Transformation ist das neue Zauberwort

Erstmalig fand das "Roundtable Restrukturierung" der Unternehmeredition in München statt

Das Roundtable Restrukturierung der Unternehmeredition brachte Experten der Transformations- und Restrukturierungsbranche zusammen. Alle Fotos: Jan Roeder
Das Roundtable Restrukturierung der Unternehmeredition brachte Experten der Transformations- und Restrukturierungsbranche zusammen. Alle Fotos: Jan Roeder

Erstmalig tagte der Roundtable Restrukturierung der Unternehmeredition mit Expertinnen und Experten der Transformations- und Restrukturierungsbranche. Unter dem Motto „Sanierung. Insolvenz. Krisenbewältigung. Turnaround.“ fand das Gespräch am 27. Juni im hbw | Haus der Bayerischen Wirtschaft statt – im Herzen des Münchner Financial Districts.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Markus Rieger, Vorstand der Going Public Media AG startete der fachliche Austausch der Expertenrunde. „Ich bin als Restrukturierer froh, dass es das StaRUG gibt“, sagt Prof. Dr. Georg Streit von Heuking.

Prof. Dr. Georg Streit
Prof. Dr. Georg Streit

Dieses neue Gesetz ist seiner Meinung nach zur rechten Zeit gekommen und erweitere den Instrumentenkasten für die Unternehmenssanierung erheblich. Wegen zahlreicher auslaufender Finanzierungen in Unternehmen und den inzwischen stark gestiegenen Zinsen sieht er in der nahen Zukunft einen wachsenden Bedarf an Finanzrestrukturierungen – auch mit den Möglichkeiten des StaRUG. „Grundsätzlich ist es ratsam, in solchen Situationen einen entsprechenden ´Plan B´ in der Schublade zu haben“, empfiehlt Streit weiter. Es sei ein wichtiges Ziel, das Stigma der Insolvenz zu vermeiden. Das StaRUG habe sich auch als veritable Drohkulisse in Verhandlungen über die Umstellung von Verbindlichkeiten bewährt. In der Zukunft müssten aber die abgeschlossenen Fälle analysiert werden, welche Voraussetzungen für die Einleitung eines StaRUG gelten müssen seitens der Geschäftsführung. Wenn Gesellschafter oder Eigentümer auf der einen Seite und die Geschäftsführung auf der anderen Seite unterschiedliche Interessen haben, dann liege hier ein großes Konfliktpotenzial – bis hin zum möglichen Missbrauch.

Zeit als wichtiger Faktor bei der Sanierung

Dr. Christian Becker
Dr. Christian Becker

Auch Dr. Christian Becker, Partner bei der Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB sieht das StaRUG als ein gutes Tool für eine Sanierung vor der Insolvenz. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage rechnet er mit einem steigenden Bedarf an Restrukturierungen, auch bei Anleihen. Gerade in der Immobilienbranche gebe es eine Vielzahl von Fällen aufgrund der Strukturkrise nach der rasanten Zinsentwicklung. Insgesamt ging es bei den meisten Restrukturierungen um Verlängerungen von Finanzierungen oder auch Anpassungen bei den Konditionen – im Fachjargon „Amend & Extend“. Gerade im Immobiliensektor kann der Zeitfaktor sehr wichtig sein, um eine bestimmte Phase von extremen Marktirritationen überstehen zu können. Als Basis für die verlässliche Durchführung einer Sanierung empfiehlt Dr. Becker ein IDW S6 Gutachten. Er zieht dies dem sogenannten Independent Business Review (IBR) vor, da das S6-Gutachten festgelegten Standards folgt – auch wenn es in der Erstellung aufwändiger ist. Gerade in der Immobilienbranche ist seiner Meinung nach immer wieder ein erheblicher Unterschied festzustellen zwischen den Bewertungen von Immobilienbeständen in den jeweiligen Jahresabschlüssen im Vergleich zu den Sanierungsgutachten.

“Man muss aus seiner Ecke kommen”

Volker Groß
Volker Groß

Auf die zunehmende Komplexität bei der Sanierung von Unternehmen wies Volker Groß, Managing Director, Alvarez & Marsal, in seinem Statement hin. Gerade bei vielschichtigen Shareholder-Konstellationen könnten die Schwierigkeiten bei der Abstimmung erheblich zunehmen. Dies liege auch daran, dass nach seiner Erfahrung die Beteiligten im verstärkten Umfang ihre Partikular-Interessen durchsetzen möchten. Auch ein mögliches Spannungsverhältnis zwischen einem angestellten Geschäftsführer – der sich unter Umständen persönlichen Haftungsansprüchen gegenübersieht und den Gesellschaftern sorge möglicherweise für Sand im Getriebe. Zunehmend würden auch persönliche Bürgschaften von Eigenkapital-Investoren eine Rolle spielen, wenn es um eine finanzielle Restrukturierung geht. „Es war schon immer komplex, aber inzwischen wird es immer komplizierter“, so Volker Groß. Er beobachtet immer wieder auch, dass Kreditinstitute untereinander immer weniger einig sind oder dass es auch Differenzen zwischen Betriebsräten und den jeweiligen Gewerkschaftsfunktionären gibt. Im Kern gehe es immer darum, dass die Verhandlungspartner ein stückweit aus ihrer Ecke kommen und sich damit aufeinander zu bewegen. Denn letztendlich gehe es um den Erhalt der Firma, die alle ernährt, die an diesem Prozess teilhaben. Auf einen Chief Restructuring Officer (CRO) komme nach Ansicht von Volker Groß insbesondere die Aufgabe eines Moderaters und Vermittlers zu.

Leadership als wichtige Qualifikation

Johannes Steinel
Johannes Steinel

Mit der anspruchsvollen Rolle eines CRO beschäftigte sich auch Johannes Steinel, Partner bei Eight Advisory in seinem Statement. Er sieht auf aufgrund seiner eigenen aktuellen Rolle eine wesentliche Aufgabe dieser Person in Führung: „Für mich braucht ein CRO rund 70% Leadership und vielleicht 30% Beratungskompetenz. Und bei den Anforderungen an die Qualifikation überwiegen für mich die Soft Skills mit rund Drei Viertel über dem fachlichen Wissen“, so Johannes Steinel. Bei den Unternehmen, die er beraten und begleitet hat, stellte er vor allem einen erheblichen Mangel im Bereich Leadership fest. Bevor ein Manager eine Führungsrolle in einem kriselnden Unternehmen übernimmt, müssten aber auch entsprechende Vorbedingungen erfüllt werden, wie eine ausreichende F&O-Versicherung und zudem ein definierter Berichtsweg gegenüber Gesellschaftern und anderen Organen. Grundsätzlich hält es Steinel aber auch für ein wichtiges Signal, wenn aus dem Kreis derjenigen, die an der Sanierung des Unternehmens beteiligt sind, auch Manager in die Verantwortung gehen.

Banken wollen Engagements reduzieren

Johannes von Neumann-Cosel
Johannes von Neumann-Cosel

Wenn die Sanierung eines Unternehmens gelingen soll, dann sind im Zweifel zusätzliche finanzielle Mittel erforderlich. Nach Einschätzung von Johannes von Neumann-Cosel, Senior Director Private Debt, bei Patrimonium Asset Management sollte bei der Konzipierung einer geänderten Finanzierungsstruktur auch ohne klassische Bankfinanzierung geplant werden. „Wir erleben in unseren Gesprächen immer wieder, dass Banken ihr bestehendes Engagement sogar reduzieren wollen. Von einer stärkeren Beteiligung kann keine Rede sein“, so von Neumann-Cosel. Man müsse daher diesen Tatsachen ins Auge sehen und nach anderen Wegen suchen. Private-Debt-Anbieter seien aber keine Banken, sondern agierten mit ihren Eigenkapitalmitteln als Investoren. Daraus würden auch entsprechende Anforderungen an die Renditeerwartungen folgen. Ähnlich wie Dr. Christian Becker hält auch Johannes von Neumann-Cosel die Vorlage eines IDW S6 Gutachtens für wichtig. Nach seiner Überzeugung zahlt sich eine intensive Vorbereitung für eine überarbeitete Finanzierung aus, um in der Folge nicht in Probleme zu geraten.

“Zenit ist noch nicht erreicht”

Carina Küffen
Carina Küffen

Eine mögliche Lösung für die Krisen in Unternehmen besteht auch in einem Verkauf an Investoren. Der Markt für Distressed M&A ist nach Ansicht von Carina Küffen, Managing Director bei der Saxenhammer Advisory GmbH deutlich dynamischer geworden: „Meiner Meinung nach ist der Zenit der Entwicklung noch nicht erreicht. Wir werden hier noch mehr Aktivitäten sehen“, so Carina Küffen in ihrem Statement. Sie sieht zudem einen Wandel bei den Anlässen für die Transaktionen. Die Zahl von klassischen Verkäufen eines insolventen Unternehmens ginge zurück. Zunehmen würden hingegen die Transaktionen, bei denen Unternehmen versuchen sich frühzeitiger neu aufzustellen. „Insgesamt ist die Lage aber herausfordernder geworden, denn es gibt weniger Investoren und weniger Kaufinteressenten“, erklärt Carina Küffen. Die Folge sei unter anderem, dass die Prozesse deutlich länger dauern.

Transformation als Konstante

Jonas Eckhardt
Jonas Eckhardt

Insolvenz oder Restrukturierung – in Fachkreisen sind diese Begriffe inzwischen eher out: Transformation ist das neue Zauberwort. Das ist aber nicht nur Window Dressing, sondern dahinter steckt auch ein Wandel in der Wirtschaft. Innovationszirkel werden immer kürzer und damit wachsen die Anforderungen an Firmen und das Management, das eigene Geschäftsmodell ständig up to date zu halten. „Letztendlich unterliegt die Firma einem ständigen Transformationsprozess, der immer wieder neu in Gang gesetzt werden muss. Die Unternehmen stehen inzwischen andauernd unter einem erheblichen Druck“, meint Jonas Eckhardt, Partner bei Falkensteg Corporate Finance. Auch er hat in seinen Beratungsmandaten die Erfahrung gemacht, dass M&A-Prozesse schwieriger und langwieriger werden. Man müsse zudem beachten, dass die Integration ausländischer Kaufinteressenten immer für weitere Verzögerungen sorgt, da hier die Entscheidungswege deutlich länger seien. Die Vorsicht bei Investoren kann Eckhardt verstehen, denn die aktuellen Zahlen von Falkensteg würden sinkende Erfolgsquoten bei der Rettung von insolventen Unternehmen zeigen. Eher gute Erfolgsaussichten sehe er aktuell noch bei Maschinen- und Anlagenbauern.

Verbrechen darf sich nicht lohnen

Constantin Graf Salm-Hoogstraeten
Constantin Graf Salm-Hoogstraeten

Mit dem Vermögensabschöpfungsgesetz beschäftigte sich Constantin Graf Salm-Hoogstraeten, Rechtsanwalt bei BBL Brockdorff. Er stellte die ersten Ergebnisse einer gemeinsamen Untersuchung mit der Universität Augsburg vor, bei der die Erfahrungen mit den neuen gesetzlichen Möglichkeiten vorgestellt wurden. Zum Tragen sollen diese Regelungen unter anderem kommen bei unredlichen Gesellschaften, wie zum Beispiel Schneeballsysteme im Investmentbereich. Ein Beispiel hierfür ist unter anderem der Skandal um das Unternehmen FlowTex. Betrachtet wird unter anderem die Rolle der Strafbehörden bei der sogenannten Arretierung von Vermögen und der dann auch unter Umständen folgenden Insolvenz.

Das Geld geht woanders hin

In der anschließenden lebhaften Diskussion zeigte sich unter anderem als wachsendes Problem das mangelnde Kapital für notwendige Finanzierungen: „Es ist schon viel Geld am Markt vorhanden – es geht aber woanders hin und nicht in Transformationsfinanzierungen“, so von Neumann-Cosel. Das steigende Zinsniveau habe zu einer höheren Attraktivität von anderen Anlageklassen geführt, die zudem weniger Risiken beinhalten. In der Folge sei nicht genug Geld im Topf für kriselnde Unternehmen, zudem sich Banken weiter zurückziehen müssten und viele Investoren qua Satzung gar nicht in kriselnde Unternehmen investieren dürfen.

Dem pflichtete auch Carina Küffen bei, die auch eine zusätzliche Schwierigkeit darin sieht, dass oftmals gleichzeitig eine Finanzierung des Kaufpreises sowie des anschließenden Betriebes aufgesetzt werden müsse: „Das sind kommunizierende Röhren und hier muss das Gesamtpaket stimmen. Zusätzlich muss sich die Finanzierung für die Kapitalgeber rechnen“. Insgesamt hat sich nach Meinung von Jonas Eckhardt die Entwicklung ergeben, dass die Finanzierungen immer kostspieliger werden und damit schwerer umzusetzen: „Es ist Geld da, aber es ist teilweise unfassbar teuer“. Dies führe im Zweifel dazu, dass man die Lösung mit den bestehenden Investoren suchen muss. Dabei könne durch eine clevere Restrukturierung der Passivseite ein Unternehmen wieder profitabel gemacht werden, indem Belastungen vom Betrieb genommen werden.

Rechtzeitig Maßnahmen einleiten

Als ein weiteres Problem wurde in der Gesprächsrunde dann gesehen, dass die geplanten Maßnahmen der Transformation auch einer Umsetzung benötigen. Und dafür braucht es Experten, die auch bereit sind, als Organ in die Verantwortung zu gehen. Die zunehmenden Haftungsrisiken würden diesen Schritt immer schwerer machen. Und zusätzlich dürfe auch das zu erwartende Arbeitsvolumen nicht unterschätzt werden. „Der Posten als CRO kann sehr aufwändig sein – diese Kapazitäten fehlen dann unter Umständen in der eigenen Kanzlei“, so Johannes Steinel. Wichtig sei auch eine begleitende Beratung, um nicht in unerwartete Haftungsrisiken zu geraten.

Als einen wichtigen Faktor bei der Rettung von Unternehmen werteten die Teilnehmer des Roundtables auch die rechtzeitige Einleitung von Maßnahmen. Es ist im Prinzip eine Binsenweisheit, dass man mit der Restrukturierung einer Anleihe nicht erst wenige Tage vor der Fälligkeit beginnen sollte. „Wir haben ein sehr gutes Tool-Set im Sanierungsbereich. Aber die Unternehmer müssen auch rechtzeitig kommen, damit wir die notwendigen Prozesse aufsetzen können“, so Prof. Dr. Georg Streit.

Markus Rieger
Markus Rieger

Der Roundtable Restrukturierung der Unternehmeredition brachte Experten der Transformations- und Restrukturierungsbranche zusammen, um aktuelle Herausforderungen und Lösungen zu diskutieren. Zentrale Themen waren die Bedeutung des StaRUG für die Unternehmenssanierung, die Notwendigkeit rechtzeitiger Maßnahmen und die zunehmende Komplexität bei der Restrukturierung von Unternehmen. Die Teilnehmer betonten die Rolle von Leadership und die Herausforderungen bei der Finanzierung. Insgesamt zeigte die Diskussion, dass die Anpassung und ständige Transformation für den Erhalt und Erfolg von Unternehmen essenziell sind.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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