Zehn Jahre Niedergang
Lange Zeit galt das 1872 gegründete Unternehmen als grundsolide. Zu Glanzzeiten im Jahr 1990 erwirtschaftet die auf hochwertige Trinkgläser spezialisierte Schott Zwiesel AG noch Rekordumsätze. Nach und nach treten allerdings bei der Tochter der Mainzer Schott-Gruppe vermehrt Probleme auf. So entschied sich beispielsweise das Unternehmen 1991 aufgrund einer in den USA geführten Diskussion um bleihaltiges Glas bei Babyflaschen, den Glassatz auf nicht-bleihaltiges Kristallglas umzustellen. Das geringere Glasgewicht erweckte allerdings beim Kunden den Eindruck minderwertiger Qualität. Zeitgleich stürzte der Kuwait-Krieg die Wirtschaft weltweit in eine Krise. In der Folge brachen die Umsätze im zweistelligen Prozentbereich ein. Trotz Überkapazitäten wurde weiter produziert. Sortimentserweiterungen, häufige Markenwechsel, ein zu großer Fokus auf Massenproduktion sowie die Absicht, Umsatz um jeden Preis zu generieren, führten in eine Preisabwärtsspirale. Steigende Lagerbestände und sinkende Absatzzahlen sorgten für jahrelange Verluste. Der Technische Vorstand vor Ort, Dr. Robert Hartel, bat den Mutterkonzern um rasche Unterstützung. Diese fand er in Dr. Andreas Buske, der erst seit 1999 bei Schott arbeitete und Finanzvorstand in Zwiesel wurde. Die beiden wurden ein Team, erarbeiteten daraufhin ein Konzept zur Rettung des Standorts und beschlossen gemeinsam die Sanierung in Angriff zu nehmen
Erfolgreicher Turnaround
Buske und Hartel erkannten in der fehlerhaften Strategie des Konzerns das Hauptproblem. Verbesserungen erhoffte man sich dadurch, Schott Zwiesel aus dem Mutterkonzern herauszulösen. Umgesetzt wurde dies durch ein Management Buy-out – 2001 kauften sie der Mainzer Schott-Gruppe deren Anteil ab. Als weitere Kapitalgeber kamen die Commerzbank und – nachdem die Finanzierung feststand – der Freistaat Bayern hinzu. Erklärtes Ziel war es, als Glashersteller wieder eine führende Rolle in Gastronomie und Hotellerie sowie im Facheinzelhandel einzunehmen. In einem ersten Schritt konzentrierte man sich auf Lagerabbau durch Anpassungen der Sortimente und der Produktionskapazitäten, auf die Veräußerung von Randbereichen und Effizienzsteigerungsmaßnahmen. Im zweiten Schritt führten eine klare Vertriebs- und Marketingstrategie sowie Forschungskooperationen zurück zum Erfolg. So entwickelte Schott Zwiesel etwa 2002 mit der Universität Erlangen das Spezialglas “Tritan”, gründete weltweit Vertriebsgesellschaften und positionierte die Einzelmarken klarer. Nach geglücktem Turnaround firmiert das Unternehmen seit 2005 unter dem Namen Zwiesel Kristallglas AG.
Glasklare Zukunft
Vor vier Jahren wurden die Zwieseler von Compamedia in den Kreis der innovativsten mittelständischen Unternehmen, “Top 100”, aufgenommen. Forschungsaustausch und Investitionen sollen weiterhin die technische Kompetenz gewährleisten. Das Familienunternehmen bezeichnet sich heute als “Innovations- und Qualitätsführer in der Trinkglasproduktion”. Produziert werden jährlich bis zu 70 Mio. Trinkgläser, vermarktet wird in 120 Ländern. Darüber hinaus sollen Partnerschaften mit der Spitzengastronomie, Fluggesellschaften und Reedereien, gezielter Vertrieb und die konsequente Einhaltung der Markenpolitik auch künftig für schwarze Zahlen sorgen.