Die neue Ungewissheit – Teil I

Bislang konnten sich Unternehmen auf den europäischen Binnenmarkt verlassen. Die Brexit-Entscheidung und die Katalonien-Krise rütteln an diesem Glauben. Sollte sich dieser Schwebezustand verlängern oder auf weitere Regionen ausbreiten, werden sich Unternehmen andere Standorte für ihre Investitionen suchen.

Diese allgemeine Unsicherheit könnte sich auch direkt auf das Wirtschaftswachstum der Südeuropäer auswirken. Noch ist Spanien ein Wachstumstreiber in der EU. Trotz katalanischer Unruhen legte das Bruttoinlandsprodukt im Sommer um 0,8 Prozent zu. Allerdings korrigierte die Regierung in Madrid ihre Zahlen für 2018 bereits von 2,6 auf 2,3 Prozent Wachstum. Experten gehen sogar davon aus, dass durch die Ereignisse in Katalonien das spanische Bruttoinlandsprodukt um 0,8 Prozent sinken könnte.

Europäische Unsicherheit

Die Geschehnisse in Katalonien sind in letzter Zeit nichts Ungewöhnliches in der Europäischen Union. Was hier vorläufig abgewendet werden konnte – nämlich eine Zersplitterung der europäischen Regionen –, haben die Briten durch ein Referendum im Juni vergangenen Jahres besiegelt. Der Brexit sitzt nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich in den Knochen. Gerade paneuropäische Unternehmen, die sich bislang auf die Zollfreiheit innerhalb der Währungsunion verlassen haben, müssen nun mit einer neuen Unsicherheit planen – eine Quadratur des Kreises. Die Zeiten, in denen verlässliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen für einen stabilen Wachstumskurs gesorgt haben, scheinen vorbei zu sein. Vielmehr müssen die Unternehmen wie jetzt in Katalonien kurzfristig reagieren. Oder sie müssen langfristig mehrere Szenarien vorbereiten, wie beim Brexit, deren Verhandlungen wie ein Damoklesschwert über den Vertriebs- und Produktionsstandorten deutscher Mittelständler hängen.

Daneben ist es fast schon zur Tagesordnung geworden, vor Wahlen in Österreich, Frankreich oder den Niederlanden Stoßgebete auszusenden, damit nicht nationalistische beziehungsweise protektionistische Parteien an die Macht kommen. Diese Situation des Hoffens und Bangens ist neu für die europäische Idee eines freien Austauschs von Waren und Arbeitskräften. Um damit umzugehen, braucht es gleichermaßen unternehmerische Strategien wie auch politische Reformen, um gegen die unterschiedlichen Beben und Brandherde gewappnet zu sein. Doch wie stellt sich der deutsche Mittelstand auf die neue Fragmentierung auf dem Kontinent konkret ein?

 

Lesen Sie morgen im Zweiten Teil, unter anderem über den Umgang deutscher Familienunternehmer mit dem Brexit.

 

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