In einer Welt im Umbruch geraten klassische Rezepte der Vermögensanlage zunehmend unter Druck. Das dachten sich auch vier junge Gründer, als sie Ende 2020 ihre eigene Fondsboutique Anytime Invest gründeten. Neben dem eigenen Fonds bietet das Unternehmen auch Anlageberatung an. Wir sprachen mit einem der Gründer.
Unternehmeredition: Was hat euch bewogen, sich 2020 mit einer eigenen Vermögensberatung selbstständig zu machen?
Thomas Meyer: Bei mir war es der eigene Bedarf nach einer Geldanlage, die die Frage nach dem richtigen Timing überflüssig(er) macht. Man hat etwas auf der hohen Kante und möchte es eigentlich zügig sinnvoll investieren, aber zögert, weil man denkt, die Bewertungen seien zu hoch, der nächste Crash kommt bestimmt bald… Durch derartiges Spekulieren verpasst man aber schnell etwas – „Time in the Market beats Timing the Market“.
Außerdem war da noch die Frage, wie sich möglichst rentierlich investieren lässt, wenn in wenigen Jahren Eigenkapital, zum Beispiel für einen Immobilienerwerb, benötigt wird. Mein Bruder und Mitgesellschafter Andreas hat durch seine jahrelange Tätigkeit als leitender Portfoliomanager einer Vermögensverwaltung viel Expertise aufgebaut und konnte mir sehr weiterhelfen. Als Corona kam, und wir beobachtet haben, wie viele Menschen Anlageentscheidungen rein aus dem Bauch heraus trafen, ist uns der Wert systematischer, rechtzeitiger Planung für eine zeitlos funktionierende Geldanlage bewusst geworden. Das wollten wir weitergeben und haben dafür ein Team aufgestellt.
Euer Firmenname ist „Anytime Invest“. Wie gelingt es euch, Timing-Aspekte bei der Anlagestrategie in den Hintergrund zu drängen?
Wir achten besonders darauf, wie Portfolio-Bausteine miteinander korrelieren: Viele versuchen ihr Portfolio nach einer Art „Best-of“-Ansatz zusammenzustellen. Damit kauft man sich in der Regel gleichgerichtete Wertverläufe ein. Wir suchen Anlagen nach dem „Best-fit“-Ansatz aus, die sich also möglichst unabhängig voneinander entwickeln, bisweilen Anti-Korrelation vorweisen, und die sich in der Kombination gut ergänzen, so dass ein stabiles Team daraus wird – eine Allwetterlösung also. Besonders der Wert richtig gewichteter gegenläufiger Portfolio-Bausteine für den Vermögensaufbau und -erhalt wird vielfach unterschätzt. In unserem „Gewinnretter“-Musterportfolio kann man diesen Wert gut nachvollziehen.
Grundsätze wie „Kaufen und schlafen gehen“ oder „Kaufe billig, verkaufe teuer“ haben für euch keine große Bedeutung?
Buy and hold ist nur sinnvoll, wenn man erstens eine psychische Prädisposition hat, die einen auch bei 50% zwischenzeitlichem Wertverlust ruhig schlafen lässt. Und zweitens, wenn man seine Anlage mindestens 15 Jahre, besser 20-30 Jahre ruhen lassen kann. Wer beispielsweise plant, in fünf Jahren ein Haus zu kaufen, eine größere Investition zu tätigen oder sich der Entsparphase nähert, kann sich Buy and hold nicht erlauben.
„Kaufe billig, verkaufe teuer“ funktioniert langfristig am besten, indem man regelmäßig „rebalanced“, was wir sehr aktiv für unsere Anleger tun. „Do-it-yourself“-Anleger können davon natürlich ebenfalls profitieren. Es zeigt sich aber immer wieder, dass das nur erfahrenen Anlegern mit Nerven aus Stahl gelingt, denn es bedeutet die Verlierer zu kaufen und die Gewinner zu verkaufen – das macht fast niemand gerne und die wenigsten bringen die notwendige Disziplin dazu auf.
Ihr seid ein relativ junges Team, wie wollt ihr gegenüber etablierten Vermögensberatungen bestehen?
Wir sehen genau das als unseren Vorteil an. Die Welt befindet sich in einer Phase des Umbruchs, ja einer Zeitenwende. Aufgrund absehbarer Entwicklungen – dem demografischen Wandel, dem Zerfallen der globalen Wirtschaftsordnung in Blöcke, dem Klimawandel – wäre es naiv davon auszugehen, dass die prägenden Rahmenbedingungen der Ära des säkularen Wachstums, der Globalisierung, und der relativen klimatischen Stabilität einfach fortbestehen. Nichtsdestotrotz scheinen viele da draußen noch nicht verstanden zu haben, dass die vergangenen 40 Jahre nicht die Normalität, sondern historisch besonders günstig für Investoren waren. Das ist zwar verständlich – Stichwort „recency bias“. Wer aber die Rezepte der vergangenen Jahrzehnte auf die Zukunft anwendet, dem drohen unserer Ansicht nach erhebliche Vermögensverluste.
Es geht im heutigen Umfeld nicht mehr darum, noch ein Quäntchen Extra-Rendite rauszuquetschen, sondern Vermögen so robust aufzustellen, dass man sie auch gut durch einen Umbruch und ein neues Marktumfeld gesteuert bekommt. Die Zeitenwenden in den vergangenen 100 Jahren hatten jedenfalls gravierende Auswirkungen auf die Vermögensanlage – halten aber auch wertvolle Lehren bereit. Wer aus diesen die richtigen Schlüsse zieht, der steigert seine Chancen auf einen erfolgreichen Vermögenserhalt beim Übergang in eine neue Ära ungemein. Wir entwickeln ohne Ballast Rezepte für die Zukunft.
Ihr habt auch einen eigenen Fonds aufgelegt – gibt es nicht schon genug Fonds auf dem Markt?
ETFs für kostengünstiges, passives Investieren am Markt – sicher. Aktiv gemanagte Fonds versuchen dagegen meist eine Überrendite zu erzielen, was den allerwenigsten dauerhaft gelingt. Wir wollten dagegen ein Produkt schaffen, das „nur“ die durchschnittliche Aktienmarktrendite erzielt, dies aber mit weniger Wertschwankung. So wie es einmal klassische Mischfonds (Multi-Asset-Fonds) gewährleisten konnten – der Konter allein durch Anleihen funktioniert aber nicht mehr zuverlässig, wie zuletzt eindrücklich zu beobachten war. Das wird auch so bleiben. Dadurch ist bei der Diversifikation eine Lücke entstanden, die wir mit unserem Fonds adressieren.
Wie ist euer Fonds zusammengesetzt und was ist das Besondere an eurem Fondsansatz?
Wir haben ein 2-in-1 Produkt geschaffen, das im Kern aus global diversifizierten Aktien und kurzlaufenden Staatsanleihen besteht – so weit so simpel. Um eine wahrhaft wetterfeste Vermögensanlage zu ermöglichen, ergänzen wir die Diversifikation auf Asset-Ebene durch eine aktive Sicherungsstrategie, die wir mittels Futures auf Aktienindizes umsetzen. Der Clue ist die rein systematische Verzahnung von Trendfolge- und Mean-Reversion-Strategien zu einem auf Robustheit getrimmten Ganzen, das in Abschwungphasen den Wertverlust im Kern ausgleichen soll. So soll ohne langfristige Renditenachteile, die bei einer reinen Diversifikation über Anleihen heute zu erwarten ist, Stabilität ins Portfolio gebracht werden. Ein „Multi-Strategy-Fonds“, wie wir ihn geschaffen haben, ist auf dem deutschen Markt noch eine echte Seltenheit, in den USA sind derartige Ansätze hingegen schon verbreiteter.
Was macht euch sicher, dass Ihr euch als Newcomer gegen etablierte Fondsanbieter werdet durchsetzen können?
Eben weil wir ein Newcomer sind. Wir haben kein Multi-Asset-Produktportfolio, das wir durch neue Produkte kannibalisieren würden. Wir können dadurch frei aufspielen: es wird etwas dauern, bis unser Ansatz Bekanntheit erlangt, aber dann haben wir einen Vorsprung. Zugleich sehen wir uns nicht zwangsläufig in Konkurrenz zu den Produkten großer Fondsanbieter, sondern als sinnvolle Ergänzung.
Wir danken für dieses interessante Gespräch.
Das Interview führte Eva Rathgeber.
ZUR PERSON
Thomas Meyer ist Mitgründer der Kölner Anytime Invest GmbH. Nach Etappen als Rechtsanwalt und Co-Founder bei einem Medien-Start-Up hat er als Legal Counsel bei Fraunhofer Venture in München zahlreiche Start-Ups von der Gründung bis zum Exit begleitet.
Dieser Beitrag ist in der Magazinausgabe 4/2023 der Unternehmeredition mit Schwerpunkt “Unternehmervermögen” erschienen. Zum E-Paper geht es hier.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.