Schutzschirm: Ein hübsches Kleid am welken Leib?
Schließlich entwickelte der Gesetzgeber das „Schutzschirmverfahren“. Diese Kreation haben wir dem Umstand zu verdanken, dass die Branchenvertreter der Turnaround-Industrie über Jahre hinweg forderten, was es in jedem Industrieland der Welt bereits gibt: ein Sanierungsverfahren vor der Insolvenz. Der Gesetzgeber meinte, ein „Sanierungsgesetzbuch“ brauche es nicht. Vielmehr könne man dies auch in das bestehende Regelwerk einbauen. So sollte im Schutzschirmverfahren die Zahlungsfähigkeit aufrechterhalten bleiben – wie auch in typischen Sanierungsverfahren üblich. Das Management sollte, von der strafbewehrten Antragspflicht entlastet und vor Einzelzugriffen der Gläubiger geschützt, einen Sanierungsversuch unternehmen, um die nächste Eskalationsstufe, die formale Insolvenzeröffnung, noch abzuwenden. Als Privileg für einen frühen Antrag – noch vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit – darf das schuldnerische Unternehmen selbst seinen Sachwalter bestimmen, mithin seinen Kontrolleur. Das ist dem Grunde nach in Ordnung, aber vom Schutzschirmverfahren ist auch nichts anderes als dies geblieben. Ab Antragstellung verlaufen bisher alle beantragten Schutzschirmverfahren ganz genauso wie ein regulär beantragtes, eigenverwaltetes Insolvenzverfahren und enden bisher sämtlich in einer Insolvenzeröffnung. Es bleibt zudem fraglich, ob nicht Fehlanreize gesetzt wurden, wenn etwa eine WGF AG gerade einen Tag vor Fälligkeit einer Anleihe, die mehr als 25% der Bilanzsumme ausmacht und der keinerlei liquide Assets gegenüberstehen, noch das Privileg in Anspruch nehmen will, auch wenn rechtlich gesehen zwischen heute, gestern oder vor zwei Monaten nicht unterschieden werden mag.
Am Ende geht es um die Anteile
Die derzeitige Welt ist mithin eine der Transformation. Während Verfahren wie Leiser augenscheinlich in kurzer Zeit zu einem Ergebnis führen, darf der Mittelständler hieraus nicht die falschen Schlüsse ziehen. Die spannendsten Schlagzeilen entstehen immer noch dort, wo schlicht ein über Jahrzehnte gewachsenes, höchst eigenzentriertes Insolvenz-Establishment seine Pfründe neu verteilt und Kladden tieffliegen. Davon hat aber der Mittelständler nichts. Insolvenzverwalter, die bisher als willensstark und teamschwach bekannt waren, erklären sich kurzerhand zu Beratern, die auch „dem Schuldner helfen“. Berater kämpfen um den „Kunden“ mit zum Teil übertriebenen Hoffnungen, treiben ihn förmlich in eine Insolvenz, ohne die finalen Konsequenzen vor Augen zu führen. So verwundert es nicht zu lesen, dass in einem Verfahren wie SIC Processing eigenverwaltende Berater und ihr mitgebrachter Sachwalter von den Gläubigern einer Anleihe im späteren Verlauf vom Hof gejagt werden. Man möchte ungern in der Haut solcher Berater stecken, die Management und Eigentümern zu viel versprachen.
Fazit:
Letztlich ist und bleibt die Insolvenz ein Verfahren, mit dem die Rechte an einem Unternehmensgegenstand zwischen Gläubigern und Anteilseignern neu verteilt werden. Und in den allergrößten Fällen geht diese Verteilung in nur eine Richtung: weg von den Anteilseignern. Doch wer sich seiner Situation früh bewusst ist, hat nunmehr die Chance, wenn er nicht an die falschen Berater und Gerichte gerät, „den ersten Aufschlag“ zu machen, über immerhin einen Zeitraum von drei Monaten, sogar unter Vollstreckungsschutz. Das erhöht die Chancen erheblich, mit seinen wesentlichen Gläubigern einen tragfähigen Konsensus zu erreichen, bei dem auch die eigenen Interessen einfließen.
Zur Person:
Dr. Frank Nikolaus (nikolaus@nikolausco.com) ist Managing Partner der Investmentbank-Boutique Nikolaus & Co. LLP und ehrenamtlich Vorsitzender der Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland e.V. www.tma-deutschland.org, www.nikolausco.com
Dr. Frank Nikolaus (nikolaus@nikolausco.com) ist Managing Partner der Investmentbank-Boutique Nikolaus & Co. LLP ( www.nikolausco.com) und ehrenamtlich Vorsitzender der Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland e.V. (www.tma-deutschland.org).