Sinkende Zahl der Insolvenzen täuscht

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Krise – Lockdown – sinkende Umsätze – Millionen Menschen in Kurzarbeit: Das perfekte Szenario für eine Welle von Unternehmenspleiten? Weit gefehlt, denn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Deutschland hat zu einem Paradoxon geführt. Die Zahl der Pleiten sinkt immer weiter – für den August meldete das Statistische Bundesamt einen Rückgang der Insolvenzen gegenüber dem Vorjahr um satte 35%. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn seit rund einem Jahr steigen die Insolvenzen bei größeren Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro. Dieser Trend setzt sich weiter fort. Zudem steigen auch die voraussichtlichen Forderungen von Gläubigern aus Insolvenzverfahren kontinuierlich an.

 

Die zumindest teilweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum Ende des Jahres 2020 stößt auch auf Kritik. Das böse Wort der „Zombieunternehmen“ fällt immer wieder. Der Deutsche Bank-CEO Christian Sewing erklärte auf dem Wirtschaftstag der CDU in Berlin: “Es kann nicht nach dem Gießkannenprinzip weitergehen. Das schadet unserer Volkswirtschaft. Wir müssen ein gewisses Maß an kreativer Zerstörung zulassen.”

Creditreform erwartet 2021 mehr als 24.000 Insolvenzen

Creditreform rechnet für das laufende Jahr mit rund 7% weniger Insolvenzen als noch in den vergangenen Jahren. Im ersten Quartal 2021 wird dann nach bisherigen Schätzungen eine regelrechte Insolvenzwelle erwartet. Für das gesamte Jahr 2021 gehen die Experten von rund 24.000 Unternehmensinsolvenzen aus. Diese Zahl liegt aber immer noch deutlich unter dem Wert nach der Finanzkrise 2008/2009. Trotz der angekündigten außerordentlichen Wirtschaftshilfe der Bundesregierung, der sogenannten „Novemberhilfe“, blicken viele Unternehmer nach der Befragung der Creditreform in eine düstere Zukunft.

Textilbranche weiter in der Krise

„Insgesamt sind acht große textile Einzelhändler in den ersten neun Monaten des Jahres in die Insolvenz geschlittert“, sagt Ron van het Hof CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Das sind fünf mehr als im Vorjahreszeitraum, das ist eine Zunahme um rund 166%. Auch im Non-Food Einzelhandelssektor gab es 2020 vier weitere große Pleiten“. Dies ist nach Ansicht des Euler Hermes Chefs deswegen so besorgniserregend, weil diese Entwicklung dem allgemeinen Trend der sinkenden Insolvenzzahlen entgegenläuft. Im stationären Bekleidungseinzelhandel prognostiziert er Umsatzverluste von 12 Mrd. EUR. Schon jetzt würden die Einnahmeverluste den Wert von einem Viertel übersteigen.

Deutsche zahlen weiter pünktlich

Gute Nachrichten gibt es der von der SCHUFA: Trotz Corona-Krise zahlen die Menschen in Deutschland ihre Rechnungen und Kredite pünktlich zurück. Die Mehrheit der befragten Verbraucher hat aktuell weder Einkommenseinbußen noch Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Das sind einige der Ergebnisse des SCHUFA Risiko- und Kredit-Kompasses, der jährlich erscheint. Von den befragten Verbrauchern glauben 83 Prozent, dass sich mit dem Impfstoff die wirtschaftliche Gesamtsituation verbessern wird und fast die Hälfte vermuten das auch von ihrer persönlichen finanziellen Lage. Bei den Unternehmen ist das durchschnittliche Gesamtbild ebenfalls positiv: Erhöhte Zahlungsausfälle und Insolvenzen sind nach der aktuellen Befragung nicht festzustellen. In der Corona-Pandemie hat sich die vertragsgemäße Bedienung von Krediten seitens Gewerbetreibender, Freiberuflern oder eingetragener Kaufleute bisher nicht verändert.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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