Nachfolger dringend gesucht! Die Übergabe wird schwieriger

Die Unternehmergeneration der Babyboomer erreicht den Ruhestand. Die Suche nach einer passenden Nachfolgelösung erweist sich aber für viele als schwierig - denn die nachkommende Generation ist deutlich kleiner. Wer seinem Unternehmen heute die Zukunft sichern will, muss zweierlei tun: früh mit der Suche beginnen und, vor allem, loslassen.

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Unternehmensnachfolgen sind eine ernste Angelegenheit. Die Übergabe an die nächste Generation oder in fremde Hände ist eine tiefe Zäsur im Leben der Patriarchen. Nicht selten haben sie Jahrzehnte in ihrem Unternehmen verbracht, haben es entweder im Geist ihrer Vorgänger fortgeführt oder auch selbst gegründet und aufgebaut. Ein Lebenswerk gilt es aus ihrer Sicht weiterzugeben, einen großen Wert zu erhalten. In die besten Hände soll das Unternehmen kommen, soll dort weiter florieren. Bei der Umsetzung der Nachfolge fehlt es den Unternehmern aber naturgemäß an dem, was sie sonst im Überfluss haben: Erfahrung. Sie betreten Neuland. Es sind zahlreiche Risiken zu beachten. Es besteht die Gefahr von Konflikten. Die meisten dringen nicht ans Tageslicht, wie etwa die Saga um die Nachfolge des legendären Medientycoons Rupert Murdoch. Sein jahrelanges Lavieren, welchem seiner Kinder denn nun die Verantwortung für das Imperium überantwortet werden soll, diente dem amerikanischen Sender HBO schließlich sogar als Vorlage für seine bitterböse Fernsehserie Succession.

Stefan Heidbreder; Foto: © Stiftung Familienunternehmen

In Deutschland gelangen Nachfolgestreitigkeiten selten in die Öffentlichkeit. Hierzulande dominieren die Erfolgsnachrichten, wie zuletzt die über den vollzogenen Generationenwechsel beim Textilhersteller Trigema, wo Firmengründer Wolfgang Grupp das Zepter nach mehr als fünf Jahrzehnten an seine Kinder übergibt. Oder Dirk Rossmann: Der Drogeriekönig hatte sich schon vor drei Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen und seinem Sohn die Leitung des Unternehmens übertragen. Oder Erich Sixt, der in den Aufsichtsrat seines Mobilitätskonzerns wechselte und dessen beiden Söhne das Unternehmen nun in einer Doppelspitze führen. Der Löwenanteil der Unternehmensnachfolgen wird allerdings im Stillen vollzogen. „Die meisten Familienunternehmen schaffen die Nachfolge. Verändert hat sich die Art und Weise des Übergangs. Sie ist vielfältiger in ihren Möglichkeiten geworden“, sagt Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, die von rund 600 namhaften Familienunternehmen Deutschlands getragen wird. Neben der klassischen Form der Übergabe an die nächste Generation finde man heute häufig etwa die gemischte Nachfolge, bei der einem Familienmitglied in der Geschäftsführung ein externer Manager zur Seite gestellt werde. Bei größeren Familienunternehmen komme häufiger ein reines Fremdmanagement als Nachfolgelösung vor. Auf der Kapitalseite wird ebenfalls nicht mehr nur an die Jüngeren verschenkt oder vererbt, sondern auch an Unternehmensfremde verkauft. „Es ist auch eine Fragmentierung in Richtung Private Equity zu beobachten“, stellt Heidbreder fest. Gerade für größere Unternehmen sei Private Equity heute eine Option. Dabei kämen neben Mehrheitsbeteiligungen immer wieder auch Minderheitsbeteiligungen in Betracht.

Beatrice Rodenstock Foto: © Rodenstock-Gesellschaft für Familienunternehmen

Die Vielfalt hat einen Grund: Geeignete Kandidaten für die Unternehmensnachfolge zu finden wird für Familienunternehmen immer schwieriger. Das hat zum einen mit der demografischen Entwicklung zu tun. Die Generation der Babyboomer ist groß, die nachfolgenden Generationen sind aber sukzessive kleiner geworden. Hinzu kommt, dass es in Unternehmerfamilien nicht mehr selbstverständlich ist, dass eines der Kinder das Lebenswerk des Vaters oder – seltener – der Mutter fortführen will. Nach dem alten Motto: Der Älteste erbt den Hof. „Immer weniger potenzielle familieninterne Nachfolger und Nachfolgerinnen wollen die Nachfolge antreten. Zum einen, weil die markt- und geopolitischen Herausforderungen immer größer werden, zu viele Regularien und mehr unkalkulierbare Risiken vorhanden sind und sie dafür die Verantwortung nicht mehr übernehmen wollen“, sagt Unternehmensberaterin Beatrice Rodenstock. „Zum anderen wird das Thema Work-Life-Balance immer wichtiger – und dies ist oft mit unternehmerischer Verantwortung nicht zu vereinbaren.“ Eine Nachfolgeregelung außerhalb der eigenen Familie zu suchen und zu finden ist deshalb für viele Babyboomer alternativlos geworden. Das Problem ist oft nur, dass es auch außerhalb der Familie nicht viele geeignete Kandidaten gibt.

Schere zwischen Angebot und Nachfrage öffnet sich

Annette von Maltzan; Foto: © ifo Institut

Deutschland zählt rund 3 Mio. Familienunternehmen. Nach einer Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung aus dem Jahr 2021 – es sind die jüngsten verfügbaren Zahlen des Instituts – stehen von 2022 bis 2026 rund 190.000 Familienunternehmen zur Übergabe an; durchschnittlich 38.000 pro Jahr. Im Rahmen einer im Januar veröffentlichten Studie des ifo Instituts wurde ermittelt, dass in den nächsten drei Jahren bei 43% der Familienunternehmen eine Unternehmens- oder Anteilsübertragung ansteht. „Vor allem die größeren Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern planen den Generationenwechsel, und zwar 50% von ihnen“, sagt Annette von Maltzan vom ifo Institut. Die Dynamik nimmt also weiter zu, auch weil die Unternehmer älter werden. 2022 waren schon 31% der mittelständischen Unternehmer über 60 Jahre alt, weitere 54% hatten die 55 überschritten. Die Nachfolge wird also zunehmend zu einem Problem, auch wenn viele Unternehmer das ungerne so bezeichnen. Schließlich will man Unruhe verhindern – in der Belegschaft, aber vor allem im Kundenkreis.


Der Mangel an eigenem Nachwuchs, der willens und in der Lage ist, ein Geschäft zu führen, kommt den Private-Equity-Gesellschaften hierzulande gut zupass. Sie sind seit Jahren auf der Suche nach den „Perlen“ des deutschen Mittelstands – und nach solchen Unternehmen, die mit einiger Unterstützung wieder ertragsstark werden können. Lange haben sie dabei meist auf Granit gebissen; zu sehr hing ihnen das Heuschrecken-Image an. Das, immerhin, hat sich geändert. In ihrer Studie „Private-Equity-Gesellschaften und Familienunternehmen: Ziemlich beste Freunde?“ kommt die Beratungsgesellschaft PwC Deutschland zu dem Ergebnis, dass für 90% von 200 befragten Unternehmen eine PE-Beteiligung zumindest eine Option ist. Vor zehn Jahren lag die Bereitschaft erst bei 61%, 2011 sogar nur bei 18%. In der Praxis gibt es laut PwC aber nur wenige Transaktionen. Das liege vor allem daran, dass Familienunternehmen das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben und den Fortbestand des Unternehmens in der Familie nicht aufgeben wollen. Der Verkauf liegt letztlich aber in der DNA von Private Equity, auch wenn man erst mit einer Minderheit einsteigt oder die Beteiligung lange hält.

Minderheitsbeteiligungen sind über die Jahre für viele PE-Häuser zu einer Option geworden. Allerdings meist nicht zu ihrer bevorzugten – in der der Studie zugrunde liegenden Befragung gaben 85% an, am liebsten eine Mehrheitsbeteiligung zu erwerben. Eine Minderheitsbeteiligung wird nur von 49% der PE-Firmen als ideal angesehen. Dennoch werden die PE-Firmen am Ball bleiben, denn ihre Investoren wollen es so. „Bei den Beteiligungen an Familienunternehmen schätzen die Investoren ganz besonders das unternehmerische Denken, kurze Entscheidungswege und die Flexibilität“, sagt Steve Roberts, Private Equity Leader Deutschland bei PwC.

Private Equity ist zurückhaltender geworden

Frank Hüther; Foto: © Abacus alpha

Doch selbst wenn ein Unternehmen sich dazu entschließt, eine Minderheit oder gleich das ganze Unternehmen an Private Equity zu verkaufen, dürfte das derzeit nicht immer einfach sein – denn dort ist man zurückhaltender geworden. Die Fonds spüren, dass das Geld der Investoren nicht mehr so zuverlässig fließt wie früher, seit es für sie auch wieder andere  Anlageformen gibt, die eine Rendite bringen. „Der Private-Equity-Boom in der Niedrigzinsphase hat sich gelegt. Unternehmen mit ertragsstarkem Geschäftsmodell werden immer noch Kapitalgeber finden. Aber die sind weitaus selektiver geworden“, sagt Frank Hüther, Vorstandsvorsitzender im Bundesverband Beteiligungskapital (BVK).

Dr. Christina Jacob; Foto: © Smart PR

Die Zurückhaltung hat aber noch einen weiteren Grund: Die Risikobereitschaft der Investoren hat sich verringert. Sie schauen sich heute deutlich genauer an, wie ein Unternehmen etwa die Coronapandemie überstanden hat oder die Lieferkettenprobleme meistern konnte. „Krisenresilienz spielt eine große Rolle“, sagt Hüther. Und das genau in der Zeit, in der viele Unternehmer angesichts all dieser Krisen und Unsicherheiten „müde“ geworden sind und Sorge haben, für die Bewältigung weiterer Krisen nicht mehr die Kraft zu haben. Die erfolgreiche Düsseldorfer PR-Agentur Smart PR gehört zu den Unternehmen, die für Private Equity noch immer interessant sind. Deshalb hatte Gründerin und Geschäftsführerin Dr. Christina Jacob auch kein Problem, ihre Firma an die Beteiligungsgesellschaft Abacus alpha zu verkaufen. Zwei Jahre wird sie nach der Übernahme mindestens noch an Bord bleiben. Neben Abacus gab es noch andere Interessenten, darunter auch bisherige Wettbewerber. Alles lief reibungslos, die Gespräche mit zwei M&A-Beratern, mit ihrem Steuerberater, mit einem Anwalt. Aber es kostete wesentlich mehr Zeit, als sie geplant hatte. „Alles in allem hat es ein Jahr gedauert. Der Prozess ist wesentlich aufwendiger gewesen, als ich erwartet hatte“, sagt Dr. Jacob. Bei größeren Unternehmen mit mehreren Gesellschaftern dürfte sich der gesamte Nachfolgeprozess entsprechend noch viel länger hinziehen.

Familienstrategie schafft Klarheit

Wolfgang Glauner; Foto: © Ernst & Young

Wie auch immer eine Lösung am Ende aussehen soll – ob innerfamiliär, durch Verkauf, durch Management Buy-out oder ein externes Management –, eines sollten die Unternehmer deshalb auf keinen Fall tun: lange abwarten. Denn eine Nachfolge braucht Zeit. Das wissen vor allem diejenigen, die Unternehmen in diesen Dingen beraten und daher Erfahrung haben. „Wichtig ist, dass man früh beginnt, sich mit der Nachfolge auseinanderzusetzen“, sagt Wolfgang Glauner, Family Enterprise Markets Leader Germany bei Ernst & Young. Früh heißt nicht erst, wenn der Unternehmer in ein oder zwei Jahren abtreten will: Früh beginnt idealerweise schon viele Jahre vorher mit der Klärung essenzieller Fragen – etwa der Bereitschaft und Eignung der nachfolgenden Generation zur aktiven Rolle in der Unternehmensführung, der Regelung der Anteilsübertragung oder der Möglichkeit einer reinen gesellschaftsrechtlichen Kontrollfunktion bei Einbezug externen Managements. „Das alles legt man am besten in einer Familienstrategie fest, lange bevor die Nachfolge eintritt“, sagt Glauner. Nach seiner Beobachtung sehen gerade in größeren mittelständischen Unternehmen die Kinder ihre Zukunft oft nicht mehr so sehr in der operativen Führung, sondern eher in einer Gesellschafterrolle, oder wenn doch, dann zumindest mit einem externen Manager als Co-Geschäftsführer. „Das ist ein Trend, der jenseits der Demografie erkennbar ist“, meint der Experte. Eine frühe Thematisierung der Nachfolge ist auch wichtig, um jungen Menschen in der eigenen Familie eine klare Perspektive zu bieten. „Die nächste Generation ist oft selbstbewusst und hervorragend ausgebildet. Sie will Perspektive und Klarheit und fordert diese auch frühzeitig ein. Bei einem Arbeitnehmerarbeitsmarkt stehen der nächsten Generation alle Türen offen und es kommen spannende Angebote, sodass oft eine frühzeitige Entscheidung benötigt wird“, sagt Rodenstock.

Fließende Übergabe erfolgreich vollzogen

Alexander Drusio; Foto: © Dr. med. Christine Schrammek Kosmetik

Alexander Drusio wollte immer schon Unternehmer sein. Mit 16 gründete er seine erste Firma. Etwas mit Digitaltechnik, wie er sagt. Nach dem BWL-Studium arbeitete er in Berlin beim Start-up-Investor Rocket Internet. Vor zehn Jahren stieg er dann in das Unternehmen seiner Mutter ein, Dr. med. Christine Schrammek Kosmetik in Düsseldorf. Vor drei Jahren kam seine Schwester dazu, nachdem sie ihren Facharzt in Dermatologie gemacht hatte. Heute führen die Geschwister – sie sind beide in den 30ern – das Unternehmen in der dritten Generation gemeinsam. Vorgezeichnet war dieser Weg nicht unbedingt. „Die Eltern haben irgendwann gefragt, ob wir uns die Nachfolge vorstellen können. Aber wenn wir das nicht wollten, wäre das auch in Ordnung. Dann müsste man eben einen Nachfolgeprozess anstoßen“, sagt Drusio. Operativ verlief die Übergabe fließend. Zuerst arbeitete Drusio mit seiner Mutter zusammen. Mit dem Einstieg der Schwester zog sich die Mutter nach und nach zurück. Sie hält aber unverändert die Mehrheit der Anteile. Mit Eintritt in die Geschäftsführung übertrug der Vater einen Teil seiner Anteile auf die beiden Kinder. In den gut zehn Jahren, die Drusio an der Spitze des Kosmetikherstellers steht, hat sich das Unternehmen verändert, ist größer, komplexer und vor allem internationaler geworden.

„Zu Anfang hat wenig meine Handschrift getragen. Dann habe ich weitere Leute eingestellt und mir ein Team aufgebaut, mit dem ich meine Ideen umsetzen konnte“, erzählt er. Mit der Zeit habe er begonnen, sich immer stärker mit dem Unternehmen zu identifizieren. „Die Identifikation ist wichtig, damit ich auch langfristig 100% geben kann – und nicht nur in Fußstapfen trete und manage, sondern auch ein Stück Unternehmensgeschichte schreibe.“ Mit seinem Sohn will er es einmal genauso halten wie seine Eltern. Wenn er die Nachfolge übernehmen möchte – gerne. „Aber wenn jemand keine Lust auf das Geschäft hat, sollte er es nicht machen, denn dann wäre es für ihn und das Unternehmen eine Lose-
lose-Situation.“

Man muss loslassen können

Es ist naturgemäß schwierig, über Unternehmer zu berichten, die händeringend eine Nachfolge suchen und keine finden. Wer will schon öffentlich machen, dass sein Unternehmen offenbar niemand haben will. Aber in den Unternehmernetzwerken kennt fast jeder ein solches Beispiel. Da ist etwa der Unternehmer, der seinen Sohn für die Nachfolge gewonnen hat. Sie vereinbaren eine fließende Übergabe – doch dazu kommt es nicht, weil der Vater nicht loslassen und der Sohn sich nicht durchsetzen kann. Nach ein paar Jahren verlässt er das Unternehmen und der Vater steht wieder allein da. Oder ein anderer Unternehmer, der sich aus der operativen Führung in den Beirat zurückzieht und nach einiger Zeit von seiner Tochter neue Berichtspflichten und die alten strategischen Richtlinien einfordert. Auch diese Tochter geht. „Bei Familienunternehmen besteht die Gefahr einer ungünstigen Konstanz. Es gibt verkrustete Strukturen. Ein Generationenwechsel bietet die Möglichkeit, diese aufzubrechen und eine langfristige Resilienz zu erreichen“, sagt Glauner.

Foto: Katrin Eissler; Foto: © Neuner

Das war bei der Spedition Neuner aus Mittenwald der Fall. Seit 2015 führt mit Katrin Eissler eine der beiden Töchter das Unternehmen mit 50 Mitarbeitern und Standorten in Deutschland und Österreich. Die Eltern übergaben ihre Anteile mehrheitlich an sie und zu einem Minderheitsanteil an ihren Ehemann, der das Finanzwesen leitet, und zogen sich komplett zurück. „Das war unbedingt nötig, denn sonst hätten die Eltern gebremst und es wäre zu einer Konfrontation gekommen“, sagt Eissler. „Die Generation, die übergibt, muss loslassen und den Kindern Vertrauen schenken“, ist sie überzeugt.

Katharina König; Foto: © Spinner

Das kann auch Katharina König, Geschäftsführerin des Elektrotechnikunternehmens Spinner, voll und ganz unterschreiben. „Beim Abgeben steht vielen ihre eigene Persönlichkeit im Weg – das ist das größte Problem“, findet sie, auch wenn sie das am eigenen Leib nicht erfahren musste. Sie ist sozusagen in die Unternehmensführung hineingewachsen und hat das Unternehmen später eine Zeit lang zusammen mit ihrer Mutter geführt. „Wir haben immer auf Augenhöhe miteinander diskutiert, aber so, wie es bei uns gelaufen ist, ist das nicht selbstverständlich“, sagt König. Vier Jahre bevor sich die Mutter 2018 in den Aufsichtsrat zurückzog, übertrug sie ihrer Tochter 75% der Firmenanteile, aus steuerlichen Gründen mit der Verpflichtung, den Betrieb mindestens sieben Jahre fortzuführen.

Damoklesschwert Erbschaftsteuer

Die Höhe der Erbschaft- oder Schenkungsteuer – beide werden vom Gesetzgeber gleich behandelt – ist für viele Unternehmen in Nachfolgesituationen ein Problem. In der oben zitierten ifo-Studie gaben 61% der befragten Familienunternehmen an, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuer für sie eine starke oder sehr starke Belastung darstellen. Für 40% sind diese Steuern weit belastender als etwa die Einkommen- oder die Gewerbe- beziehungsweise Körperschaftsteuer. Dabei machen bei der Beurteilung der Erbschaftsteuer weder die Größe noch die Branchenzugehörigkeit der Familienunternehmen einen Unterschied. Dieses Ergebnis unterstreicht auch eine aktuelle Studie der Stiftung Familienunternehmen zu Deutschlands nächster Unternehmergeneration. Demnach ist für 75% der sogenannten NextGens die hohe Erbschaftsteuer eine zentrale Herausforderung für die Weiterführung des Familienunternehmens. „Das Erb- und Familienrecht hat sich verändert. Der Gesetzgeber gibt heute ganz andere Normen vor, etwa bei Abfindungsansprüchen von scheidenden Gesellschaftern. Nicht jeder kann diese Ansprüche finanziell darstellen“, sagt Heidbreder. „Die Erbschaft- oder Schenkungsteuer kann eine erhebliche Gefährdung für ein Unternehmen darstellen, denn sie bedeutet einen schnellen Liquiditätsentzug“, weiß Dr. Christian Steger, Rechtsanwalt und Steuerberater bei EY. Tatsächlich sehe das Gesetz in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen Steuerermäßigungen oder gar -befreiungen für Unternehmen vor, aber die Regelungen seien sehr komplex und die Handhabung durch die Finanzverwaltung ebenso.

Auf jeden Fall rät Steger dazu, frühzeitig einen strukturierten Prozess aufzusetzen und dafür reichlich Zeit einzuplanen. „Wenn das Steuerkonzept nicht stimmt, ist die Nachfolge in den meisten Fällen schlicht zum Scheitern verurteilt“, sagt er. Nicht selten sieht er aber, dass neben dem Steuerrecht auch viele rechtliche Hürden bestehen – etwa bei der Abfindung anderer Familienmitglieder, die nicht Gesellschafter des Unternehmens werden oder als Gesellschafter ausscheiden wollen. Wenn aber der Nachfolger nicht genug Mittel dafür beschaffen kann, mag mitunter Private Equity ins Spiel kommen. „Beteiligungskapital kann eine wichtige Rolle spielen. Der Wagniskapitalgeber kann, auch wenn er in einer Minderheit ist, die nötigen Mittel für Abfindungen bereitstellen“, sagt Hüther.

Manchen bleibt nur die vorzeitige Schließung

Was also soll ein Unternehmer tun, wenn er sich zwar beizeiten um eine Nachfolge bemüht, wenn er auch loszulassen bereit ist, aber trotzdem keine Lösung findet? Wie dramatisch die Lage vor allem bei kleineren Unternehmen ist, zeigt der jüngste „Report Unternehmensnachfolge 2023“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHT): Rund ein Viertel der Unternehmer, die bei den Industrie- und Handelskammern (IHKs) um Rat in dieser Frage vorstellig geworden sind, erwägt die vorzeitige Betriebsschließung. Dem Report zufolge gibt es in den Nachfolgeberatungen etwa drei Mal so viele Angebote wie Übernahmeinteressenten. Nicht einmal halb so viele potenzielle Nachfolger wie vor der Coronapandemie erkundigen sich bei ihrer IHK nach geeigneten Betrieben. „Immer mehr Unternehmen – gerade kleinere und mittlere – verschwinden so und hinterlassen Lücken in Wirtschaft und Gesellschaft“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian bei der Vorstellung des Reports im vorigen Dezember.

Es ist ein doppeltes Dilemma: Auf der einen Seite planen viele Unternehmen angesichts der aktuellen Unsicherheiten den Rückzug ins Private, weil sie nicht mehr genug Kraft haben, ihr Unternehmen durch noch weitere Krisen zu führen. Auf der anderen Seite ist es aber gerade diese Unsicherheit, die viele potenzielle Nachfolger abschreckt – denn die Probleme sind nicht kleiner geworden.

Da helfen auch Search Funds nicht unbedingt weiter. Das in den USA vor Jahrzehnten entwickelte, aber in Europa noch relativ neue Konstrukt funktioniert so: Junge Menschen, die Unternehmer werden, aber kein eigenes Unternehmen gründen wollen, suchen sich ein Zielobjekt. Dieses kaufen sie mit dem Geld eines von ihnen aufgelegten Fonds. Gegenwärtig ist es jedoch noch so, dass sich die angehenden Unternehmer Hunderte Unternehmen ansehen, bevor sie zugreifen. Auch gibt es erst sehr wenige Search Funds und entsprechend keine Statistiken über sie. Drusio findet Search Funds aber sehr vernünftig. „Es ist auf jeden Fall gut, wenn Leute, die unternehmerisch arbeiten möchten, und gute Unternehmen sich zusammenfinden.“

FAZIT

Die Unternehmensübergabe wird schwieriger. Aber Unternehmen und Unternehmer werden auch flexibler und passen sich an. Frühere No-Gos sind auf einmal Optionen, etwa der Verkauf an Private Equity, Wettbewerber oder auch die Installierung eines Fremdmanagements. Viele Unternehmer lernen zudem, dass sie ihr Verhalten ändern müssen, wenn es innerhalb der Familie zu einer erfolgreichen Nachfolge kommen soll. Und natürlich gibt es immer noch zahlreiche Familienunternehmen, denen die Übergabe des Staffelstabs von der einen auf die nächste Generation gelingt.

Dieser Beitrag ist in der Magazinausgabe 1/2024 mit Schwerpunkt Unternehmensnachfolge erschienen. Zur Ausgabe geht es hier: Unternehmeredition-1-2024-Unternehmensnachfolge


“Man muss früh das Interesse am Unternehmertum wecken”

Interview mit Maren Lorth, Gründerin und Inhaberin, Mi[de] – Mittelstand denken

Unternehmeredition: Deutschland drohen die jungen Unternehmer auszugehen. Was kann man dagegen tun?

Foto: © Mi[de] – Mittelstand denken

Maren Lorth: Um dem drohenden Mangel an jungen Unternehmern entgegenzuwirken, ist es entscheidend, bereits frühzeitig bei den nachfolgenden Generationen das Interesse am Unternehmertum zu wecken. Während Kinder aus Unternehmerfamilien mit dem Berufsbild des Unternehmers vertraut sind, kennen andere Kinder diesen Beruf in der Regel nicht. Das führt dazu, dass er bei der Nennung von Berufswünschen gar nicht vorkommt. Um dies zu ändern, muss das Unternehmertum schon in der Kindheit im Alltag präsent sein, sei es in Kinderbüchern, auf Spielplätzen oder im Schulunterricht, ähnlich wie die Berufe des Lehrers, Arztes oder Bäckers.

Kann man das Unternehmersein lernen?

Viele der erforderlichen Fähigkeiten können an Hochschulen erworben werden. Dennoch ist es entscheidend, bereits frühzeitig die nötigen Fertigkeiten und Informationen zu vermitteln, um das Interesse zu wecken. Idealerweise sollten Schulen Programme, Praktika und Workshops anbieten, in denen Unternehmer über ihren Alltag berichten und neben den Herausforderungen vor allem auch die Möglichkeiten dieses Berufsfelds aufzeigen oder in denen sich junge Menschen selbst als Unternehmer ausprobieren können. In nur ganz wenigen Schulen wird Unternehmertum als Thema in den Lehrplan integriert; und wenn dann erst in den weiterführenden Schulen. Deshalb ist es kein Wunder, dass Deutschland im aktuellen Global Entrepreneurship Monitor in puncto unternehmerische Bildung an Schulen auf Platz 36 von 54 untersuchten Nationen liegt.

Gibt es ein Imageproblem?

In gewisser Weise, ja. Es herrscht oft die Auffassung, dass eine Karriere in einem Konzern höher angesehen wird als die Gründung oder Übernahme eines eigenen Unternehmens. Dies impliziert eine geringere Wertschätzung für Unternehmer. Hinzu kommen die ausgeprägte Risikoaversion in Deutschland sowie der Wunsch nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Diese Einstellungen stehen im Kontrast zu dem Bild eines Unternehmerlebens mit seinen hohen Anforderungen an Verantwortung gegenüber dem eigenen Unternehmen und den Mitarbeitern, die das Unternehmertum mit sich bringt.

Liebe Maren Lorth, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Bärbel Brockmann.
Autorenprofil
Bärbel Brockmann

Bärbel Brockmann ist eine freie Wirtschaftsjournalistin, die schwerpunktmäßig über Finanz-, Energie- und Immobilienthemen schreibt. Die frühere Leiterin des Düsseldorfer Korrenspondentenbüros der Nachrichtenagentur Reuters begann ihre berufliche Karriere bei einer großen Regionalzeitung.

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