Das Statistische Bundesamt (Destatis) meldete für Juli 2022 erneut einen leichten Rückgang der Unternehmensinsolvenzen. Nach vorläufigen Angaben sinken die Zahlen für den Monat September 2022 um 20,6% gegenüber dem Vormonat. Die Zahlen überraschen, denn die jüngst vom IWH gemeldeten Zahlen wiesen einen Zuwachs von 34% im Vergleich zum Vorjahr aus. Betrachtet man aber den Anstieg vor dem Hintergrund der langjährigen Entwicklung der Insolvenzzahlen, zeigt sich nach Ansicht des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) eher eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens als die oft befürchtete Welle. „Die Aussicht auf weitere Staatshilfen hat in der aktuellen Situation sicher dazu beigetragen, dass mancher Antrag nicht gestellt wurde“, sagt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des VID. „Wenn man im langjährigen Vergleich auf die Zahlen schaut, sieht man, dass wir selbst mit dem aktuellen Anstieg noch lange nicht an die ohnehin niedrigen Insolvenzzahlen des Jahres 2019 heranreichen“, so der VID-Vorsitzende weiter.
Zahlen immer noch deutlich unter dem Durchschnitt
Lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2019 noch bei 18.749, befand sie sich im Jahr 2021 nur noch bei 13.993 – so prognostiziert selbst das IWH in seiner jüngsten Pressemitteilung in diesem Jahr ein Niveau der Zahlen von vor der Pandemie. „Ein deutliches Zeichen, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sich zurzeit allenfalls in Richtung einer Normalisierung bewegen“, meint Niering. Die Insolvenzgründe sind laut dem VID-Chef derzeit vielfältig: Neben den gestörten Lieferketten stehen die Unternehmen vor weiteren Hürden wie Energiepreissteigerungen und Rohstoffmangel infolge des Ukrainekrieges, inflationsbedingten Preissteigerungen, gestiegenen Zinsen und dem immer deutlicher werdenden Arbeitskräftemangel. Der derzeitige Anstieg der Insolvenzzahlen führe nicht zu massenhafter Arbeitslosigkeit. Vielmehr würden die vom insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer aktuell innerhalb kürzester Zeit eine neue Tätigkeit finden.
Lockerungen im Insolvenzrecht beschlossen
Der Bundestag hat eine Änderung im Sanierungs- und Insolvenzrecht beschlossen. Im Zuge des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung gilt nun ein Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung von vier Monaten und ein Planungszeitraum für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen von ebenfalls vier Monaten. Zudem wurde die Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung von sechs auf acht Wochen hochgesetzt. Die Regelungen gelten bis zum 31. Dezember 2023. Damit soll erreicht werden, dass Unternehmen nicht wegen dieser allgemeinen, alle Marktteilnehmer treffenden Unsicherheiten in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden. Dies gelte in erster Linie für die Entwicklung der Energiepreise. Die Verhältnisse und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten belasten die finanzielle Situation von Unternehmen im Moment sehr.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.