Die Behn Getränke GmbH ist ein deutscher Getränkefachgroßhändler und über ihre Tochtergesellschaft Waldemar Behn GmbH auch ein Spirituosenhersteller. Viele der 16 Marken sind international bekannt. Fast jeder kennt Kleiner Feigling. Das Familienunternehmen wird heute in der vierten Generation von Rüdiger und Waldemar Behn geleitet. Wir sprachen mit Rüdiger Behn über Höhepunkte und aktuelle Herausforderungen.
Unternehmeredition: Herr Behn, Sie führen mit Ihrem älteren Bruder Waldemar die Behn Getränke GmbH und die Waldemar Behn GmbH in vierter Generation. Wie sind die Aufgaben unter Ihnen aufgeteilt?
Rüdiger Behn: Das ist richtig. Das war früher ein Unternehmen, das wir zweckmäßigerweise vor mehr als 20 Jahren in zwei aufgeteilt haben. Heute ist es so, dass mein Bruder sich operativ um die Behn Getränke GmbH kümmert und ich mich um die spirituosenmarkenherstellende und -vermarktende Waldemar Behn GmbH. Insofern stehen wir beide einem Unternehmen als geschäftsführende Gesellschafter vor, aber beide Unternehmen haben auch jeweils einen familienfremden Geschäftsführer, der uns in unserer Arbeit unterstützt. Das ist auch unserem Alter geschuldet – wir sind beide weit über 60 Jahre alt.
Stehen potenzielle Nachfolger schon fest?
Wir bereiten aktuell die Übergabe an unsere Kinder vor. Mein Sohn Asmus (27) und die Tochter meines Bruders Lisa (29) wollen 2024 die Nachfolge antreten. Sie werden dann alle Unternehmensteile durchlaufen und mit der Übernahme von Projekten allmählich in das Unternehmen hineinwachsen. Vermutlich werden sie sich die Aufgaben dann auf eine andere Art und Weise aufteilen, als mein Bruder und ich das heute tun. Da sind wir gerade in einer fröhlichen Diskussion.
Sind externe Erfahrungen für Sie wichtig?
Die beiden sind gerade am Ende ihrer Findungsphase. Das ist jetzt aber nicht despektierlich gemeint; es ist mir sehr wichtig, dass sie das machen. Beide wollen kommen und haben sich in ihrem Studium und in ihrer Berufsphase nach dem Studium entsprechend orientiert. Meine Nichte ist Betriebswirtin, hat in verschieden strukturierten Start-ups gearbeitet, die einen Bezug zur Gastronomie haben, und ist jetzt in einer Unternehmensberatung tätig, für die sie eine Filiale in Schleswig-Holstein mit aufbaut. Mein Sohn war während seinem Masterstudium zum Wirtschaftsingenieur Werkstudent bei ADM und arbeitet jetzt für Ritter Sport, für die er den schwedischen Markt aufbaut.
Rechnen Sie mit Umgestaltungen, wenn Ihre Kinder das Ruder übernehmen?
Veränderungen brauchen wir bestimmt und es wird sich gewiss viel in der Unternehmenskultur ändern. Stehenbleiben geht nicht in einem Unternehmen, das in Generationen denkt. Wie genau diese Umgestaltung aussehen wird und wie sich unsere Kinder die Aufgaben untereinander aufteilen werden, muss sich aber noch zeigen.
Werden Sie und Ihr Bruder weiterhin Einfluss auf die Unternehmensgeschicke ausüben?
Es wird eine Übergangsphase geben. Wir werden sicher noch zwei Jahre zusammenarbeiten, um unser Wissen an unsere Kinder zu übertragen. Danach werden wir ihnen sicher noch mit Ratschlägen und unserer Erfahrung zur Seite stehen, uns aber ansonsten aus dem operativen Geschäft heraushalten.
Sie verantworten die Spirituosen. Wie sind Sie dazu gekommen?
Das hat sich so ergeben. Wir hatten einige Jahre zuvor die Produktion von alkoholfreien Getränken aufgegeben und als ich einstieg, waren die Spirituosen eben noch übrig. Ich selbst habe eine sehr stark marketingorientierte Ausbildung durchlaufen und hatte mich bereits viel mit dem Thema Marke beschäftigt. Damit war klar, dass es bei mir um Spirituosenmarken gehen würde.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell?
Wie alle. Ich glaube, es gibt keinen, der produziert und aktuell nicht betroffen ist von Problemen mit der Materialbeschaffung und dem Kampf gegen steigende Einkaufspreise, die allesamt zwischen 20% und 50% gestiegen sind – bei einer veröffentlichten Inflationsrate von 10% bis 11%. Wir verkaufen einen Großteil unserer Ware an ein Oligopol, nämlich an den deutschen Lebensmittelhandel, der natürlich versucht, keine Preiserhöhungen zuzulassen. Diese Margenminderung zu managen, das wird die Aufgabe für das Jahr 2023 sein.
Wie hat sich denn die Nachfrage insgesamt entwickelt?
Insgesamt können Sie davon ausgehen, dass der Markt konstant ist; der Spirituosenmarkt wächst nicht, aber er ist in den vergangenen Jahren auch nicht gefallen. Der Alkoholkonsum sinkt insgesamt, weil vor allem der Bier- und der Weinbereich leiden. Der Pro-Kopf-Absatz von Alkohol nimmt jedenfalls kontinuierlich ab. Die Kategorie Spirituose hat über viele Jahre gelitten, aber das tut sie jetzt nicht mehr so stark. Das liegt vermutlich daran, dass in den letzten Jahren viele kleine Craft-Destillerien an jeder Ecke aus dem Boden geschossen sind, über die dann viel in der Presse berichtet worden ist. Diese Entwicklung hat der Kategorie insofern gutgetan, als man sich plötzlich wieder über Qualitäten und bestimmte Herstellungsverfahren unterhalten hat.
Inwieweit haben Sie von diesem Trend profitiert?
Wir haben einerseits die Marken, für die wir am längsten stehen. Das sind die lokalen Marken, die hier an der deutschen Küste eine Rolle spielen, wie Küstennebel und Friesengeist, also sozusagen der Markt vor der Haustür. Dieser profitiert einerseits vom Trend zur Regionalität, andererseits aber auch davon, dass die deutsche Küste Deutschlands beliebteste Urlaubsregion ist und dies in der Pandemie noch einmal mehr war. Die Leute sind in Deutschland geblieben und da kommt man relativ schnell darauf, dass man auch zur Küste fahren kann. Entsprechend voll war es dann hier. Davon haben diese Marken profitiert und das haben wir dann auch durch entsprechende Marketingmaßnahmen gestützt.
Wir haben auch versucht, viel zu exportieren, um nicht so abhängig vom Oligopol des deutschen Lebensmittelhandels zu sein. Unser Ziel dabei war es, das Risiko zu streuen, im Ausland neue Märkte aufzubauen und uns ganz andere Kundenkreise zu erschließen. Deshalb haben wir 2013 auch die Marke Danzka Vodka übernommen. Dort sind wir erfolgreich im internationalen Duty-Free-Markt unterwegs, also überall dort, wo Flugzeuge landen, oder da, wo Fährschiffe sind, oder in Border Stores an den Grenzen: Dort spielt Danzka Vodka eine Rolle und dort kooperieren wir auch mit kleineren familiengeführten Marken.
Und dann ist da natürlich noch die Marke Kleiner Feigling. Kleiner Feigling hat in der Pandemie besonders gelitten. Es ist eine Marke, die gerne da ist, wo viele Menschen zusammen feiern. Kleiner Feigling trinkt man normalerweise nicht allein, aber die Pandemie hat uns dazu gezwungen, allein zu sein. Das hat dazu geführt, dass die Marke genauso gelitten hat wie die Menschen, die eingesperrt waren. Jetzt, da die Pandemie ihre großen Schrecken verloren hat, hat sich die Marke auch wieder erholt. Das heißt, wir sind ungefähr wieder auf dem Niveau von 2019.
Konnten Sie die Internationalisierung infolge der Übernahme von Danzka Vodka auch auf andere Marken übertragen?
Zum Teil ja. Kleiner Feigling ist eine Marke, mit der auch in vielen anderen Ländern außerhalb Deutschlands gefeiert wird. Das ist vermutlich relativ selten für einen klassischen deutschen Spirituosenhersteller: Wir exportieren fast 50% unseres Absatzes. Nur Jägermeister liegt mit seinem internationalen Absatz noch darüber.
Sie vereinen 16 Marken unter einem Dach. Welche Trends zeichnen sich derzeit ab?
Natürlich müssen Sie jeden Tag überlegen, wie Sie neue Konsumenten hinzubekommen; das ist ganz normale Markenarbeit. Und das geschieht natürlich mit allen Instrumenten, die sie sich vorstellen können, sei es mit einem Verpackungsrelaunch oder wie bei Kleiner Feigling 2013, als wir aus einer Monomarke eine Dachmarke für viele unterschiedliche Geschmacksrichtungen gemacht haben. Aber das ist je nach Land und je nach Marke ganz spezifisch zu sehen.
Wir versuchen im Übrigen, nicht von den allgemeinen Trends abhängig zu sein. Wir sind lieber darauf aus, mal einen Trend zu setzen, wie wir das damals bei Kleiner Feigling gemacht haben, und dann aus diesem Trend etwas Stabiles werden zu lassen. Zumal wir aktuell in einer Zeit der Trendbrüche leben: Der Krieg, die steigenden Preise und die Inflation führen dazu, dass Trends möglicherweise abrupt beendet werden. Es gab bis dato einen Trend zu höherpreisigen Spirituosen – er könnte jetzt durchbrochen werden, weil aktuell eine warme Stube erst mal wichtiger sein mag als eine hochpreisige Spirituose
Wo sehen Sie das Unternehmen in 20 Jahren?
Ich würde mir wünschen, dass es gelingt, unseren Marken eine noch größere Bedeutung zukommen zu lassen und diese emotional noch näher an den Konsumenten heranzubringen. Ferner wäre es schön, wenn es uns mit Blick auf den Arbeitskräftemangel gelingen würde, uns als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und den Menschen, die hier arbeiten und arbeiten wollen, ein Zuhause wie in einer Großfamilie zu geben. Außerdem wünsche ich mir weiterhin ein gesundes und profitables Wachstum von inflationsbereinigt 4% bis 5% jährlich, wie wir das auch in den vergangenen Jahren erzielen konnten. Die Hauptsache ist, dass wir die Chance haben, langfristig zu überleben.
Worin liegt für Sie die DNA Ihres Unternehmens?
Ich glaube, am Ende zeichnet uns aus, dass es uns auch nach 130 Jahren unserer Existenz gelungen ist, unseren Gründergeist und unsere Unabhängigkeit zu bewahren.
Käme ein Unternehmensverkauf für Sie infrage?
Nur auf Käuferseite.
Gibt es etwas, das in Ihrem Portfolio noch fehlt?
Uns fehlt sicherlich noch ein schöner Rum.
Herr Behn, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.
ZUR PERSON
Rüdiger Behn (65) führt mit seinem älteren Bruder Waldemar die Waldemar Behn GmbH in vierter Generation, die in Eckernförde namhafte Spirituosen herstellt. Behn absolvierte eine kaufmännische Lehre und ein BWL-Studium, bevor er 1984 in das Familienunternehmen einstieg.
KURZPROFIL Waldemar Behn GmbH
Gründungsjahr: 1892
Firmensitz: Eckernförde
Branche: Spirituosenherstellung und -vermarktung
Mitarbeiter: 170
Größe: mittelgroßer deutscher Spirituosenhersteller
Umsatz: k.A.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.