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„Wenn man sich nicht in die Pflicht nimmt, finden sich immer wieder Ausreden“

Aus den Anfängen eines Stahlbauunternehmens entwickelte sich die Goldbeck Gruppe zum europaweit aufgestellten Spezialisten rund um gewerbliche und kommunale Immobilien. Im Interview spricht Firmengründer Ortwin Goldbeck über die langfristige Planung der Nachfolge, die Bedeutung von Verträgen und seine Rolle nach der Übergabe des Unternehmens an die Söhne.

Unternehmeredition: Her Goldbeck, wann haben Sie begonnen, über die Nachfolgeregelung nachzudenken?

Goldbeck:
Das war an meinem 50. Geburtstag. Einer meiner drei Söhne hatte da schon Abitur und der Zweite war auf dem Weg dorthin. Da habe ich gesehen, dass die Kinder wohl in der Lage sein werden, einen Betrieb zu führen, und wir als Familienunternehmen in die nächste Generation gehen könnten. Wir sind dann aber erst einmal weiter stark gewachsen und es wurde auch die Möglichkeit eines Börsengangs an mich herangetragen. Meine Frau hat damals gegengesteuert. Als ich dann an meinem 60. Geburtstag erneut über die Nachfolge nachgedacht habe, war der Älteste bereits im Unternehmen und hatte schon Erfahrung bei einer Unternehmensberatung gesammelt. Ich wusste nun, dass auf jeden Fall eines meiner Kinder weitermachen wird.

Unternehmeredition: Wann ist das konkret geworden?

Goldbeck:
Die eigentliche Entscheidung ist an meinem 65. Geburtstag gefallen. Da habe ich endgültig festgelegt, dass ich drei Jahre später, am 1. April 2007, ausscheiden will. Denn wenn man sich nicht selbst in die Pflicht nimmt, finden sich immer wieder Ausreden. Bei der planmäßigen Übergabe habe ich alle Entscheidungsbefugnisse für das operative Tagesgeschäft an den ältesten Sohn abgetreten. Ich war allerdings da und stand ihm zur Seite, wenn er einmal Rat gebraucht hat. Dennoch war es für mich nach 40 Jahren im Unternehmen natürlich nicht leicht, mich zurückzunehmen.

Unternehmeredition: Welches waren die herausragenden Meilensteine während Ihrer Ägide als Gründer und Firmenchef?

Goldbeck:
Wir haben im Jahr 1969 als Stahlbauunternehmen angefangen und sind auch deshalb schnell gewachsen, weil wir keine Erfahrung hatten. So sind wir unvoreingenommen an neue Lösungen herangegangen, die heute Standard sind. In den 1980er Jahren haben wir den Stahlbau zum schlüsselfertigen Gebäudebau weiterentwickelt, wofür wir Bausysteme geschaffen haben und eine dezentrale Vertriebsorganisation aufbauen mussten. Nach dem Fall der Mauer konnten wir die Systeme erfolgreich in den neuen Bundesländern einsetzen. Parallel dazu kam der Geschäftsbereich Dienstleistungen hinzu: von der Projektentwicklung bis hin zum Gebäudemanagement. Mit Beginn der Jahrtausendwende haben wir dann das internationale Geschäft in den neuen EU-Ländern Polen, Tschechien und Slowakei sowie in Österreich und der Schweiz vorangetrieben. Seit dem Jahr 2002/2003 bauen wir über Public Private Partnerships (PPP) auch für die öffentliche Hand. Heute kann ich sagen, dass wir uns all die Jahrzehnte über auf Wachstumskurs bewegt haben.Unternehmeredition: Welche Vorkehrungen haben Sie für die Fortsetzung Ihres Lebenswerks mit Blick auf die Zuständigkeiten getroffen?

Goldbeck: Wir haben die Verteilung der Managementaufgaben schon vor der Übergabe im Gesellschaftsvertrag geregelt. Mein ältester Sohn ist Sprecher der aus sechs Mitgliedern bestehenden Holding-Geschäftsführung und verantwortet die Bereiche Personal und Finanzen. Der Jüngste hatte zunächst verschiedene Bau- und Projektleitungen im Unternehmen übernommen und ist seit April 2011 ebenfalls Mitgeschäftsführer in der Holding, wo er u.a. den Bereich Public Private Partnership verantwortet. Mein mittlerer Sohn ist Geschäftsführer unserer Photovoltaik-Firma. Er hatte sich frühzeitig für dieses Thema interessiert, und von ihm kam dann auch die Idee, mit der Photovoltaik Solar ein eigenständiges Geschäft unserer Unternehmensgruppe in diesem Bereich aufzubauen. Ich selbst habe den Vorsitz im Beirat der Gruppe übernommen, rede jedoch nicht in das operative Geschäft hinein. Wichtig ist aber, dass sich die Geschäftsführung auf die drei mal jährlich stattfindenden Beiratssitzungen vorbereitet und so ihre Entscheidungen reflektiert. Natürlich wird auch über größere Investitionen und strukturelle Veränderungen im Beirat gesprochen.

Unternehmeredition: Wie steht es mit den Gesellschafteranteilen und wie haben Sie das Miteinander von Familie und Unternehmen geregelt?

Goldbeck:
Die Kinder waren schon vor der Übergabe mit über 30% am Unternehmen beteiligt. Ein Jahr nach meinem Ausscheiden habe ich dann begonnen, einen großen Teil meiner Anteile – nach dem Prinzip der Gerechtigkeit gleichmäßig – auf die Kinder zu übertragen. So konnten wir die steuerliche Belastung planen und Überraschungen vermeiden. Grundsätzlich haben wir zudem geregelt, dass die Ehefrauen keine Gesellschaftsanteile bekommen können. Erben von Unternehmensanteilen dürfen nur die leiblichen Abkommen werden. Ich selbst bin jetzt nur noch Minderheitsgesellschafter, habe aber noch die Stimmenmehrheit – von der ich bislang allerdings noch keinen Gebrauch machen musste. Wir haben darüber hinaus eine Familien-Charta weiterentwickelt, die auch gelebt wird. Dort steht unter anderem, dass die Firma vor die Familie geht. Ebenso ist festgehalten, wie wir uns als Familie gegenüber dem Unternehmen verhalten. Das muss nicht immer einhellig sein, aber anständig. Eine ganz wichtige Rolle spielt meine Frau, die ganz besonders auf die familieninterne Bindung achtet und ausgleichend wirkt.

Unternehmeredition: Was würden Sie Unternehmern mit Blick auf die Nachfolgeregelung grundsätzlich raten?

Goldbeck:
Man muss früh genug damit beginnen, darüber nachzudenken, und darf die eigene Vorbildfunktion nicht unterschätzen. Ich bin nie mit den Problemen der Firma nach Hause gekommen. Die Kinder sollten sehen, dass mir die Aufgabe Freude macht, dass das Unternehmen mein Leben ist. Ich habe sie jedoch nie gedrängt. Andererseits haben die Kinder natürlich schon gespürt, dass ich es gerne sehen würde, wenn sie in das Unternehmen eintreten. Die Nachfolger ihrerseits müssen wissen, dass Unternehmensführung eine herausfordernde Aufgabe ist, für die man Fach- und Führungskompetenz braucht. Wichtig ist nicht zuletzt die Persönlichkeit. Dazu gehören Integrität, Authentizität und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Stakeholder und Mitarbeiter achten schon genau darauf, was da für ein Typ ans Ruder kommt.

Unternehmeredition: Worauf sollte der Senior nach seinem Ausscheiden achten, der ja wie Sie seinem Unternehmen oft noch verbunden ist?

Goldbeck:
Er sollte mitdenken, ohne seinen Nachfolgern in die Quere zu kommen: nah genug dran und weit genug weg. Der Schnitt muss auf jeden Fall klar vollzogen werden, und man muss akzeptieren können, dass die Jüngeren manchmal etwas anders machen als man selbst. Der Abschied kann natürlich besonders zu Beginn belastend sein. Ich habe das mittlerweile überwunden, weil die eigenen Kinder und die Fremdgeschäftsführer ihre Sache gut machen. Die Zahl unserer Mitarbeiter ist seit der Übergabe von rund zwei Tausend auf über drei Tausend gewachsen. Gleichzeitig ist der Umsatz vom 760 Mio. EUR auf zuletzt 1,1 Mrd. EUR gestiegen. Ich bin auch gut beschäftigt durch mein Ehrenamt als IHK-Präsident und engagiere mich in der Stiftung Familienunternehmen – nicht zuletzt, um Bewusstsein zu schaffen. Viele Politiker wissen gar nicht, was sie an den fest in ihrer jeweiligen Region verwurzelten Familienunternehmen haben, die unsere Industriegesellschaft in einem ganz besonderen Maße stabilisieren.

Unternehmeredition: Herr Goldbeck, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person
Ortwin Goldbeck ist Vorsitzender des Beirats der Goldbeck Gruppe (www.goldbeck.de), die er von der Gründung im Jahr 1969 über mehrere wachstumsstarke Jahrzehnte hinweg aufgebaut hat. Im Jahr 2007 übergab er die Firmengruppe an seine Söhne. Er ist neben seiner Beiratsfunktion Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld und Kurator der Stiftung Familienunternehmen.

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