Rekordwert bei Insolvenzen im Juli

Insolvenz
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Die Zahl der Unternehmenspleiten in Deutschland ist im Juli 2024 überraschend stark gestiegen und hat einen Rekordwert erreicht. Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) meldeten im vergangenen Monat 1406 Unternehmen Insolvenz an. Dies stellt die höchste Zahl seit etwa zehn Jahren dar und übertrifft den bisherigen Höchststand vom April 2024. Im Mai und Juni 2024 war die Zahl der Firmenpleiten noch zurückgegangen. Im Juli stieg sie im Vergleich zum Vormonat jedoch um 20% an. Verglichen mit dem Vorjahresmonat legte die Zahl der Insolvenzen um 37% zu. Der Anstieg der Insolvenzen betrifft laut IWH alle Branchen, ist jedoch im verarbeitenden Gewerbe besonders ausgeprägt. Nach 100 insolventen Industrieunternehmen im Juni, was dem Durchschnitt der letzten zwölf Monate entspricht, stieg die Zahl im Juli auf 145. Dies sei ein neuer Höchstwert seit der Erfassung von Brancheninformationen im IWH-Insolvenztrend im Januar 2020. Besonders betroffen seien die Länder Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen gewesen.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Schließungen großer Arbeitgeber könnten hohe und dauerhafte Einkommens- und Lohnverluste bei den betroffenen Beschäftigten bedeuten, führte das IWH aus. In den größten zehn Prozent der Unternehmen, deren Insolvenz im Juli gemeldet wurde, waren knapp 10.000 Arbeitsplätze betroffen. Diese Zahl liegt nahe an den Werten des Vormonats. Für die kommenden Monate erwartet das IWH eine uneinheitliche Entwicklung bei den Insolvenzzahlen. „Wir rechnen damit, dass die Insolvenzzahlen im August leicht sinken und dann im September wieder ansteigen“, erklärte IWH-Experte Steffen Müller. Damit dürfte die Zahl der Insolvenzen auch weiterhin durchgehend über dem Niveau von vor der Corona-Pandemie liegen.

Der DIHK-Mittelstandsexperte Marc Evers erklärt zu der aktuellen Insolvenzentwicklung: „Die Warnsignale bei den Unternehmensinsolvenzen nehmen zu. Fast ein Drittel mehr Unternehmensinsolvenzen als im Jahr zuvor zeigen die angespannte wirtschaftliche Situation. Die DIHK rechnet damit, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr erstmals seit 2017 die Schwelle von 20.000 überschreiten könnte. Entlastungen bei Energiekosten, Steuern, Bürokratie und schnellere Genehmigungs- und Planungsverfahren sind dringend nötig, um den Betrieben wieder bessere Voraussetzungen für geschäftlichen Erfolg zu geben.“

Entspannung nicht in Sicht

Dr. Christoph Niering – Vorsitzender, Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)

„Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist zwar über das Niveau des Vorcoronajahres 2019 gestiegen. Sie ist aber noch deutlich entfernt von den Insolvenzzahlen, wie wir sie zu Zeiten der Finanzkrise gesehen haben“, stellt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) klar. Eine Entspannung sei aber vorerst nicht in Sicht. Die weiterhin schwache Konjunkturlage birgt Risiken für Unternehmen, die bisher der Krise getrotzt haben. „Wir erwarten aber auch zukünftig nicht, dass sich das Insolvenzgeschehen massiv ausweiten wird“, so Niering weiter. „Besonders größere Unternehmen nutzen zunehmend die Möglichkeit, sich mithilfe des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) zu sanieren und so eine Insolvenz zu vermeiden.“ Aktuell zeichne sich ein Umsatzrückgang in der Automobilwirtschaft ab, der zukünftig auch Insolvenzen zur Folge haben könnte. „Vor allem im Bereich der E-Mobilität hat sich die Nachfrage deutlich eingetrübt“, so der VID-Vorsitzende. „Schwache Nachfrage bei der E-Mobilität einerseits und bevorstehendes Aus des Verbrenners anderseits: In diesem Spannungsfeld werden Insolvenzen immer wahrscheinlicher.“

Dauerflaute in Deutschland

Die deutsche Wirtschaft steckt laut IWH derzeit in einer Dauerflaute. Im ersten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt zwar um 0,2%, doch im Frühjahr folgte ein Rückgang von 0,1%. Viele Experten erwarten für die zweite Jahreshälfte nur einen schwachen Aufschwung, da weite Teile der Wirtschaft über einen Auftragsmangel klagen. Das IWH wertet für seinen monatlichen Insolvenztrend die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Zudem erhebt das Institut Frühindikatoren, die dem Insolvenzgeschehen zwei bis drei Monate vorausgehen. Diese Frühindikatoren stiegen nach einem Rückgang im Juni im Juli stark an und bewegen sich damit wieder auf dem hohen Niveau, das zum Jahreswechsel verzeichnet wurde.

 

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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