Der deutsche Flugtaxi-Hersteller Volocopter hat Insolvenz angemeldet. Das Amtsgericht Karlsruhe hat Tobias Wahl von Anchor Rechtsanwälte als vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt. Das Unternehmen aus Bruchsal, bekannt für seine vollelektrischen Fluggeräte, kämpft derzeit um eine Sanierung und hofft, bis Ende Februar 2025 neue Investoren zu finden. Tobias Wahl kündigte heute in einer Pressemeldung an, ein Sanierungskonzept zu entwickeln, das die letzten Schritte zur Markteinführung ermöglichen soll. Aktuell beschäftigt Volocopter noch rund 500 Mitarbeitende, nachdem in den letzten Jahren bereits rund 200 Stellen abgebaut wurden, um die finanzielle Lage zu stabilisieren. Der Geschäftsbetrieb soll während des Verfahrens fortgesetzt werden. Ziel ist es, die Arbeitsplätze zu erhalten und das Unternehmen wettbewerbsfähig zu restrukturieren.
Verzögerte Zulassung
Die Insolvenz kommt nach Monaten gescheiterter Finanzierungsbemühungen. Trotz technologischer Fortschritte hat Volocopter weiterhin keine Musterzulassung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) erhalten. Diese Zulassung ist jedoch erforderlich, um Passagiere mit den vollelektrischen Multikoptern transportieren zu dürfen. Das Unternehmen hatte gehofft, mit seinem Modell Volocity während der Olympischen Spiele 2024 in Paris einen Werbeeffekt durch Passagierflüge zu erzielen. Stattdessen fanden lediglich Showflüge und Testläufe statt. Volocopter geht dennoch davon aus, die Zulassung im Jahr 2025 zu erhalten. „Wir sind sowohl technologisch als auch im Zertifizierungsprozess im internationalen Wettbewerb ganz weit vorne“, erklärte Dirk Hoke, CEO von Volocopter. Dennoch verließen die bisherigen Finanzierungsrunden das Unternehmen in einer angespannten Lage. Hoke, der das Unternehmen Ende Februar 2025 verlassen wird, bleibt trotz der Herausforderungen optimistisch, dass Volocopter mit der Restrukturierung neue Investoren anziehen kann.
Parallelen zur Insolvenz von Lilium
Volocopters Insolvenz ist nicht die erste in der deutschen Elektroflug-Branche. Erst kürzlich musste der bayerische Konkurrent Lilium Insolvenz anmelden, konnte aber kurz vor Weihnachten eine Rettung durch ein internationales Investorenkonsortium sicherstellen. Anders als Lilium, dessen Verfahren in Eigenverwaltung läuft, wird Volocopter nun durch einen externen Verwalter saniert. Volocopter hatte wie Lilium in der Vergangenheit mehrfach staatliche Unterstützung beantragt, jedoch ohne Erfolg. Anträge auf Kreditbürgschaften vom Bund sowie den Ländern Baden-Württemberg und Bayern wurden abgelehnt. Die Absage führte zu scharfer Kritik von CEO Dirk Hoke: „In einer derart technologisch komplexen und kapitalintensiven Branche wie unserer richtet man auch den Blick auf den Staat. Doch diese Unterstützung blieb aus.“
Mögliche Übernahme durch Geely
Trotz der Insolvenz bestehen für Volocopter Chancen auf eine Rettung. Berichten zufolge hat der chinesische Mischkonzern Geely Interesse an einer Übernahme des Flugtaxi-Herstellers. Geely ist bereits ein bedeutender Investor und könnte seine Beteiligung weiter ausbauen. Spekulationen über eine mögliche Übernahme gibt es seit Monaten, doch konkrete Entscheidungen wurden bisher nicht bekanntgegeben. Während Volocopter auf internationale Städte wie Rom und Osaka setzt, habe Deutschland als Markt für kommerzielle Passagierflüge eine geringere Priorität. Die geringere Bevölkerungsdichte, ausgereifte Nahverkehrssysteme und der Widerstand gegen neue Verkehrstechnologien würden den Einstieg erschweren. Stattdessen arbeitet Volocopter in Deutschland nach eigenen Angaben mit der ADAC-Luftrettung zusammen, um die Flugtaxis für medizinische Notfälle und Rettungseinsätze zu erproben. Testflüge und Pilotenausbildungen finden regelmäßig statt, auch wenn der reguläre Passagierbetrieb weiterhin aussteht.
Technologische Vorreiterrolle
Volocopter hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2011 einen Namen als Vorreiter im Bereich der urbanen Luftmobilität gemacht. Der zweisitzige Volocity soll in Städten Kurzstreckenflüge ermöglichen und langfristig Hubschrauber ersetzen. Dennoch wird die Technologie immer wieder kritisiert. Volocopter ist nicht allein in seiner schwierigen Lage. Die gesamte Branche der „Advanced Air Mobility“ steckt in einer Krise. Nach einer Phase der Euphorie in den 2010er-Jahren fällt es vielen Unternehmen schwer, Investoren zu finden. Hohe Entwicklungskosten, regulatorische Hürden und mangelnde öffentliche Akzeptanz belasten die Branche. Zuletzt erhielt Volocopter im Rahmen einer Finanzierungsrunde vor zwei Jahren 182 Mio. EUR. Zu den Investoren gehörten das saudi-arabische Stadtprojekt Neom und der Technologiekonzern Geely. Weitere Geldgeber wie Daimler und Intel unterstützten das Unternehmen ebenfalls. Doch auch mit diesen Mitteln konnte Volocopter die Kapitalintensität seiner Projekte nicht vollständig ausgleichen.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.