Steuerliche Aspekte bei der Unternehmensnachfolge

Interview mit Prof. Dr. Christoph Juhn, Professor für Steuerrecht, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei Juhn Partner

Bei einer soliden vertraglichen Gestaltung eignet sich das flexible Gestaltungsinstrument aber auch im Bereich der Unternehmensnachfolge.
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Die Übergabe eines Unternehmens ist nicht nur eine emotionale, sondern auch eine steuerliche Herausforderung. Prof. Dr. Christoph Juhn, Steuerexperte und Gründer der Juhn Partner GmbH, erläutert im Gespräch, warum steuerliche Fragen entscheidend für den Erfolg einer Nachfolgeregelung sind. Von der optimalen Transaktionsstruktur über Freibeträge bis hin zu Fallstricken, die den Bestand eines Betriebs gefährden können – wer rechtzeitig plant, kann erhebliche Abgaben sparen und Risiken minimieren.

Unternehmeredition: Warum sollten bei der Übergabe eines Unternehmens an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger steuerliche Fragen berücksichtigt werden?

Prof. Dr. Christian Juhn: Bei einer Unternehmensnachfolge sind steuerliche Überlegungen aus ganz unterschiedlichen Gründen relevant. Zwischen 85% und 100% des Betriebsvermögens lassen sich theoretisch steuerfrei übertragen. In der Praxis hängt das jedoch von zahlreichen Faktoren ab – allen voran der Art der Übertragung. Wer den eigenen Betrieb extern im Rahmen eines Asset Deals oder eines Share Deals gewinnbringend verkauft, kann mit Ertragssteuern rechnen. Wird die Firma familienintern unentgeltlich an die nächste Generation übergeben, können Abgaben wie Schenkungs- oder Erbschaftssteuer anfallen. Daneben ergeben sich möglicherweise auch umsatzsteuerliche Fragen, wenn Immobilien oder bestimmte Vermögenswerte übergeben werden. Zudem spielt die Rechtsform eine Rolle. Es gibt Fristen, Altersgrenzen, Freibeträge und zahlreiche Sonderfälle. Entsprechend wichtig ist beim Thema Unternehmensnachfolge eine rechtzeitige und sorgfältige Planung. Nur so lässt sich die Abgabenlast optimieren.

Welche betreffen den Verkäufer?

Beim Verkauf an Dritte, etwa das eigene Management oder andere Mitarbeitende, wird grundsätzlich der Gewinn, also der Anteil des Preises, der den Unternehmenswert übersteigt, versteuert. Bei Personengesellschaften gelten diese Veräußerungsgewinne als außergewöhnliche Einkünfte, bei deren Bemessung das Finanzamt die sogenannte Fünftelregelung anwendet, wodurch die Steuerlast geringer ausfällt. Bei Kapitalgesellschaften greift das Teileinkünfteverfahren, wodurch 40% des Gewinns steuerfrei bleiben. In puncto Abgaben macht es außerdem einen großen Unterschied, ob Unternehmerinnen und Unternehmer ihren Betrieb im Privatvermögen oder über eine Holding halten. Insbesondere bei hohen Verkaufssummen können Holdingstrukturen erhebliche Steuererleichterungen bedeuten.

Was sollten Nachfolgerinnen und Nachfolger beachten?

Was auf Nachfolgerseite zu beachten ist, hängt stark vom jeweiligen Einzelfall ab und kann unter Umständen sehr komplex sein. Gibt es beispielsweise eine unentgeltliche, familieninterne Regelung, bei der eines von mehreren Kindern den Betrieb übernimmt, stehen Themen wie Vermögensausgleich für Geschwister und Versorgungsleistungen etwa in Form einer monatlichen Rente im Raum. Je nachdem, welches Ziel bei der Übergabe verfolgt wird, kann die bisherige Unternehmensleitung auch ein Mitspracherecht vereinbaren, sodass keine komplette Vermögensübertragung stattfindet. Daneben gibt es Freibeträge, Sonderregelungen und bestimmte Fristen, die für die Höhe der Steuerlast entscheidend sind. Bei Letzterem ist insbesondere die Behaltensfrist relevant. Wird ein Betrieb mit einem rein operativen Vermögen an die nächste Generation verschenkt oder vererbt, kann das steuerbegünstigt oder sogar steuerneutral geschehen, wenn die Person, die die Unternehmensnachfolge antritt, die Firma und die bisherige Lohnsumme fünf beziehungsweise sieben Jahre weiterführt.

Was sind die Unterschiede zwischen Asset Deals und Share Deals bei Unternehmensübergaben?

Bei Unternehmensverkäufen gibt es zwei gängige Arten von Transaktionen: Asset Deal und Share Deal. Hauptsächlich unterscheiden sich diese beiden Ansätze in der Art, wie die Firma oder ihre Vermögenswerte übertragen werden. Während bei einem Asset Deal die Käuferin oder der Käufer bestimmte Vermögenswerte wie Immobilien, Maschinen, Marken oder Inventar einzeln erwirbt, geht es bei einem Share Deal um den Kauf von Anteilen an der Zielgesellschaft. Mit Blick auf die Steuer stehen sich die Interessen der Käufer- und der Verkäuferseite dabei oft diametral entgegen. In der Regel favorisiert erstere Asset Deals, um den Kaufpreis abzuschreiben. Letztere bevorzugt Share Deals, da der Veräußerungsgewinn mit etwa 25% statt mit dem persönlichen Steuersatz besteuert wird. Um hier eine Brücke zu schlagen, wird die Diskrepanz in der Praxis über den Kaufpreis ausgeglichen. Bei einem Verkauf durch eine Holding kann die Steuer sogar nur 1,5% betragen.

Welche Bewertungsfragen entscheiden über die bei einer Nachfolge entstehenden Steuerbelastungen für beide Seiten?

Neben der Bewertung des Unternehmens sowie der Wahl der Transaktionsstruktur spielt auch die Berücksichtigung von Freibeträgen für Erbschafts- oder Schenkungssteuern eine Rolle. Außerdem gilt es die finanzielle Situation der übernehmenden Personen zu bedenken. Insbesondere bei Verkäufen werden Unternehmen im Rahmen einer Due Diligence auf Herz und Nieren geprüft, um Überraschungen zu vermeiden.

Können Schenkungen innerhalb der Familie Vorteile gegenüber der Erbschaft bieten?

In vielen Fällen ist eine Schenkung eines Unternehmens an Familienmitglieder eine sinnvolle Form der Nachfolgeregelung. Rechtzeitig in Angriff genommen, lassen sich sowohl Erbstreitigkeiten vermeiden als auch Steuern sparen. Grundsätzlich ist die Höhe der Steuern bei Schenkungen und Erbschaften ähnlich, bei Ersteren kann je nach Verwandtschaftsgrad der Freibetrag aber alle zehn Jahre in Anspruch genommen werden. Bei einer Erbschaft ist dies nur einmal möglich.

Bestehen auch Lösungen innerhalb der Nießbrauchregelungen?

Insgesamt ist die steuerliche Behandlung des Nießbrauchs komplex und muss im Einzelfall geprüft werden. Bei einer soliden vertraglichen Gestaltung eignet sich das flexible Gestaltungsinstrument aber auch im Bereich der Unternehmensnachfolge. Das gilt vor allem in Form des sogenannten Zuwendungsnießbrauchs, bei dem Gesellschafter ihren Geschäftsanteil behalten, ihn aber mit einem Nießbrauch zugunsten einer bestimmten Person belasten. Dadurch hat diese begünstigte Person Anspruch auf die Unternehmensgewinne, während alle weiteren Rechte und Pflichten bei der Inhaberin bzw. beim Inhaber des Unternehmens verbleiben. Wer hingegen die unternehmerische Verantwortung abgeben möchte, nutzt den Vorbehaltsnießbrauch. Dabei wird die Unternehmensleitung der Firma vollständig übertragen, die frühere Inhaberin oder der frühere Inhaber behalten sich aber das Recht vor, an den Gewinnen zu partizipieren. So kann etwa die eigene Versorgung sichergestellt werden. Steuerlich sind solche Modelle interessant, da eine derartige unentgeltliche Übertragung ertragssteuerneutral vorgenommen werden kann. Sie erlaubt es sogar, bestimmte Freibeträge auszuschöpfen, soweit Schenkungssteuer anfällt.

Was bedeutet es, wenn neben Firmeninventar auch Grundstücke und/oder Gebäude in die Übergabe eingeschlossen sind?

Sind Immobilien ein Teilaspekt der Unternehmensübertragung, kann das verschiedene Implikationen haben. Grundsätzlich erhöht die Einbeziehung von Grundstücken oder Gebäuden den Wert der Firma. Da Immobilien als Vermögenswerte gelten, müssen sie je nach Situation und Umständen steuerlich beachtet werden. So unterliegt die Übertragung von Grundstücken der Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5°Prozent liegt. Allerdings gleicht keine Immobilie oder Übertragungssituation der anderen. Entsprechend wichtig ist es, im Vorfeld zu klären, welches Bewertungsverfahren etwa anwendbar ist und ob Sonderfälle vorliegen. Darunter fallen zum Beispiel Gebäude für den Zivilschutz oder solche auf fremdem Grund und Boden. Besondere Herausforderungen stellen sich zudem, wenn Familienmitglieder am Immobilienvermögen beteiligt sind oder ein Eigentümer beziehungsweise eine Eigentümerin sich einen Nießbrauch vorbehalten.

Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen aufgrund der Außerachtlassung steuerlicher Aspekte bei der Übergabe der Bestand von Unternehmen gefährdet war?

In der Praxis kommen solche Fälle öfter vor. Steuerliche Aspekte können den Bestand von Unternehmen schon allein dann gefährden, wenn auf Firmenseite keine Vorsorge für eine plötzlich erforderlich werdende Unternehmensnachfolge getroffen wird. Wie groß die Gefahr wirklich ist, hängt dabei von der Ausgangslage ab. Daher ein kurzes Beispiel: Aus gesundheitlichen Gründen ist ein Unternehmer gezwungen, seine GmbH zu verkaufen. Eine Käuferin steht zwar bereit, allerdings muss ein hoher Betrag an in der GmbH thesaurierten Gewinnen ausgeglichen werden. Dadurch kann eine Besteuerung dieses Gewinnvortrags für den Verkäufer zu einer erheblichen Last werden. Und auch die Käuferin ist entsprechend monetär belastet und muss eventuell sogar Fremdkapital in Anspruch nehmen. Tritt kurz darauf noch eine Krise ein, die eigentlich ein finanzielles Polster erfordert hätte, um das Unternehmen vernünftig fortzuführen, ist dies existenzbedrohend. Eine ausgeklügelte Vereinbarung im Kaufvertrag zur Streckung des Kaufpreises kann eine solche Situation vermeiden, allerdings braucht es hierfür eine gute Beratung sowie Zeit zur Entwicklung und Umsetzung steueroptimierender Maßnahmen.

Wie können sich Veräußerer und Nachfolger am besten auf die steuerlichen Fragen einer Übergabe vorbereiten?

Es ist ratsam, den Generationswechsel möglichst frühzeitig zu planen. Im besten Fall machen sich Unternehmerinnen und Unternehmer schon Jahre im Voraus Gedanken darüber, wie sie sich ihren Rückzug vorstellen, wann sie aussteigen wollen, welche Ziele sie dabei verfolgen, und suchen sich dann kompetente rechtliche Beratung. Dabei sollten unbedingt Steuerfachleute hinzugezogen werden, nicht nur um die steuerlichen Auswirkungen der Übergabe zu verstehen, sondern auch um geeignete Strategien zur Optimierung der Abgabenlast zu entwickeln. Das gilt übrigens für alle involvierten Parteien. Außerdem ist beim Kauf eine detaillierte Due Diligence unerlässlich. Nur so lassen sich alle steuerlichen Aspekte der Transaktion abbilden und potenzielle Probleme frühzeitig identifizieren. Entsprechend wichtig ist es, in Abstimmung mit Steuerexperten, die Transaktionsstruktur sorgfältig auszuarbeiten.

Lieber Herr Prof. Juhn, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.


ZUR PERSON

Foto: © JUHN Partner GmbH

Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und besitzt einen Master of Laws. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmen- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht, Unternehmenskäufen/-verkäufen (M&A), Beratung für Berater sowie der laufenden Steuerberatung. 2015 gründete er die Juhn Partner GmbH, eine Kanzlei mit Standorten in Köln, Bonn und Düsseldorf, die sich besonders auf die Steuerberatung von Kapital- und Personengesellschaften spezialisiert hat.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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