Schuhgroßhändler Pölking saniert sich in Eigenverwaltung

Foto: frilled_dragon_AdobeStock

Die J.H. Pölking GmbH & Co.KG aus Osnabrück hat am 20. März 2023 einen Antrag auf ein Eigenverwaltungsverfahren gestellt. Das Amtsgericht Osnabrück hat dem Antrag entsprochen, die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet und den Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Stefan Meyer von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Der traditionsreiche im Jahr 1894 gegründete Schuhgroßhändler Pölking will damit laut Pressemitteilung die Möglichkeiten des modernen Eigenverwaltungsverfahrens nutzen, um sich an die veränderten Marktgegebenheiten anzupassen und für die Zukunft neu und wettbewerbsfähig aufzustellen.

Rechtsanwalt Joachim Walterscheid und sein Team von der Walterscheid Rechtsanwaltsgesellschaft für Restrukturierung mbH unterstützen die Geschäftsführung von Pölking als Generalhandlungsbevollmächtigter in dem gerichtlichen Sanierungsverfahren, hieß es in der Mitteilung weiter. Der vom Gericht eingesetzte (vorläufige) Sachwalter Stefan Meyer überwache das Verfahren konstruktiv im Interesse der Wahrung der Gläubigerrechte und bringe seine Sanierungserfahrung ein, um die Restrukturierung und den Erhalt des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze zu gewährleisten.

Grund für die Antragstellung sei eine drohende Zahlungsunfähigkeit, die durch die Krisen der vergangenen Jahre ab 2020 beginnend hervorgerufen worden sei. Die Coronapandemie habe dem gesamten, insbesondere dem retail-lastigen Schuhhandel mit den langen Standortschließungen erheblich zugesetzt. Nach einer nur kurzen Erholungsphase habe zuletzt die geopolitische Lage mit dem Angriffskrieg in der Ukraine und die damit untrennbar verbundene Energiekrise als massive Inflationstreiber gewirkt, was zu einer sehr deutlichen Konsumzurückhaltung geführt hat. Die durch diese Krisen hervorgerufenen Umsatz- und Ertragsrückgänge hätten sukzessive die Liquidität aufgezehrt. Diese insoweit massiv belastete Liquiditätssituation der J.H. Pölking GmbH & Co.KG habe den Schritt in die Eigenverwaltung erforderlich gemacht.

„Unser Geschäftsbetrieb wird vollumfänglich fortgeführt. Wir beliefern auch weiterhin den Einzelhandel mit Schuhen aus unserem aktuellen Katalog“, sagt Geschäftsführerin Angelika Pölking.

Die Verantwortlichen informierten die rund 85 Mitarbeiter im Rahmen einer Mitarbeiterinformationsversammlung über den aktuellen Stand und die anstehenden weiteren Schritte im Eigenverwaltungsverfahren. Die Gehälter der Mitarbeiter seien durch das Insolvenzgeld im vorläufigen Verfahren für insgesamt drei Monate gesichert.

Sanierungskonzept für Neuaufstellung

Ziel sei es, das Unternehmen nachhaltig zu sanieren und damit zukunfts- und wettbewerbsfähig neu aufzustellen. Dafür werde Pölking das bestehende Sanierungskonzept in den kommenden Wochen und Monaten sukzessive weiter entwickeln und in Abstimmung mit dem Sachwalter, seinem Team und unter Einbeziehung der Gläubiger sodann unmittelbar umsetzen. „Der Schuhgroßhändler Pölking hat einen hervorragenden, sehr breiten und über Jahrzehnte gewachsenen Kundenstamm in Deutschland und im osteuropäischen Ausland. Wir werden alle erforderlichen Sanierungsmaßnahmen umsetzen und die identifizierten Effizienzpotenziale heben. Das Unternehmen hat frühzeitig genug gehandelt und daher gute Voraussetzungen für die Neuaufstellung im Rahmen der Eigenverwaltung“, sagt der Bevollmächtigte Rechtsanwalt Joachim Walterscheid.

Der Geschäftsbetrieb der J.H. Pölking GmbH & Co.KG werde vollumfänglich fortgeführt. Insoweit werden die Pölking-Mitarbeiter auch die insgesamt mehr als 3.000 Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland und im europäischen Ausland genau so verlässlich weiter betreuen, wie die Kunden das vor der Einleitung des Sanierungsverfahrens gewohnt waren.

„Die vorgefundene Ausgangssituation, die ersten Gespräche und Verhandlungen sowie insbesondere die frühzeitige Verfahrenseinleitung stimmen mich zuversichtlich, dass das Verfahrensziel einer nachhaltigen Sanierung und damit der Erhalt des Unternehmens erreicht werden kann“, sagt der vorläufige Sachwalter Stefan Meyer von PLUTA.

1894 in Osnabrück gegründet, ist die J.H. Pölking GmbH & Co. KG ein starker Partner des Einzelhandels im Schuhsegment. Neben dem klassischen Schuhfacheinzelhandel, der nach wie vor stärkste Vertriebsweg, werden eigene Outlets und Einzelhandelsstandorte betrieben. Das Online-Geschäft mit verschiedenen Web-Shops hat in den vergangenen Jahren eine gute Entwicklung verzeichnet und nimmt zunehmende Umsatzanteile ein. Die J.H. Pölking GmbH &Co. KG verfügt über eine in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaute Kundenstruktur von 3.000 Kunden in Europa, wobei Deutschland und Osteuropa den Schwerpunkt bilden. Das Unternehmen ist durch seine hohe Flexibilität bei Liefermengen und Lieferzeit bekannt und im Markt anerkannt.

Die Eigenverwaltung bietet dem Unternehmen die Möglichkeit, die gesetzlichen Sanierungs- und Restrukturierungselemente für sich zu nutzen und berücksichtigt gleichzeitig die Interessen der Gläubiger und damit das Verfahrensziel. Das Unternehmen darf, unterstützt durch erfahrene Sanierungsexperten und unter Aufsicht eines Sachwalters, die Gesellschaft selbst durch das Eigenverwaltungsverfahren führen und alle operativen Entscheidungen weiter eigenverantwortlich treffen. Bei einem Eigenverwaltungsverfahren bleibt die Geschäftsführung des Unternehmens im Amt und für das laufende Geschäft und die Restrukturierung verantwortlich.

Geschäftsbetrieb in Filialen läuft weiter

Betroffen von der Antragstellung ist auch die Lemax shoe-fashion GmbH, die zur Gruppe gehört und inklusive des Outlets am Sitz des Unternehmens insgesamt 13 Filialen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen sowie mehrere Onlineshops betreibt. Die Gehälter der rund 75 Mitarbeiter von Lemax sind ebenfalls über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert. Der Geschäftsbetrieb wird an allen Standorten ebenso wie bei der J.H. Pölking GmbH & Co.KG uneingeschränkt fortgeführt.

Die vorläufige Insolvenzverwalterin in diesem Verfahren ist Dr. Ria Brüninghoff von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH. Die Fachanwältin und Sanierungsexpertin erklärt: „Die Kunden können wie gewohnt vor Ort einkaufen und auf das gesamte Sortiment zurück greifen. Auch die Onlineshops sind weiter uneingeschränkt verfügbar und Bestellungen jederzeit gerne möglich. Für das Verfahren streben wir in enger Abstimmung mit dem Eigenverwaltungsverfahren bei der J.H. Pölking GmbH & Co.KG gemeinsame Sanierungslösungen an.“ Frau Dr. Brüninghoff wird die rechtliche und wirtschaftliche Lage der Lemax shoe-fashion GmbH analysieren und alle sich bietenden Restrukturierungsoptionen in den kommenden Wochen prüfen.

Die Walterscheid Rechtsanwaltsgesellschaft für Restrukturierung mbH mit Standorten in Bad Oeynhausen und München berät Unternehmen seit vielen Jahren in Krisensituationen. Die Kanzlei verfügt über langjährige und umfassende Erfahrung mit insolvenzrechtlichen Situationen und ist insbesondere auf Insolvenzberatung, Sanierung/Restrukturierung, Eigenverwaltung und Risikomanagement spezialisiert.

PLUTA hilft Unternehmen in rechtlich und wirtschaftlich schwierigen Situationen. Seit der Gründung 1982 ist PLUTA stetig gewachsen und beschäftigt heute rund 500 Mitarbeiter in Deutschland, Spanien und Italien. Mehr als 290 Kaufleute, Betriebswirte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsjuristen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Ökonomen, Bankfachwirte, Buchhalter, Ingenieure und Fachkräfte für Insolvenzverwaltung, darunter viele mit Mehrfachqualifikationen, sorgen für praktikable, wirtschaftlich sinnvolle Lösungen. PLUTA unterstützt insbesondere bei der Sanierung und Fortführung von Unternehmen in Krisen oder Insolvenzsituationen und entsendet bei Bedarf auch Sanierungsexperten in die Organstellung. PLUTA gehört zur Spitzengruppe der Sanierungs- und Restrukturierungsgesellschaften, was Rankings und Auszeichnungen von INDat, JUVE, The Legal 500, Who’s Who Legal, brandeins und Focus belegen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Vorheriger ArtikelFirmengeschichte als Streamingserie
Nächster ArtikelSchweizer M&A-Markt 2022 erweist sich als widerstandsfähig