Bislang konnten sich Unternehmen auf den europäischen Binnenmarkt verlassen. Die Brexit-Entscheidung und die Katalonien-Krise rütteln an diesem Glauben. Sollte sich dieser Schwebezustand verlängern oder auf weitere Regionen ausbreiten, werden sich Unternehmen andere Standorte für ihre Investitionen suchen.
Falls es trotz dieser ungünstigen Ausgangsposition für die Briten zu einem Zollsystem kommen sollte, sieht sich die deutsche Schlüsselindustrie gut gerüstet. Mit hohen Wachstumsraten in vielen anderen Regionen – in China peilt die Branche allein dieses Jahr einen Zuwachs von 25 Prozent an – kann ein möglicher Aderlass durch den Brexit gut kompensiert werden.
Aufgrund dieser Fakten ist es wenig überraschend, dass VDMA-Vertreter Ackermann gelassen auf die weiteren Brexit-Verhandlungen schaut. Aus seiner Sicht sind die Briten am Zug, eine konstruktive Lösung anzubieten: „Die bisherigen Papiere sind Wolkenkuckucksheime. Die Briten wollen alle Vorteile des Binnenmarktes genießen, ohne Mitglied zu sein – also alle Clubvorteile haben, ohne Mitgliedsbeiträge zu zahlen.“
Klare Botschaft: Der Brexit kommt
Neben der Papierindustrie und dem Maschinenbau sind viele andere Unternehmen in Großbritannien investiert. Mit rund 50 Mrd. Euro steuert der Außenhandel mit der Insel etwa ein Fünftel zum deutschen Exportüberschuss bei. Laut der Außenhandelskammer GTAI sind in Großbritannien rund 2.000 Unternehmen mit 420.000 Beschäftigten vertreten. Darunter finden sich auch viele Familienunternehmen wie beispielsweise Stihl, Katjes Fassin und Otto Fuchs. Sie sind besorgt, dass der Brexit für alle Akteure zum Fiasko werden könnte. Deshalb unternahmen die Gesellschafter bereits im Juli eine Delegationsreise nach London, welche die Stiftung Familienunternehmen organisierte. Im House of Commons trafen die 25 Familienunternehmer, unter ihnen auch Jürgen Heindl von der Progroup, auf Abgeordnete des britischen Parlaments. In der altehrwürdigen Atmosphäre des britischen Unterhauses mit seinem charakteristisch grün-patinierten Linoleum bekamen die deutschen Wirtschaftsvertreter eine klare Botschaft zu hören: Der Brexit kommt. Fraglich ist nur, ob der offizielle Austrittstermin im März 2019 gehalten wird.