StaRUG: Damit nichts haften bleibt!

Mit dem StaRUG können Unternehmen selbst bestimmen, mit welchen ihrer Gläubiger sie sich – im Wesentlichen nicht öffentlich – restrukturieren möchten. Diese weitreichende Gestaltungskompetenz ist jedoch kein Freifahrtschein, denn der Gesetzgeber hat für das StaRUG eigene Haftungsregelungen geschaffen. Wenn die Geschäftsleitung sich dessen bewusst ist und diese im Blick hat, stellen sie gleichwohl weniger ein Risiko als vielmehr eine wichtige Leitplanke für eine geordnete Restrukturierung dar.

Die Haftungsregelungen des Geset­zes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungs-rahmen für Un­ternehmen (StaRUG) sind zweigeteilt. Sie umfassen die sogenannte Innen­haf­tung, bei der mögliche Ansprüche gegen die Geschäftsleitung von haftungs­beschränkten Gesellschaften vom (eige­nen) Schuldnerunternehmen geltend ge­macht werden, und die Außenhaftung der Geschäftsleitung gegenüber Dritten – also etwa den Gläubigern.

Sorgfaltspflicht einer gewissenhaften Geschäftsleitung

Die Innenhaftung, die ab der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht greift, ist in § 43 des StaRUG geregelt. Die Regelungen dieses Paragrafen verpflichten die Geschäftsleitung dazu, die Restrukturierung mit der Sorgfalt einer ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitung zu betreiben und die Inte­ressen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren – ein Sorgfaltsmaßstab, der ohnehin in weiten Teilen den all­gemeinen Sorgfaltspflichten von GmbH-­Geschäftsleitungen und Vorständen ent­spricht.

In die StaRUG-Praxis übersetzt be­deu­tet das, dass die Geschäftsleitung während der Restrukturierung wie selbstständige, treuhänderische Verwalter agie­ren sollte, die für die Gläubiger tätig sind und ein fremdes Vermögen verwalten. Hintergrund dafür ist, dass das Schuldnerunternehmen in einer StaRUG-­Re­struk­turierung – die hauptsächlich außer­gerichtlich abläuft – dazu verpflich­tet ist, die Gläubigerinteressen zu wahren.

Von dieser Pflicht darf die Geschäftsleitung weder aus eigenem Antrieb noch auf Weisung der Gesellschafter abweichen. Auch ein Verweis auf die Business Judgement Rule kommt nicht infrage, da die Entscheidung für oder gegen die Befolgung der Schuldnerpflichten des StaRUG keine unternehmerische ist.

Dokumentation hilft bei Auswahlermessen

Ist jedoch die Rechtslage unklar oder hat die Geschäftsleitung bei der Aus­wahl der gebotenen Handlungsweise mehrere Optionen, dürfte ihr in gewissem Umfang ein Auswahlermessen zugestanden werden. Vor einer solchen Entscheidung stehende Geschäftsleitungen sollten sowohl ihre Aufklärungsbemühungen und die Einbindung sachverständiger Dritter als auch ihre Entscheidungsfindung dokumentieren – ­eine Empfehlung, die unabhängig davon für die gesamte Dauer einer StaRUG-Restruk­turierung gilt.

Die Dokumentation kann der Geschäftsleitung auch dann helfen, wenn sie sich mit Haftungsansprüchen konfron­tiert sieht sowie darlegen und beweisen muss, dass sie pflichtgemäß gehandelt hat oder – falls nicht – der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln entstanden wäre. Dies ist insofern von Bedeu­tung, als in § 43 des StaRUG zunächst davon ausgegangen wird, dass die Schuld für einen Schaden bei der Geschäftsleitung liegt.

Bei einer StaRUG-Restrukturierung haftet die Geschäftsleitung für schuld­haf­tes Handeln oder Unterlassen und hat damit Vorsatz und Fahrlässigkeit zu ver­treten. Sind mehrere Geschäftsleiter bestellt, haften diese gesamtschuldnerisch.

Ablauf präventiver Restrukturierungsrahmen
Zum Vergrößern bitte hier klicken; Quelle: Schultze & Braun

Haftungsfreistellung ausgeschlossen

Die Schadensersatzpflicht der Geschäftsleitung erstreckt sich auf den sogenannten Quotenschaden, also die Minderung des Vermögens des Schuldnerunternehmens. Bei der Frage, ob ein Schaden vorliegt und – wenn ja – in welcher Höhe und was der Grund dafür ist, kann sich die Geschäftsleitung auf die Beweiserleichterung nach § 287 der Zivil­prozessordnung berufen.

Wichtig ist, dass Schadensersatzansprüche, die im Rahmen einer StaRUG-­Restrukturierung entstehen, nicht zur Disposition des Unternehmens stehen. Das bedeutet, dass ein Verzicht auf den Schadensersatzanspruch durch die ­Gesellschafterversammlung des betroffenen Unternehmens – also eine Haftungsfreistellung der Geschäftsleitung – nicht möglich ist.

Das gilt auch für einen diesbezüglichen Vergleich – außer bei Anwendung von Ausnahmen, die in § 43 StaRUG festgelegt sind. Danach soll unter Berücksichtigung der jeweiligen Leistungs­­fähigkeit der Geschäftsleitung eine praktikable Lösung ermöglicht werden, die für die Gläubiger wirtschaftlich sinnvoll ist und folglich ihrem Interesse dient, einen möglichst großen Anteil ­ihrer Forderung zu erhalten.

Zahlungen nicht grundsätzlich verboten

Dieses Ziel, für welches das Vermögen des Schuldnerunternehmens nicht redu­ziert werden darf, haben Gläubiger sowohl bei einer StaRUG-Restrukturierung als auch in einer Insolvenz. Gleichwohl sind dem Schuldnerunternehmen, anders als in einer Insolvenz, beim StaRUG Zahlungen nicht grundsätzlich verboten – eine Option, die Reiz und Chance des außergerichtlichen Sanierungsverfahrens ausmacht. Die Geschäftsleitung hat sich bei einer StaRUG-Restrukturierung also gerade nicht so zu verhalten, als sei ihr Unternehmen bereits insol­venzantragspflichtig.

Mögliche Ansprüche aus Innenhaftung

Gleichwohl sollte die Geschäftsleitung besonderes Augenmerk auf ein mögliches Worst-Case-Szenario legen: Denn ist die StaRUG-Restrukturierung nicht erfolgreich, muss für das Unternehmen in der Regel ein Insolvenzantrag gestellt werden. Oftmals wird dann die Insol­venzverwaltung Ansprüche aus der Innenhaftung gegen die Geschäftsleitung prüfen und – falls diese zutreffend sind – geltend machen.

Zeichnet sich während der StaRUG-­Restrukturierung also ab, dass das Unter­nehmen zahlungsunfähig oder über­schul­det werden könnte, sollte die Geschäftsleitung spätestens dann dafür Sorge tra­gen, dass sich das Vermögen des Unter­nehmens nicht (weiter) verringert.

Anzeigepflicht und Haftung im Insolvenzfall

Treten Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, muss die Geschäftsleitung dies beim zuständigen Gericht anzeigen. Andernfalls drohen ihr eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Hinzu kommt, dass in ­einem solchen (Insolvenz-)fall all die Haftungsregelungen der Insolvenzordnung greifen, nach denen die Geschäftsleitung für verbotene Zahlungen persönlich voll und unbeschränkt haftet.

Die Außenhaftung der Geschäftsleitung bei haftungsbeschränkten Gesellschaften greift bei einer StaRUG-Restruk­turierung, wenn Gläubiger etwa einen Schaden erleiden, da die Geschäftsleitung durch schuldhaft falsche Angaben eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, die eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre umfasst, oder Verwertungserlöse nicht ordnungsgemäß behandelt hat.

FAZIT

Für die Geschäftsleitung gilt bei StaRUG-­­Restrukturierungen die Devise, das Unternehmen und die Restrukturierung mit der Sorgfalt einer ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitung zu betreiben. Zudem muss sie dabei immer die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger im Blick behalten und wahren.

Orientiert sich die Geschäftsleitung an dieser Devise und holt sie sich im Zwei­felsfall sachverständige Dritte an die Seite, kann ihr der Pflichtenkanon der Haftungsregelungen als wichtige Leitplanke für eine ordentliche Re­struk­tu­rie­rung dienen und sollte den Re­struk­turie­rungsbemühungen des betroffenen Unternehmens nicht im Wege stehen.


Dieser Beitrag erschien in der Unternehmeredition 2/2021.

Autorenprofil
Dr. Ludwig J. Weber

Rechtsanwalt Dr. Ludwig J. Weber, LL.M., ist Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und ­Gesellschaftsrecht. Als verantwortlicher Partner im Bereich Wirtschaftsrecht von Schultze & Braun liegt sein Tätigkeitsschwerpunkt im Handels- und ­Gesellschaftsrecht – zumeist im Rahmen von Restrukturierungen und Sanie­rungen.

 

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