Grundsätzlich darf gemäß Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EU) 2017/1127 ein öffentliches Angebot erst nach vorheriger Veröffentlichung eines Prospekts durchgeführt werden. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über einige ausgewählte Ausnahmen von dieser Verpflichtung, wobei der Schwerpunkt auf der Ausnahme für Kleinangebote bis 8 Mio. EUR sowie sich hieraus ergebenden Kombinationsmöglichkeiten liegt. Bei entsprechender Zusammenstellung sind hier öffentliche Angebote mit Gesamtemissionsvolumina im zweistelligen Millionenbereich möglich.
Leider wird ein Private Placement fälschlicherweise oftmals noch als Prospektausnahme angesehen. Ein Private Placement ist aber das genaue Gegenteil eines öffentlichen Angebots, weshalb es keine Prospektausnahme darstellt, sondern mangels Vorliegens eines öffentlichen Angebots die Verpflichtung zur Erstellung eines Prospekts bereits von vorneherein ausschließt. Der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EU) 2017/1127, mithin die Verpflichtung zur Erstellung eines Prospekts bei einem öffentlichen Angebot, ist bei einem Private Placement insofern nicht eröffnet, weshalb es bei einem Private Placement auch keiner Prospektausnahme bedarf.
Prospektausnahmen nach der Verordnung (EU) 2017/1127
Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EU) 2017/1127 sieht eine Reihe von Ausnahmen vor, die Emittenten von der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts befreien. Zu den bekanntesten Ausnahmen zählen eine Mindeststückelung von 100.000 EUR (Art. 1 Abs. 4 lit. c) Verordnung (EU) 2017/1127), eine Mindestzeichnungssumme von 100.000 EUR (Art. 1 Abs. 4 lit. d) Verordnung (EU) 2017/1127) sowie ein Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger (Art. 1 Abs. 4 lit. a) Verordnung (EU) 2017/1127). Liegt eine der Ausnahmen in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EU) 2017/1127 vor, muss weder ein Prospekt erstellt werden noch bestehen Beschränkungen des Volumens einer Kapitalmaßnahme.
Grundsätzliches zur Prospektbefreiung für Kleinangebote bis 8 Mio. EUR
Liegt keine der Ausnahmen i.S.v. Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EU) 2017/1127 vor, gilt gemäß § 3 WpPG die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EU) 2017/1127 nicht bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren von nicht mehr als 8 Mio. EUR, berechnet über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Dabei müssen Emittenten, deren Wertpapiere nicht an einem regulierten Markt gehandelt werden, ein dreiseitiges Wertpapier-Informationsblatt (WIB) erstellen, dessen Veröffentlichung von der BaFin gestattet werden muss. Sofern es sich um elektronische Wertpapiere handelt, darf das WIB sogar vier Seiten umfassen.
Kombinationsmöglichkeiten der Prospektbefreiung nach dem WpPG
In welcher Form und wie oft die „Nicht-mehr-als-8-Mio.-EUR-Ausnahme“ des § 3 WpPG ausgenutzt werden darf, wird unterschiedlich interpretiert. Die BaFin legt § 3 WpPG angebotsbezogen aus; das bedeutet, dass die Schwelle des § 3 WpPG für jedes öffentliche Angebot eines Emittenten gesondert betrachtet werden muss. Die angebotsbezogene Betrachtungsweise bietet Emittenten somit die Möglichkeit, innerhalb von zwölf Monaten mehrere öffentliche Angebote von nicht mehr als 8 Mio. EUR unter der Prospektbefreiung des § 3 WpPG durchzuführen. Unterschiedliche Angebote liegen zum einen bei verschiedenen Gattungen von Wertpapieren vor. Zum anderen ist aber auch die Art der Verbriefung als Unterscheidungsmerkmal heranzuziehen. So kann ein Emittent innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten beispielsweise eine Bezugsrechtkapitalerhöhung sowie Emissionen einer festverzinslichen Schuldverschreibung, eines Genussscheines, eines elektronischen Wertpapiers i.S.d. eWpG sowie einer tokenisierten Schuldverschreibung als Wertpapier sui generis durchführen. Allein diese Kombinationsmöglichkeiten bedeuten ein mögliches maximales Emissionsvolumen von bis zu 40 Mio. EUR innerhalb von zwölf Monaten, ohne einen Prospekt veröffentlichen zu müssen.
Was die wenigsten wissen: Auch die Durchführung mehrerer Bezugsrechtskapitalerhöhungen bis zu 8 Mio. EUR innerhalb eines zwölfmonatigen Zeitraums, die zusammengerechnet die 8-Mio.-EUR-Schwelle überschreiten, ist möglich. Dabei gilt es strengstens zu beachten, dass sich die jeweiligen Angebote deutlich voneinander unterscheiden. Eine Abgrenzungsmöglichkeit könnten z.B. ein unterschiedlicher Bezugspreis oder unterschiedliche Bezugsstellen sein. Gleichwohl ist hier Zurückhaltung geboten. Eine zweite Bezugsrechtskapitalerhöhung, die die 8-Mio.-EUR -Schwelle innerhalb des Zwölfmonatszeitraums überschreiten würde, sollte vorab mit der BaFin abgestimmt werden.
Prospektbefreiung für Kleinangebote nach EU-Verordnung
Wird ein Wertpapier als sogenanntes Packaged Retail Investment Product (PRIP) qualifiziert, muss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 WpPG für öffentliche Angebote bis 8 Mio. EUR kein Wertpapier-Informationsblatt, sondern ein sogenanntes Basisinformationsblatt nach der PRIIPs-VO erstellt werden. Unter einem PRIP ist gemäß Art. 4 Nr. 3 PRIIPs-VO ein „verpacktes Anlageprodukt für Kleinanleger“ zu verstehen, bei dem unabhängig von der Rechtsform der Anlage der dem Kleinanleger rückzuzahlende Betrag Schwankungen aufgrund der Abhängigkeit von Referenzwerten oder von der Entwicklung eines oder mehrerer Vermögenswerte, die nicht direkt vom Kleinanleger erworben werden, unterliegt. Zu den bekanntesten PRIPs zählen Wandelanleihen. Daneben sind z.B. auch Anleihen, deren Rückzahlung und/oder Verzinsung Schwankungen unterliegt, als PRIPs einzustufen. Einzelheiten zur Einstufung eines Wertpapiers als PRIP sind dem Merkblatt „Aufsichtsrechtliche Einordnung einzelner Ausstattungsmerkmale von Unternehmensanleihen auf Grundlage der PRIIPs-VO“ der BaFin zu entnehmen.
Auch bei einer Einstufung eines Wertpapiers als PRIP sind unterschiedlichste Kombinationsmöglichkeiten denkbar. Zudem haben PRIPs den Vorteil, dass das Basisinformationsblatt keiner Prüfung oder Billigung durch die BaFin bedarf und derartige Emissionen daher innerhalb weniger Tage durchführbar sind.
Fazit
Aufgrund der angebotsbezogenen Betrachtungsweise in Bezug auf die 8-Mio.-EUR-Schwelle des § 3 WpPG haben Emittenten die Möglichkeit, unterschiedliche Kapitalmaßnahmen zu kombinieren, die innerhalb von zwölf Monaten zusammen Emissionsvolumina von weit über 8 Mio. EUR erreichen können. Dabei gilt es stets zu beachten, dass es sich um unterschiedliche Angebote handeln muss, wobei jedes für sich die 8-Mio.-EUR-Schwelle des § 3 WpPG nicht überschreiten darf. Neben der Wertpapiergattung ist auch die Art der Verbriefung als Unterscheidungsmerkmal heranzuziehen. Dass Emittenten von diesen Kombinationsmöglichkeiten ausschweifend Gebrauch machen, darf aber bezweifelt werden, da zum einen jede einzelne Emission für den Emittenten einen Aufwand darstellt und zum anderen die Wertpapiere, sollte es sich beispielsweise um Anleihen handeln, auch über einen längeren Zeitraum betreut werden müssen. Bei einem erhöhten Kapitalbedarf ist daher weiterhin eine Emission mit einem Prospekt empfehlenswert. Gleichwohl kann es für Unternehmen in der einen oder anderen Phase erforderlich sein, mehr als eine Kapitalmaßnahme in einem Jahr durchzuführen, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Die Möglichkeiten hierzu bestehen.
Dieser Beitrag ist in unserem Special Corporate Finance Recht erschienen.
Markus Joachimsthaler
Markus Joachimsthaler, LL.M. ist Senior Associate bei Pinsent Masons Rechtsanwälte Steuerberater Solicitors Partnerschaft mbB mit einem Schwerpunkt im Bereich digitaler Wertpapiere. Er berät Unternehmen und Unternehmer im Zusammenhang mit allen aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Fragestellungen.