In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels sind Unternehmenszukäufe auch im Mittelstand eine vielversprechende Möglichkeit, auf einen Schlag gut eingespielte und fachlich qualifizierte Teams zu gewinnen. Die Auswahl geeigneter Targets erfordert jedoch Know-how, Fingerspitzengefühl und neben einer sorgfältigen Vorbereitung auch eine klare Strategie. Wie also sieht der ideale Fahrplan für einen Zukauf aus und wie können Fallstricke vermieden werden?
Die deutsche Wirtschaft steht vor einer der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte: dem Fachkräftemangel. Die Knappheit qualifizierter Arbeitskräfte hat sich in den letzten Jahren nicht nur verschärft, sondern belastet auch zunehmend die wirtschaftliche Entwicklung. Gelingt es Unternehmen nicht, Mitarbeiter mit den erforderlichen Qualifikationen zu rekrutieren und zu allokieren, drohen negative Auswirkungen auf die operative Unternehmensleistung und das Wachstum. Bereits jetzt sorgt Mehrarbeit bei der vorhandenen Belegschaft vielerorts für Frustrationen; im schlimmsten Fall müssen Aufträge aufgrund fehlender Kapazitäten abgelehnt werden.
Gerade in mittelständischen Unternehmen verschärft sich in dieser Situation die Mitarbeitersuche: Häufig sind beispielsweise erfolgreiche Familienunternehmen auch in ländlichen Bereichen angesiedelt und gehen bereits seit vielen Jahren kreative „Extrameilen“ im Recruiting, um für ihre Standorte zu begeistern. Auf sie kommt in Sachen Mitarbeitersuche nun erheblicher Mehraufwand zu. Sie müssen nach innovativen Lösungen suchen, um die personellen Lücken zu schließen. Der Zukauf (kleinerer) Unternehmen mit eingespielten Teams ist eine Möglichkeit, Know-how in die eigene Organisation zu transferieren.
Unternehmenszukäufe: Potenziale nutzen, Risiken minimieren
Über Zukäufe können Mittelständler proaktiv neue Wege der Wertschöpfung und Unternehmensgestaltung einschlagen. Potenzielle Targets finden sich häufig im Distressed-Umfeld: Diese Unternehmen sind zwar in eine finanzielle Krise geraten, verfügen jedoch über qualifizierte, sofort einsatzbereite Teams – und sind vor oder nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens direkt verfügbare Transaktionskandidaten. So können im Rahmen eines Assetdeals die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter automatisch an den Käufer übertragen werden, sofern die Arbeitnehmer nicht widersprechen.
Doch der Kauf eines insolventen Unternehmens zur Übernahme von Fachkräften birgt neben den bekannten finanziellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken auch operative und Reputationsrisiken, die den eigentlichen Plan der Know-how-Integration vereiteln können:
- Kulturkonflikte: Die Unternehmenskultur des Zielunternehmens kann sich stark von der des Käufers unterscheiden, was zu erheblichen Herausforderungen bei der Integration der Belegschaft führen kann.
- Verlust von Schlüsseltalenten: In der Krise könnten wichtige Mitarbeiter des Zielunternehmens dieses bereits verlassen oder diesen Schritt nach der Übernahme planen.
- Ungewollte Übernahmen: Bei der Akquisition werden nicht nur die Fachkräfte des Unternehmens übernommen, sondern auch andere Teile, die möglicherweise nicht benötigt werden. Dies kann zu steigenden Kosten und Komplexitäten führen.
- Reputationsverlust: Die Übernahme eines angeschlagenen Unternehmens kann das eigene Image und den Ruf beeinträchtigen, insbesondere wenn das Zielunternehmen stark in der Öffentlichkeit steht. In der Folge könnten Mitarbeiter in Schlüsselpositionen das Unternehmen verlassen.
- Ablenkung vom Kerngeschäft: Die Fokussierung auf die Integration und Restrukturierung des Zielunternehmens kann das übernehmende Unternehmen von seinem Kerngeschäft ablenken und somit dessen Gesamtperformance beeinträchtigen.
- Mangelnde Produktivität: Wenn die übernommenen Fachkräfte nicht richtig integriert werden oder sich nicht mit der neuen Umgebung identifizieren, kann dies einen Rückgang der Produktivität nach sich ziehen.
Eine sorgfältige Prüfung des Zielunternehmens mittels Due Diligence ist also unerlässlich, um Vorteile der Fachkräfteübernahme zu maximieren.
Due Diligence mit Mitarbeiterfokus
Klar ist: Die Akquisition kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Mitarbeiter in Schlüsselpositionen nach der Übernahme auch gehalten werden können. Dies erfordert einen klaren Plan des Käufers, wie diese Fachkräfte im Unternehmen integriert und langfristig gebunden werden können.
Darum sollte die Due Diligence nicht nur die finanzielle Stabilität, sondern auch die kulturelle Passung und die Zufriedenheit der Mitarbeiter unter die Lupe zu nehmen. Sie sollte genutzt werden, um den Fachkräften des Zielunternehmens einen klaren Plan für die Zeit nach der Akquisition zu präsentieren und Vertrauen zu schaffen – nur ein harmonisch integriertes Team kann langfristig erfolgreich arbeiten. Drohende Kulturkonflikte und Fachkräfteverluste können mit den richtigen Analysen und Methoden bereits während der Due Diligence ausgeräumt, Kulturunterschiede zunächst mit einfachen Vergleichstools erfasst und in tiefergehenden Gesprächen sowie Analysen dargestellt werden. Eine gründliche Analyse der Arbeitsabläufe im Zielunternehmen dient sowohl der Identifikation von Fachkräften in Schlüsselpositionen als auch dazu, möglichen Produktivitätsverlusten während der Integrationsphase vorwegzugreifen. Mentoring und Schulungsprogramme können helfen, den Austausch zwischen den Teams bereits während der Due Diligence effektiv zu gestalten.
Post Merger Integration – sorgfältige Planung ist wichtig
Nach dem Abschluss des Zukaufs beginnt die entscheidende Phase: Während der Post Merger Integration können erhebliche Reibungsverluste auftreten, wenn die Eingliederung in das Unternehmen nicht sorgfältig geplant wurde. Ein detaillierter Integrationsplan, kulturell und operativ, ist unerlässlich, um alte und neue Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen zu binden. Genauso wichtig ist eine schnelle und transparente Kommunikation in Richtung Mitarbeiter, um Unsicherheiten zu vermeiden. Die „Verheiratung“ der unterschiedlichen Unternehmenskulturen ist mit Sicherheit eine der größten Heraufforderungen und gleichzeitig die wichtigste „Erfolgsgarantie“ für einen Integrationsprozess.
Je schneller eine Integration abgeschlossen wird, desto eher kann das Unternehmen von den daraus resultierenden Vorteilen, wie Stärkung des Corporate Know-how und der strategischen Position im Wettbewerb sowie Verbesserung der Unternehmenskultur und Mitarbeiterzufriedenheit, profitieren und sich wieder auf seine operativen Aufgaben konzentrieren. Klar definierte Synergieziele sind von großer Bedeutung und erfordern Verantwortliche, die deren Umsetzung sicherstellen. Neben der Integration neuer Teams dürfen auch Investitionen in die Mitarbeiterentwicklung und Maßnahmen zur Bindung der bestehenden Belegschaft nicht vergessen werden.
FAZIT
Unternehmenszukäufe bieten eine vielversprechende Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen und zur Fachkräftesicherung beizutragen, erfordern jedoch eine sorgfältige Auswahl des Zielunternehmens, strategische Planung sowie eine schnelle und effiziente Integration. Langfristig sollten mittelständische Unternehmen den Zukauf als Teil einer umfassenden Strategie zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit sehen.
👉 Dieser Beitrag ist erschienen in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024
Dr. jur. Hubertus Bartelheimer
Dr. jur. Hubertus Bartelheimer ist Mitglied der Geschäftsleitung der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und in der Restrukturierung und Sanierung von mittelständischen Unternehmen sowie im Corporate Finance Consulting mit Schwerpunkt Distressed M&A bundesweit tätig.