Wachstum, Wandel, Werte!

Familienunternehmen im Generationswechsel-Erkenntnisse beim Unternehmeredition "Roundtable Unternehmensnachfolge"

Von links nach rechts: Markus Rieger und Nina Sterr, GoingPublic Media, Georg Nikolaus von Verschuer, Falkensteg, Dr. David Hoeflmayr, Board Advisor, Dr. Stephan Hundertmark, Dr. Wieselhuber & Partner, Philipp Haindl, Serafin Unternehmensgruppe, Volker Wintergerst, Wintergerst, Beatrice Rodenstock, Rodenstock-Gesellschaft für Familienunternehmen, Eva Rathgeber und Alexander Görbing, GoingPublic Media, Baris Kartal, Signium; Foto: @GoingPublic Media AG

Die Übergabe eines Unternehmens an die nächste Generation ist ein Balanceakt zwischen Tradition und Innovation. Viele Unternehmer stehen vor der Herausforderung, den richtigen Zeitpunkt für die Nachfolge zu bestimmen, geeignete Nachfolger zu finden und dabei den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern. Der Unternehmeredition Roundtable „Wachstum, Wandel, Werte – Familienunternehmen im Generationswechsel“ am 10. März 2025 im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München brachte führende Experten und Unternehmer zusammen, um über Strategien, Fallstricke und neue Modelle der Unternehmensnachfolge zu diskutieren.

Beatrice Rodenstock, Geschäftsführerin der Rodenstock Gesellschaft für Familienunternehmen, machte in ihrem Auftaktvortrag „Der extrem schnelle Wandel als neue Normalität“ deutlich, dass eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge ein strategischer Prozess ist, der über Jahre hinweg geplant werden muss. „Nachfolge braucht Strategie – eine durchdachte Übergabe ist essenziell für den langfristigen Erfolg“, betonte sie. Allerdings sei die Realität oft eine andere: „Viele Unternehmer schieben die Nachfolgeentscheidung auf, weil sie sich emotional nicht lösen können oder keine geeigneten Nachfolger sehen. Das führt dazu, dass sie plötzlich unter Zeitdruck geraten – und dann sind die Optionen begrenzt.“

Dazu passte die Einschätzung von Dr. David Hoeflmayr, Board Advisor, der in seinem Impuls die psychologischen Barrieren der abgebenden Generation thematisierte: „Es gibt immer eine hohe emotionale Bindung an das Unternehmen und zugleich die Angst vor Kontrollverlust. Viele Unternehmer haben keine klare Vorstellung davon, was sie nach der Übergabe tun sollen – und das hält sie oft zurück.“ Er plädierte für eine rechtzeitige Reflexion über die eigene Rolle nach der Nachfolge, um Blockaden zu vermeiden.

Auch Philipp Haindl, Gründer und aktiver Gesellschafter der Serafin Unternehmensgruppe, sieht in dieser emotionalen Komponente eine der größten Hürden. „Nachfolge ist nicht einfach die Weitergabe eines Unternehmens, sondern eine Entscheidung über die eigene Zukunft. Wer sich nicht bewusst mit seiner Rolle nach der Übergabe auseinandersetzt, verzögert den Prozess oft unnötig – und das kann für das Unternehmen riskant werden.“ Unternehmersein müsse eine bewusste Entscheidung sein, so Haindl: „Es reicht nicht, in die Fußstapfen der Vorgänger zu treten, wenn das Herz nicht daran hängt.“

Krisenfestigkeit und Zukunftsorientierung – die doppelte Herausforderung

Dr. Stephan Hundertmark, Partner von Dr. Wieselhuber & Partner, wies darauf hin, dass die Nachfolger heute vor einer doppelten Herausforderung stehen: „Viele Unternehmen müssen sich nicht nur mit einer erfolgreichen Übergabe beschäftigen, sondern gleichzeitig in einem zunehmend volatilen Umfeld bestehen. Digitalisierung, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeitsanforderungen zwingen die Nachfolgegeneration dazu, neue Wege zu gehen.“ Er betonte, dass der Spagat zwischen kurzfristiger Krisenfestigkeit und langfristiger Innovationsstrategie oft eine der größten Herausforderungen sei.

Volker Wintergerst, Managing Partner der Wintergerst Societät für Unternehmer-Beratung, fügte hinzu, dass es essenziell sei, ein Unternehmen jederzeit „transaktionsfähig“ zu halten: „Eine transparente Finanzstruktur, eine stabile operative Basis und eine nachvollziehbare Zukunftsstrategie machen den Unterschied. Wer erst dann anfängt, die Firma für einen Verkauf oder eine Übergabe aufzubereiten, wenn es akut wird, der verschenkt wertvolle Zeit und Geld.“

Externe Führung und hybride Nachfolgemodelle als Alternative

Nicht immer gibt es geeignete familieninterne Nachfolger, weshalb Unternehmen zunehmend alternative Modelle in Betracht ziehen. Baris Kartal, Managing Partner bei Signium, erklärte: „Ein erfahrener externer Geschäftsführer kann eine Brücke zwischen den Generationen schlagen und neue Impulse ins Unternehmen bringen. Entscheidend ist, dass man frühzeitig die passenden Kandidaten identifiziert und sie schrittweise in den Übergabeprozess einbindet.“

Auch Haindl sieht in hybriden Nachfolgemodellen, in denen externe Führungskräfte und familieninterne Gesellschafter zusammenarbeiten, großes Potenzial. „Nicht jeder, der aus einer Unternehmerfamilie stammt, ist automatisch eine gute Führungskraft. Externe Manager oder professionelle Investoren können helfen, das Unternehmen gemeinsam mit der Familie in die Zukunft zu führen – und das sollte kein Tabu sein“, so Haindl.

Der richtige Zeitpunkt für die Nachfolge – ein unterschätzter Faktor

Unternehmer, die sich erst spät mit der Nachfolge beschäftigen, haben oft keine andere Wahl, als ihr Unternehmen unter Zeitdruck zu verkaufen – mit negativen Folgen für den Unternehmenswert. Georg Nikolaus von Verschuer, Partner M&A und Unternehmens-nachfolge bei FalkenSteg, warnte in seinem Impulsvortrag „Warum ein Fire-Sale keine gute Lösung ist“ eindringlich davor: „Unter Druck entstehen keine Diamanten – sondern schlechte Deals. Wer erst in letzter Minute verkauft, wird keine optimalen Konditionen erzielen und riskiert, dass sein Unternehmen unter Wert den Besitzer wechselt.“

Ein zentraler Punkt in der sich anschließenden Diskussion war die Frage, wann der ideale Zeitpunkt für die Übergabe eines Unternehmens gekommen ist. Dr. Hundertmark von Dr. Wieselhuber & Partner formulierte es treffend: „Viele Unternehmer denken, die Nachfolge sei ein Thema für die Zukunft – aber die Zukunft kommt schneller, als man glaubt. Wer sich erst mit 60 oder 65 Gedanken macht, hat oft wertvolle Jahre verloren.“

Von Verschuer ergänzte: „Die meisten Nachfolgen scheitern nicht daran, dass es keine Optionen gibt, sondern daran, dass zu spät gehandelt wird. Nachfolge ist kein Ereignis, sondern ein Prozess, der Jahre dauert.“ Die Experten waren sich einig: Eine rechtzeitige Vorbereitung ermöglicht eine reibungslose Übergabe und sichert den Fortbestand des Unternehmens.

Familienkonflikte als Stolperstein der Nachfolge

Neben finanziellen und strategischen Aspekten spielen auch familiäre Dynamiken eine große Rolle. Rodenstock betonte: „In vielen Unternehmerfamilien gibt es unausgesprochene Konflikte. Wenn die ältere Generation nicht loslassen kann oder Geschwister unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft haben, wird die Nachfolge zur Zerreißprobe.“

Dr. Hoeflmayr schilderte eine häufige Herausforderung: „Es gibt Fälle, in denen die Nachfolgegeneration bereit ist, das Unternehmen zu übernehmen, aber die ältere Generation nicht loslassen kann. Oder es gibt mehrere potenzielle Nachfolger, aber keinen klaren Plan, wer welche Rolle übernimmt. Solche Unklarheiten führen oft zu Spannungen und Verzögerungen.“

Die Lösung? Klare Kommunikation, frühzeitige Regelungen und im besten Fall eine neutrale Moderation. „Viele Unternehmerfamilien tun gut daran, externe Berater hinzuzuziehen, die helfen, die Interessen aller Beteiligten zu strukturieren“, empfahl von Verschuer.

Bewertung und Finanzierung der Unternehmensnachfolge

Foto: @ GoingPublic Media AG

Eine der größten Herausforderungen bei der Nachfolge ist der finanzielle Aspekt: Wie wird das Unternehmen bewertet? Wie kann der Kauf finanziert werden? Wintergerst stellte klar: „Viele Unternehmer haben eine unrealistische Vorstellung vom Wert ihres Unternehmens. Sie erwarten einen Kaufpreis, der auf vergangenen Erfolgen basiert, anstatt sich an aktuellen Marktentwicklungen zu orientieren.“

Auch die Finanzierung ist ein Knackpunkt. Dr. Hundertmark erklärte: „Die Banken sind heute zurückhaltender bei der Kreditvergabe für Nachfolgen. Wer eine Übergabe plant, sollte frühzeitig klären, wie die Finanzierung strukturiert werden kann – sei es durch Eigenkapital, Investoren oder alternative Modelle wie Earn-out-Regelungen.“

Die Rolle des Beirats – Professionalisierung statt „Friends and Family“

In der Diskussion wurde auch die Bedeutung eines professionellen Beirats unterstrichen. Dr. Hoeflmayr machte deutlich: „Ein Beirat kann eine wertvolle Unterstützung im Nachfolgeprozess sein – aber nur, wenn er professionell besetzt ist. Ein ‚Friends-and Family-Beirat‘, der nur aus Wohlgesinnten besteht, bringt wenig Mehrwert.“

Von Verschuer bestätigte diese Einschätzung: „Viele Unternehmer zögern, echte Entscheidungsbefugnisse an einen Beirat abzugeben. Aber gerade in der Nachfolge kann ein kompetenter Beirat helfen, strategische Weichenstellungen objektiv zu begleiten.“

Haindl hob hervor, dass ein Beirat gerade dann entscheidend sei, wenn die Nachfolgegeneration noch nicht ausreichend Erfahrung gesammelt habe. „Nachfolger profitieren enorm davon, wenn sie mit erfahrenen Unternehmern oder Managern im Beirat zusammenarbeiten können.“

Kartal von Signium ergänzte: „Ein professionell besetzter Beirat kann nicht nur den Übergang begleiten, sondern auch externe Führungskräfte sinnvoll integrieren und als Kontrollinstanz dienen.“

Kultureller Wandel und neue Anforderungen an die Nachfolgegeneration

v.li.n.re.: Philipp Haindl, Beatrice Rodenstock, Dr. Stephan Hundertmark; Foto: @ GoingPublic Media AG

Weitere große Themen waren der Wandel der Unternehmenskultur und die sich verändernden Erwartungen an die Nachfolger. Rodenstock beschrieb die Herausforderung: „Viele ältere Unternehmer haben eine sehr traditionelle Vorstellung von Führung, während die Nachfolg-egeneration flexiblere Strukturen und moderne Arbeitsmodelle bevorzugt. Das führt oft zu Spannungen.“

Dr. Hundertmark hob hervor, dass sich das Verständnis von Führung verändert: „Die neue Generation legt mehr Wert auf Work-Life-Balance, flache Hierarchien und nachhaltige Unternehmensführung. Die Herausforderung besteht darin, diese modernen Ansätze mit den bewährten Strukturen des Unternehmens zu verbinden.“

Börsengang als Nachfolgeoption – eine Lösung mit Hürden

Ein oft übersehener, aber zunehmend diskutierter Weg der Unternehmensnachfolge ist der Börsengang. In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, warum diese Option in Deutschland so selten genutzt werde. Dabei wurde auf die hohen regulatorischen Hürden verwiesen: Der Gang an die Börse bringe formale und finanzielle Anforderungen mit sich, die nicht jedes Familienunternehmen stemmen könne. Viele scheuten sich zudem vor der damit einhergehenden Transparenzpflicht. Dennoch betonten einige Experten, dass dies für größere Unternehmen eine spannende Alternative sein könne, insbesondere wenn es keine familieninterne Nachfolge gibt.

Nachfolgerinnen als Lösung für den Nachfolgermangel

Der „Roundtable Unternehmensnachfolge“ der Mittelstandsplattform Unternehmeredition fand am 10. März im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München statt.; Foto: @ GoingPublic Media AG

Ein weiteres spannendes Thema war die Rolle von Frauen in der Unternehmensnachfolge. Rodenstock wies darauf hin, dass Frauen oft übersehen werden: „Es gibt einen erheblichen Pool an qualifizierten weiblichen Nachfolgerinnen, die oft gar nicht als erste Wahl in Betracht gezogen werden. Dabei zeigen Studien, dass Unternehmen mit divers aufgestellten Führungsteams oft erfolgreicher sind.“ Ein Teilnehmer bestätigte diese Beobachtung: „In vielen Familienunternehmen werden immer noch die Söhne als erste Option gesehen, während Töchter sich ihren Platz oft erkämpfen müssen. Hier braucht es ein Umdenken.“ Die Experten waren sich einig, dass gezielte Förderung und frühzeitige Integration von Frauen in Führungsrollen ein wichtiger Hebel sein könnten, um den Nachfolgemangel zu entschärfen.

FAZIT

Die Diskussion beim Roundtable machte deutlich: Die Unternehmensnachfolge ist weit mehr als eine rein wirtschaftliche Entscheidung. Neben der strategischen Planung sind emotionale, psychologische und kulturelle Aspekte ebenso entscheidend. Nachfolge ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein langfristiger Prozess, der strategische Planung, unternehmerische Haltung und Offenheit für neue Modelle erfordert. Frühzeitige Vorbereitung, realistische Bewertung und die Einbindung externer Expertise können entscheidend sein, um den Übergang erfolgreich zu gestalten.

👉 Diese Fallstudie ist auch in der Unternehmeredition 1/2025 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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