Restrukturieren heißt auch Finanzieren

Darüber hinaus kann der Kapitalbedarf zur Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen durch die Aufnahme neuer Eigenkapitalgeber gedeckt werden. Als Investoren in Krisensituationen treten vor allem auf Sondersituationen spezialisierte Finanz- und vermögende Privatinvestoren auf. Letztere sind häufig aktive oder ehemalige Unternehmer, die sich direkt oder über Family Offices an Unternehmen beteiligen. Beiden Investorengruppen ist gemein, dass sie über einen längeren Investitionshorizont verfügen und den Unternehmen Zeit geben, sich aus der Krise heraus zu entwickeln. Je höher die Erfordernisse der Restrukturierung sind, desto stärker werden neue Eigenkapitalgeber freilich dazu neigen, ihre Investition von Sanierungsbeiträgen auch der bestehenden Finanzierungspartner abhängig zu machen.

Zwei Wege aus der Krise
Welche Wege können beschritten werden, wenn ersichtlich wird, dass Beiträge aller Finanzierungspartner, also Gesellschafter und Fremdfinanzierer, für eine Restrukturierung erforderlich sind? Verkürzt gesagt stehen zwei Möglichkeiten zur Auswahl: ein gerichtlicher und ein außergerichtlicher Weg. Letzterer steht jedoch nur dann offen, wenn noch keine Insolvenzreife, d.h. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, eingetreten ist.

Der gerichtliche Weg einer Sanierung unter Nutzung der Möglichkeiten des Insolvenzrechts hat mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) an Aufmerksamkeit gewonnen, bedarf jedoch einer guten Vorbereitung. Insbesondere sollten potenzielle Investoren idealerweise bereits vor bzw. mit Beginn des gerichtlichen Verfahrens eingebunden werden. Die Vorteile eines solchen Verfahrens bestehen in der Planbarkeit und der deutlichen Befreiung von Altlasten. Allerdings besteht das Risiko für die Altgesellschafter, einen erheblichen Teil oder sogar sämtliche Gesellschaftsanteile zu verlieren. Belastend können sich zudem persönliche Haftungsverpflichtungen oder Bürgschaften der Gesellschafter auswirken. Hinzu kommt, dass eine Sanierung über eine Insolvenz aus heutiger Sicht immer noch die Gefahr der Beschädigung der Reputation des Unternehmens birgt.

Alternativ kann der außergerichtliche Weg gewählt werden. Hier werden mit einzelnen Parteien Vergleiche angestrebt. Dabei bestehen dann gute Chancen auf Erfolg, wenn glaubhaft dargelegt werden kann, dass im Falle einer Ablehnung das Szenario einer ungeplanten Insolvenz eintreten kann, in dem die Befriedigungsquote für die Fremdfinanzierer geringer ausfallen dürfte. Dieses Argument ist allerdings dann nur eingeschränkt nutzbar, wenn die Mehrzahl der Gläubiger über ausreichende Sicherheiten (z.B. Eigentumsvorbehalte, Bürgschaften, Grundschulden) verfügt.

Eines sollten Unternehmen und Gesellschafter in einem Verzichtsszenario in beiden Fällen bedenken: Für neue Kredite werden die bestehenden Banken in der Regel nicht mehr zur Verfügung stehen. Durch die etwaige Vereinbarung von Besserungsscheinen kann die Bereitschaft, das Unternehmen überhaupt weiter zu begleiten, jedoch erhöht werden. Daher ist es in vielen Fällen elementar, durch die Aufnahme neuer Gesellschafter liquide Mittel für die Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen zu gewinnen.

Fazit:
Zur Überwindung von Krisensituationen müssen alle Stakeholder eines Unternehmens beitragen. Insbesondere wenn neue Eigenkapitalgeber eingeworben werden sollen, müssen die Sanierungsmaßnahmen rechtzeitig vorbereitet werden.

Autorenprofil

Guido Köcher ist Direktor, Christoph Böcker Projektmanager im Bereich Unternehmensfinanzierung/Beteiligungskapital Mittelstand der NRW.Bank. Die NRW.Bank ist die Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen. Über ihren Spezialfonds vergibt sie bis zu 5 Mio. EUR Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel an Unternehmen in Krisensituationen. www.nrwbank.de

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