Selten ist der Inhalt eines neuen Gesetzes so einfach zusammenzufassen wie bei der Reform des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz: Ab 1. Januar 2024 ist die Verwaltung sämtlicher alternativer Investmentfonds (AIFs) umsatzsteuerfrei. Mit Inkrafttreten der Neuregelung Anfang 2024 endet ein fast 20-jähriges „Umsatzsteuerdrama“ – Zeit für einen Rück- und Ausblick.
Die Befreiung gilt unabhängig von der Art der Regulierung des AIF oder seiner Verwaltungsgesellschaft und von der Assetklasse. Erfasst sind neben sämtlichen Private-Equity-(PE-)/Venture-Capital-(VC-)Fonds auch Kredit-, Immobilien- und Infrastruktur- sowie alle Dachfonds et cetera. Die Qualifikation der Anleger hat ebenfalls keine Relevanz für die Umsatzsteuerbefreiung. Die umsatzsteuerliche Situation wird damit an die Rechtslage in anderen EU-Mitgliedstaaten wie Luxemburg angeglichen und Wettbewerbsnachteile für den Fondsstandort Deutschland werden insoweit beseitigt.
Wirtschaftlich ist die Änderung weitgehend positiv: Durch den Wegfall der Umsatzsteuer entfällt eine bisherige Kostenposition deutscher AIF-Strukturen und es erhöht sich das investierbare Kapital – ein erheblicher Vorteil für den AIF, seine Anleger und die Verfügbarkeit von Wagniskapital.
Etwas komplexer ist die Lage aus Sicht der Fondsmanagementgesellschaften: Sie dürften in der Regel ihren Vorsteuerabzug verlieren, was nachteilhaft sein kann, insbesondere wenn Mietverträge an die Eigenschaft als umsatzsteuerlicher Unternehmer anknüpfen.
Was bisher geschah – und warum
Bei den meisten AIFs erhält die Managementgesellschaft (nach KAGB: Kapitalverwaltungsgesellschaft) eine gewinnunabhängige Vergütung für ihre Verwaltungstätigkeit, die sogenannte Management Fee. Deren umsatzsteuerliche Behandlung hat sich in den vergangen 20 Jahren mehrfach geändert und war stets umstritten: Seit Anfang der 2000er-Jahre galt, dass zwischen Fonds und Fondsmanager überhaupt ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch stattfindet. Die Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG erfasste jedoch nur regulierte Wertpapierfonds (OGAW) und offene Immobilienfonds. Für PE-/VC-Fonds eröffnete sich allerdings – mit Billigung der Finanzverwaltung – von 2004 bis 2008 eine gleichwertige Gestaltung durch die Vereinbarung eines (nicht umsatzsteuerbaren) Ergebnisvortrags, der wirtschaftlich wie eine Management Fee ausgestaltet werden konnte. Erst ab Ende 2007 unterband die Finanzverwaltung diese Konstruktion. In den folgenden rund 13 Jahren wurden neu aufgelegte PE-/VC-Fonds mit Umsatzsteuer auf die Management Fee belastet. Da die Fondsgesellschaft in aller Regel nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, stellte die Umsatzsteuer eine Definitivbelastung dar, die wirtschaftlich von den Fondsinvestoren zu tragen war und das investierbare Kapital reduzierte.
Die Verwaltung deutscher Fonds war damit um rund 20% teurer als in anderen für PE-/VC-Fonds maßgeblichen Ländern, etwa in den USA, Großbritannien und Luxemburg. Dort gab es keine Umsatzsteuer auf die Management Fee. Dies hat den Zufluss von Kapital in deutsche Fonds erheblich verringert.
Auch viele ursprünglich deutsche Fondsmanager sind mit ihren Strukturen aus Deutschland abgewandert. Nicht zuletzt sind (steuerpflichtige) Einkünfte bei den Managementgesellschaften und den dahinterstehenden Personen aus Deutschland abgeflossen.
Doch nicht nur wirtschaftlich war die Umsatzsteuerbefreiung überfällig, auch juristisch war sie schon lange geboten: Die EU-Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie schreibt die Umsatzsteuerbefreiung von bestimmten „Sondervermögen“ vor und der EuGH hat bereits Ende 2015 (allerdings nicht mit Blick auf Deutschland) geurteilt, dass hierunter auch AIFs fallen müssten. Dennoch wurde die deutsche Umsatzsteuerbefreiung nur minimal erweitert und war faktisch durch die restriktiven Kriterien der Finanzverwaltung für PE-/VC-Fonds verschlossen.
Ein politischer Richtungswechsel war erst 2021 mit dem „Fondsstandortgesetz“ erkennbar. Dieses Gesetz schuf die auch heute noch geltende Umsatzsteuerbefreiung für „Wagniskapitalfonds“. Dieser Begriff ist ohne klare Konturen geblieben – aus Sicht der Rechtsberater sollte er den gesamten Bereich der VC- und Growth-Fonds umfassen, also das natürliche Verständnis von „Wagniskapital“. Vonseiten der Finanzverwaltung folgte im Umsatzsteuer-Anwendungserlass im Juli 2022 aber wieder eine restriktive Auslegung, mit der ausdrücklich nur EuVECA-Fonds unter zusätzlichen Voraussetzungen anerkannt wurden.
All dies ist ab 1. Januar 2024 Geschichte. Da die Umsatzsteuerbefreiung aber nicht rückwirkend gilt, bleiben die alten Streitfragen noch für Geschäftsjahre bis 2023 relevant.
Die Neuregelungen im Detail
Die neue Umsatzsteuerbefreiung knüpft allein an die aufsichtsrechtliche Qualifikation als AIF an. Der Gesetzgeber hat damit eine sehr klare Abgrenzung gewählt. Aufsichtsrechtlich unregulierte Strukturen, etwa Ein-Investor-Fonds (ohne Flexibilität zur Aufnahme weiterer Anleger) oder sogenannte Investmentclubs, für die kein Kapital eingesammelt wurde, sind nicht erfasst.
Als umsatzsteuerfreie „Verwaltung“ sind nicht nur die Dienstleistungen der KVG umfasst, sondern können auch Leistungen Dritter privilegiert sein, wenn diese für den AIF „ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes von einigem Gewicht“ darstellen. Das kommt insbesondere in Betracht bei der Abgabe von individuellen Empfehlungen zum An- und Verkauf von Vermögenswerten eines AIF, zum Beispiel bei Anlageberatern.
Auswirkungen auf die Praxis
In den meisten Fondsverträgen ist eine Netto-Preisabrede („Verwaltungsvergütung zuzüglich Umsatzsteuer“) enthalten. Künftig entfällt dann die bisher zusätzlich zur Netto-Verwaltungsvergütung zu zahlende Umsatzsteuer. Dies hat einen unmittelbar positiven Effekt für den Fonds und damit wirtschaftlich auch für seine Anleger. Mittelbar hat dies aber auch Effekte auf die sogenannte Hurdle und damit auf den Carried Interest der Initiatoren (geringeres effektiv im AIF gebundenes Kapital).
Aufgrund der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Ausgangsleistung verlieren betroffene KVGs und Anlageberater zukünftig ihr Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf in Anspruch genommene Eingangsleistungen (Reisekosten, Beraterkosten et cetera). Bestehende Fonds- und Dienstleistungsverträge sollten auf vereinbarte Preisanpassungsklauseln oder auf mögliche gesetzliche Ausgleichsansprüche (zum Beispiel § 29 UStG) überprüft werden. Außerdem sollten Auswirkungen in Mietverhältnissen bei Vermietung für umsatzsteuerpflichtige Zwecke geprüft werden.
Ausblick
Mit der Umsatzsteuerbefreiung ist für den Fondsstandort Deutschland viel gewonnen und ein deutlich positiver Effekt für Investitionen in künftig wichtige Produkte und Technologien – also die Zukunftsfinanzierung – zu erwarten. Handlungsbedarf für Private Equity und Venture Capital besteht aber weiterhin, insbesondere im Zusammenhang mit der Sicherung der Steuertransparenz von Fonds. Das insoweit relevante BMF-Schreiben feiert am 16. Dezember 2023 den 20. Geburtstag, bietet aber inzwischen keine hinreichend sichere Basis für den ertragsteuerlichen Status der Fonds mehr.