„Unser Ziel ist es, im Industriegeschäft Weltmarktführer zu werden“

Unternehmeredition: Herr Jansen, wie ist die aktuelle Geschäftsentwicklung? Wie verteilt sich der Umsatz auf das Industrie- und Endverbraucher-Geschäft?


Jansen:
2010 haben wir einen Umsatz in Höhe von 611 Mio. EUR erzielt. Auch 2011 werden wir gegenüber dem Vorjahr wieder etwas zulegen. Leicht negative Effekte auf das Ergebnis wird die eklatante Verteuerung unseres wichtigen Rohstoffs Zucker haben. Unser stärkster Umsatztreiber ist die Industriesparte, die etwa 2/3 unserer Erlöse ausmacht. 1/3 des Umsatzes erwirtschaften wir mit unseren eigenen Produkten für den Endverbraucher wie Konfitüren und Süsswaren der Marke Zentis. Der Schwerpunkt unseres Industriegeschäfts liegt im Molkerei-Bereich. Als Zulieferer der milchverarbeitenden Industrie sind wir in Europa Marktführer.

Unternehmeredition: Was genau macht das Industriegeschäft bei Zentis aus?
Jansen: Dabei geht es um Zubereitungen, die in verschiedenen Rezepturen Joghurt- oder Quarkspeisen zugesetzt werden. Zu unseren Kunden zählen führende Hersteller wie Danone, Ehrmann, Zott, Nordmilch oder Campina. Wir sind hier Vorreiter bei Innovationen. Die Arbeit unserer Entwicklungsabteilung hat Ausmaße, die sich durchaus mit pharmazeutischen Unternehmen messen kann. Wir arbeiten in enger Abstimmung mit den jeweiligen Molkereien feinsäuberlich spezielle Rezepturen aus, die ‚unique‘ sind, und ausschließlich für diesen Kunden gelten. So sind die Grundstoffe bei allen Zubereitungen immer Frucht und Zucker. Die Unterschiede ergeben sich dann aus Kalibrierung und Herkunft der Früchte, dem gewünschten Fruchtanteil, der Stückigkeit, dem Zuckergehalt, Süsse-Säure Spektrum und vielem mehr.

Unternehmeredition: Ihr Unternehmen ist international breit aufgestellt und beliefert alle wichtigen Märkte in Europa, Asien, Amerika, Australien und Ozeanien mit speziellen Fruchtzubereitungen für die weiterverarbeitende Industrie. Welche Internationalisierungsstrategie verfolgen Sie bisher und was waren die wichtigsten Meilensteine?
Jansen: Die globale Expansion war und ist für uns von zentraler Bedeutung. Unsere Exportquote ist seit den 1990ern von 15% auf heute 40% gestiegen. Die Internationalisierung betrifft ausschließlich unser Industriegeschäft, die Brotaufstriche und Süßwaren der Marke Zentis werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertrieben. Den Aufbau eigener Produktionsstätten im Ausland haben wir 1997 in Polen gestartet. Von dort aus beliefern wir auch Russland, Skandinavien und die baltischen Staaten. Als nächsten Schritt haben wir in Ungarn ein Produktionsunternehmen akquiriert, das den Balkan, aber auch den süddeutschen und österreichischen Raum bedient. Schließlich haben wir 2006 die Produktion in den USA in der Nähe von Chicago begonnen. Wir sind von dem Erfolg in Nordamerika überrascht worden, ursprünglich waren vier Anlagen geplant, jetzt haben wir sechs. Für die Milch- und Joghurtindustrie sind die USA das, was China für die Automobilhersteller ist, also ein Land mit riesigem Potenzial. Das Produkt Joghurt ist zwar dort noch nicht so etabliert wie in Europa, aber das ist im Wandel. Außerdem beliefern wir dort auch die Backwaren- sowie die Eiscremeindustrie. Das Feld ist sehr groß, da ist mit Sicherheit noch Bewegung drin. Unser klares Ziel ist es, im Industriegeschäft Weltmarktführer zu werden und das geht nur über eine weitere Internationalisierung.

Unternehmeredition: Was sind für Sie die wichtigsten Unterschiede, bzw. die größten Herausforderungen bei der Expansion ins Ausland?
Jansen: Es ist entscheidend, sich an den unterschiedlichen Geschmack in den jeweiligen Ländern anzupassen. So sind etwa in Osteuropa die Aromen und Farben der Fruchtzubereitungen intensiver als bei uns. In Belgien und den arabischen Ländern mag man es süßer. Dagegen werden im Kerngeschäft Deutschland eher natürliche Aromen und natürliche Farbstoffe bevorzugt. Wir verfügen heute im Industriebereich über ca. 3.200 kundenspezifische Rezepturen. So bekommen internationale Kunden für den gleichen Artikel eine eigene Rezeptur für Spanien, Frankreich oder England. Die Herausforderungen liegen in den unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen, den Mentalitäten, den eigenen Wertvorstellungen und Arbeitswelten. Das Verständnis der Bevölkerung vor Ort ist zentral.

Unternehmeredition: Wo sehen Sie für Zentis die wichtigsten Zukunftsmärkte?
Jansen:
Das größte Potenzial sehen wir weiterhin in Nordamerika, aber auch in Südamerika, insbesondere in Brasilien und Argentinien. In Familienunternehmen muss man solche Aktivitäten Stück für Stück aufbauen und darf nichts überstürzen. Aufgrund der Laktose-Empfindlichkeit der Bevölkerung sind Afrika und Asien für uns aktuell schwierige Märkte. Es gibt viele Völker, die den Milchzucker nicht gewohnt sind, nicht verarbeiten können und sogar allergisch darauf reagieren. Darüber hinaus gilt Joghurt in China als „verdorbene Milch“. Der chinesische Markt wird kommen, aber er braucht noch Zeit. In Indien fehlt es noch an den erforderlichen Strukturen in der Milchwirtschaft. Als Zulieferer müssen wir auch darauf warten, bis die milchverarbeitende Industrie diese Märkte erschließt. Australien könnte für uns eine Perspektive bieten, als Ausgangspunkt für Asien. Darüber denken wir nach.

Unternehmeredition: Wie wichtig ist es, die Unabhängigkeit und den Charakter des Familienunternehmens zu bewahren? Was bedeutet es für Sie, mit an der Spitze eines Familienunternehmens zu stehen?
Jansen: Zentis ist nach wie vor zu 100% ein Familienunternehmen, die Familie identifiziert sich hochgradig mit dem Unternehmen, und daran wird sich so schnell nichts ändern. Seit 1997 besteht im Unternehmen eine klare Trennung von Management und Kapital. Das Management besteht aus Personen die nicht mehr aus der Gesellschafterfamilie kommen. Dem Beirat gehören neben Mitgliedern aus der Familie auch familienfremde Mitglieder an. Die Expertise von außen ist uns sehr wichtig. Man steht auch als Geschäftsführer im Austausch mit den Gesellschaftern. Obwohl sich die Familie stark aus dem operativen Geschäft zurückhält, ist deren Präsenz dennoch spürbar. Anders als bei Aktionären stehe ich der Familie gegenüber persönlich in der Verantwortung. Ich empfinde das klar als Vorteil. Wir sind nicht vom Kapitalmarkt getrieben, was nicht heißen soll, dass wir nicht auf eine angemessene Rendite achten.

Unternehmeredition: Welche Finanzierungsstrategie verfolgen Sie?
Jansen: Wir verfügen aufgrund unserer Familiengesellschafter und unserer Gewinne über eine gewisse Finanzierungskraft. Unsere EK-Quote beträgt 50%. Das bringt Stabilität. So wurde die Firma auch von der Finanzkrise 2008/09 nicht stark tangiert. Wir arbeiten in unserem Tagesgeschäft mit einem festen Bankenkreis sehr partnerschaftlich zusammen. Unsere Investitionen konnten wir bisher aus dem Cash-flow finanzieren. Natürlich denken wir auch über alternative Finanzierungsformen nach, aber bisher gab es keine Notwendigkeit dafür. Wir könnten ohne Probleme Anleihen auflegen, Experten und Anleger haben uns ganz klar als qualifiziert eingestuft. Wir würden es tun, wenn das eigene Geld für eine große Investition nicht mehr ausreicht, etwa für die Erschließung neuer Standorte oder Akquisitionen. Aber bisher konnten wir alles aus eigener Kraft stemmen. Für die Zukunft möchten wir es aber nicht ausschließen.

Unternehmeredition: Herr Jansen, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Stephan Jansen
Stephan Jansen ist seit 2007 einer von drei Geschäftsführern der Zentis GmbH & Co. KG (www.zentis.de) und verantwortet u.a. die Bereiche Finanzen, Controlling, IT und Organisation. Sein Ziel ist es, die internationale Ausrichtung des Familienunternehmens konsequent weiter auszubauen und neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Autorenprofil

Markus Hofelich ist Gastautor.

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