant sind. Wenn ich bis ins Detail umsetzen wollte, was technisch möglich wäre, dann würde das alle Kapazitäten in jedem Unternehmen sprengen. Deswegen ist der entscheidende Punkt, gezielt wie ein Scharfschütze die richtigen Punkte zu treffen und die begrenzten Ressourcen, die Managementkapazität und das Kapital, genau darauf zu fokussieren, anstatt mit der Schrotflinte den ganzen Prozess zu adressieren. Und dafür ist es wesentlich, Erfahrung und einen ganzheitlichen strategischen Blick mit im Haus zu haben.

Ich übernehme bei unseren Portfoliounternehmen häufig die Rolle eines Sparringspartners. Wir haben viele Digitalisierungsprogramme gesehen, aus den zahlreichen Situationen und Fehlern gelernt und auf diese Weise ein gutes Verständnis dafür aufgebaut, was individuell die strategischen Werttreiber sind, bei denen es sich lohnt, bestimmte Investitionen zu tätigen und die Ressourcen genau dort einzusetzen – aber auch, wo nicht.

Und diese Maßnahmen müssen immer individuell ausgewählt werden?

Theoretisch könnte man einen perfekten Blueprint drüberlegen. Die Umsetzung wäre aber zu aufwendig und so teuer, dass es sich kein Unternehmen leisten kann. Viel effektiver und realistischer ist es, erst einmal herauszuarbeiten, wo das strategische Ziel ist, wie Digitalisierung helfen soll, das zu erreichen, und dann gezielt zu selektieren, welche Schritte in meinem Geschäftsmodell, für meinen Reifegrad und in meiner strategischen Ausrichtung als Erstes unternommen werden sollten. Dann ist es eher ein iterativer Prozess, mit dem man sich Schritt für Schritt weiterentwickelt. Und das ist vielleicht auch deswegen gut, weil die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung ja gerade exponentiell zunimmt. Wenn ich mir jetzt also die Technik aussuche, die ich im Einsatz haben will, und ein Fünf-Jahres-Implementierungsprogramm starte, dann stelle ich vermutlich nach zwei bis drei Jahren fest, dass sie schon wieder veraltet ist.

Ich sollte mein Projektmanagement also möglichst agil gestalten.

Genau, wichtig ist die entsprechende Grundeinstellung. Die Welt, die Anforderung der Kunden, der Wettbewerb und das eigene Unternehmen oder alles zusammen wird sich über die nächsten Jahre vermutlich drastisch verändern, während man an der Umsetzung arbeitet. Dementsprechend plant man nicht im Detail auf die nächsten zwei, drei, vier Jahre, sondern versucht immer, nur in Sichtweite – den nächsten „Sprint“ – so zu gestalten, dass man sich auf das strategische Ziel zu entwickelt und möglichst viel Mehrwert generiert. Dann orientiert man sich neu und schaut, was der Inhalt des nächsten Sprints sein soll. Und das ist eine wichtige Herangehensweise in dieser Welt mit sich schnell veränderlichen Randbedingungen.

Welche langfristigen Ziele kann man sich angesichts dieses schrittweisen Vorgehens dann noch setzen?

Man nimmt sich bestimmte Werttreiber oder Schlüsselergebnisse, die man erreichen möchte. Die sind dann der Nordstern und geben die Richtung vor, in die man steuern möchte. Und von dem Punkt aus, an dem man aktuell steht, legt man die nächsten, realistisch erreichbaren Schritte fest, die in die grobe Richtung führen und Wert fürs Unternehmen bringen.

Konkret könnte das bedeuten: Ich glaube, ich kann besser als die Konkurrenz werden, indem ich die Kosten meiner Backoffice-Aktivitäten um 20% reduziere. Ein erster Schritt könnte sein, meinen gesamten Rechnungseingang jetzt zu digitalisieren und mit einer einfachen KI in mein Buchhaltungssystem zu überführen. Das ist vor dem Hintergrund des Ziels auf jeden Fall sinnvoll und bringt sofort Mehrwert. Das ist ein begrenztes, abgeschlossenes Thema. Und da kann ich auch einen Business Case dagegenrechnen und nachhalten, ob sich das tatsächlich gelohnt hat.

Leider ist es aber nicht immer so einfach. Ein Thema auf der anderen Seite des Extrems wäre, eine Datenplattform mit einer hohen Datenqualität aufzubauen, auf deren Basis dann alle möglichen Entscheidungen automatisiert vorbereitet oder getroffen werden können. Das wäre ein wichtiger und notwendiger Zwischenschritt, der mich viel Einsatz und Geld kostet, bei dem ich wahrscheinlich aber noch gar keinen konkreten Mehrwert errechnen kann und der mir auch erst einmal keine Einsparung und nicht mehr Umsatz bringt, wo ich eher sage, das ist reine Grundlagenarbeit für die Zukunft. Hier ist die strategische Perspektive wichtig, um das Vertrauen zu haben, diese Investition trotzdem zu tätigen.

Hier wäre man dann gezwungen, einen gewissen Schritt ins Ungewisse zu gehen.

Korrekt. Und diese Notwendigkeit potenziert sich noch einmal im Bereich KI. Jeder hat schon mit ChatGPT rumgespielt und ist beeindruckt davon, was dieses Tool bereits alles kann. Und viele sind davon überzeugt, dass KI die Businesswelt, wie wir sie heute kennen, in den nächsten fünf Jahren komplett transformieren wird. Das heißt, wir wissen alle, dass der Zug demnächst abfahren wird, und keiner will derjenige sein, der am Schluss auf dem Bahnsteig stehen geblieben ist – aber keiner weiß genau, wo und wann er genau wohin abbiegen muss.

Nehmen wir an, ich glaube, dass Automatisierung von Geschäftsprozessen für mein Unternehmen in der Zukunft wichtig sein wird, mit oder ohne künstliche Intelligenz. Meine Geschäftsprozesse benutzen Kundendaten, Produktionsdaten, Lieferdaten, Produktionsstatus et cetera. Allein beim vermeintlich einfachen Klassiker im Customer Service – der Kunde möchte sehen, wann sein Produkt ausgeliefert wird und in welchem Produktionsstatus es sich gerade befindet − sind in der Regel vier, fünf verschiedene Systeme involviert. Für einen Geschäftsprozess bekomme ich das vielleicht noch zusammengestöpselt, aber sobald hier mehr Prozesse infrage kommen, die sich auch noch über die Zeit leicht ändern, dann ist das ohne die passende Architektur ein kaum zu stemmender Aufwand mit immensem Fehlerpotenzial. Wenn ich aber vorher in eine Datenplattform investiert habe, kann ich diese Automatisierungen im besten Fall an einem Nachmittag zusammenbasteln und der Fachbereich kann sie bei Änderungen im Prozess später per Drag & Drop selbst anpassen – ganz ohne neues IT-Budget.

Das ist also ein Stück weit dieser Sprung ins Ungewisse, dass man zu Investitionen und zu Ressourceneinsatz gezwungen ist, um später nicht abgehängt zu werden.

Geht es hier nicht auch um Datentransparenz? Das Ziel dabei sollte doch sein, weg von Datensilos und hin zu einem einheitlichen System zu kommen, auf das potenziell alle an jedem Ort und zu jeder Zeit Zugriff haben können, oder?

Grundsätzlich richtig, aber es kommen natürlich zum Thema Datenqualität und -aktualität noch die Themen Datenschutz und Datensicherheit mit dazu: Denn man möchte ja vielleicht nicht jedem Vertriebsmitarbeiter im Unternehmen den vollen Zugriff auf alle Daten im Produktions- und HR-System geben; für manche Prozesse mag genau dieser Zugriff aber notwendig sein. Das heißt, hier ist dann auch noch eine strategische Aufgabe zu lösen: Was will ich wem für welche Use Cases zur Verfügung stellen, und wie schütze ich mich bei all dem gegen Cyberkriminalität.

Lässt sich das nicht auch schon digital lösen? 

Teilweise ja. Bei Datenplattformen gibt es da ganz verschiedene technologische Lösungen. Früher sprach man von Business Warehouses. Die werden, um die oben genannten Themen besser lösen zu können, mehr und mehr abgelöst durch sogenannte Data Meshes und Data Fabrics. Diese Begriffe beschreiben plastisch diese Verwobenheit der verschiedenen Informationsflüsse. Da gibt es eine ganze Reihe von technischen Lösungen, die in der Lage sind, dieses Rechtemanagement zu steuern, sprich: Wer darf wann und wie auf welche Informationen zugreifen und wer stellt diese Information in der richtigen Qualität und zur richtigen Zeit zur Verfügung. Die Technik ohne die richtige Datenstrategie dahinter ist aber nur die halbe Miete und an dieser Stelle ist ein typisches mittelständisches Unternehmen allein schon längst an seine Grenzen gekommen.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung denn im Portfolio von DPE?

Wir glauben, Digitalisierung ist ein wichtiger Werttreiber – und das wird sich künftig noch deutlich verstärken. Dementsprechend haben wir ein ziemlich starkes internes Team, das Unternehmen als Sparringspartner zur Verfügung steht und ihnen dabei hilft, mittels Digitalisierung möglichst großen Wert für das Unternehmen zu schaffen, ohne zu viele Ressourcen dafür zu binden. Unserer Erfahrung nach ist man gut bedient, wenn man darauf zielt, schnell und pragmatisch die berühmten 80% des Werts zu realisieren, dafür aber nur 20% der Zeit und Ressourcen einsetzen muss. Wir helfen dabei, die Hebel zu finden, mit denen das gelingt.

Und welchen Anteil macht die Digitalisierung bei Ihnen aus?

Wir tracken übers ganze Portfolio, die strategische Bedeutung der Digitalisierung und den jeweiligen Reifegrad und stehen den Geschäftsführern als Sparringspartner, mit Best Practices und mit unserem Netzwerk an Beratern und Experten zur Verfügung. Wir haben tatsächlich bei allen unseren Firmen Digitalisierungsprojekte. Es gibt eine ganze Reihe Firmen, die Business-Intelligence-Systeme etablieren, also das intelligente Abbilden von Kerngeschäftsprozessen mit Daten. Dadurch wird die Aufmerksamkeit der Entscheider sehr schnell auf die wesentlichen Themen gerichtet, die gerade Aufmerksamkeit brauchen, und alle relevanten Informationen stehen für eine zeitnahe und gute Entscheidung zur Verfügung.

Wir stellen immer mehr fest, dass Transparenz und die Qualität des Managementsystems echte Erfolgstreiber sind. Ein schönes Beispiel dafür ist die VTU-Gruppe, ein Engineering-Dienstleister im Life-Sciences-/Biotechbereich, die hier mit unserer Begleitung ein umfassendes Managementsystem aufgebaut hat. Das Unternehmen konnten wir mittlerweile sehr erfolgreich verkaufen, unter anderem auch deswegen, weil es dadurch einen klaren Wettbewerbsvorteil entwickelt hatte.

Und was machen Sie im Bereich künstliche Intelligenz?

Wir haben hervorragendes internes Know-how und ein ausgezeichnetes Netzwerk an Experten und Beratern, mit denen wir uns regelmäßig zu aktuellen Entwicklungen austauschen. Zurzeit sind viele spannende Use Cases, die für unsere Portfoliofirmen relevant sein könnten, noch im Laborstadium und alle überlegen, an welchen Stellen KI tatsächlich der Durchbruch gelingen wird. Da Mittelständler typischerweise wenig „Spielgeld“ für Experimente haben, ist es wichtig, genau die Anwendungsfälle zu identifizieren, die sowohl relevant für die individuelle Firma als auch schon reif genug sind, um in der Praxis echten Wert zu bringen. Mit diesem Wissen gehen wir in die Gespräche mit unseren Portfoliofirmen, schaffen grundsätzliches Verständnis für KI und mögliche Use Cases, helfen bei der strategischen Ausgestaltung der Roadmap und verknüpfen mit möglichen Partnern und Experten aus unserem Netzwerk.

Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass künstliche Intelligenz menschliche Arbeitsplätze oder Unternehmensbereiche überflüssig macht?

KI wird sicher bestimmte Arbeitsplätze überflüssig machen, aber auch neue schaffen. Für die meisten Arbeitsplätze gilt, dass der heutige Arbeitnehmer nicht durch KI ersetzt werden wird, sondern durch einen Kollegen, der in der Lage ist, KI effektiv als Werkzeug einzusetzen. Daher halte ich es für essenziell, sich als Arbeitnehmer und auch als mittelständisches Unternehmen mit dem Thema KI und dem möglichen Nutzen in seinem Arbeitsfeld aktiv auseinanderzusetzen. Die Konkurrenz tut es bestimmt.

Private-Equity-Investoren sind ja meist nur für ein paar Jahre engagiert. Können Sie da für Mittelständler langfristige Partner bei der Digitalisierung sein?

Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich ein Familienunternehmen hätte und wüsste, ich muss mein Unternehmen digitalisieren, um die nächste Wachstumsstufe zu nehmen oder erfolgreich zu bleiben, dann würde ich mir tatsächlich eine Private-Equity-Gesellschaft als Partner nehmen, die unternehmerisch denkt und hier belastbare Erfahrung mitbringt. Private Equity ist durch den dynamischen Charakter, die schnellen Entscheidungswege und den Fokus auf Mehrwert typischerweise ein hervorragender Katalysator für eine schnelle Transformation, so auch für Digitalisierung. Digitalisierung ist eher ein „Step Change“. Ich muss einmal Systeme anpassen, Prozesse digitalisieren und Fähigkeiten aufbauen – ein Prozess, der gut in die Haltedauer eines Private-Equity-Partners passt. Danach bin ich in der Lage, die inkrementelle Weiterentwicklung auch ohne Hilfe von außen weiter zu treiben.

Aber ich glaube, gerade diesen einen Schritt von sehr analog zu digital zu machen, ist eine Mammutaufgabe, bei der man sich sehr leicht verschlucken kann und auf alle Erfahrung zugreifen sollte, die man bekommen kann. VTU als Beispiel hat dazu einen intensiven Austausch mit uns gepflegt, unser Wissen abgetankt und die digitalen Fähigkeiten im Unternehmen so weit aufgebaut, dass sie heute sogar ein deutliches Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz haben. Sie hat etwa mittlerweile einen eigenen Chief Digital Officer und mehrere Digitalteams in unterschiedlichen Rollen, die genau diese Rolle, die strategische digitale Agenda weiter zu formen und umzusetzen, im Unternehmen vorantreiben.

Private Equity ist ein hervorragendes Werkzeug, um in einem begrenzten Zeitraum, also praktisch in einem Kapitel der Unternehmensgeschichte, eine große Transformation vorzunehmen. Natürlich ist hier die persönlichen Chemie wichtig – man bindet sich immerhin für ein paar Jahre an einen Partner –, aber auch Vertrauen in die Fähigkeiten, bei der Transformation wirklich helfen zu können.

Lieber Herr Dr. Matzner, wir danken Ihnen für diese interessanten Einblicke!


ZUR PERSON

Bevor er zu DPE kam, war Dr. Alexander Matzner als SVP Digital Innovation bei Sky Deutschland für die Digitalisierung des Unternehmens verantwortlich. Zuvor verantwortete er dort als Einkaufsleiter den strategischen und operativen Einkauf des Unternehmens. Vor Sky leitete er als Unternehmensberater bei McKinsey & Company Projekte im Bereich Produktentwicklung und Lean Operations im Automobil- und Maschinenbau sowie in der Chemieindustrie. Dr. Matzner promovierte im Bereich künstlicher Intelligenz.

www.dpe.de

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