Die Lage am deutschen Private-Equity-Markt hat sich zuletzt deutlich verändert. Noch vor wenigen Jahren bestimmten Fantasiepreise, billige Finanzierung und hohe Transaktionsgeschwindigkeiten das Marktgeschehen. Inzwischen sind die Rahmenbedingungen komplexer geworden. Gestiegene Zinsen, Inflation und geopolitische Unsicherheiten sorgen für ein herausforderndes Umfeld. Wir haben mit einigen PE- und M&A-Professionals gesprochen über ihre aktuellen Markteinschätzungen. Lesen Sie nun den ersten Teil unserer Serie.
Selektivität ersetzt Volumen
Die Investmentlandschaft sei „nicht mehr vergleichbar mit der Euphoriephase von 2020 bis 2022“, konstatiert Kai Hesselmann, Managing Partner der Dealcircle GmbH. Der Markt sei abgekühlt – aber auch gereift. Die gesunkenen Transaktionszahlen führen laut Hesselmann jedoch nicht zu einem Einbruch der Qualität. Im Gegenteil: „Wir beobachten eine zunehmende Professionalisierung und Fokussierung der Investoren – Qualität statt Quantität.“ Für die kommenden 12 bis 18 Monate sei von einem „selektiven Wachstum“ auszugehen, insbesondere bei Unternehmen mit resilienten, konjunkturunabhängigen Geschäftsmodellen. Besonders gefragt seien Geschäftsmodelle, die eine hohe Visibilität beim Cashflow und ein klares Expansionspotenzial aufweisen. Auch Benedikt Ibing von Pegasus Partners bestätigt diese Entwicklung: In seiner täglichen Arbeit mit Small- und Mid-Cap-Unternehmen sei das Geld „nie locker“. Es zähle der technische und menschliche Fit – sowie eine belastbare Wachstumsstrategie. Investoren suchten heute gezielter, die Prüfprozesse seien länger und intensiver geworden.
Bewertungen wieder auf dem Boden
Die Phase überhitzter Unternehmensbewertungen ist nach einhelliger Einschätzung der Marktteilnehmer vorbei. „Die Zeit der Fantasiebewertungen ist im Small- und Mid-Cap-Segment weitgehend vorüber“, erklärt Ibing. Gerade in technologiegetriebenen Sektoren wie Batterietechnologie oder Wasserstoff sei eine gewisse Ernüchterung eingetreten – zu stark sei die politische Abhängigkeit vieler Modelle. Auch Hesselmann sieht die Multiples heute auf einem realistischeren Niveau. Entscheidend sei die „Qualität des EBITDA, das Zinsumfeld und die Attraktivität des jeweiligen Sektors“. Die Prämie sei nur dann gerechtfertigt, wenn entweder ein klarer Exit-Plan oder ein besonders wertvolles IP-Portfolio vorliege. Dabei spiele es auch eine Rolle, wie ein Verkaufsprozess initiiert werde: Wenn ein Unternehmer selbst verkauft, seien die Preisvorstellungen in der Regel bodenständig. Kommt der Verkaufsimpuls jedoch von einem M&A-Berater, sei das Preisniveau oft von überzogenen Erwartungen geprägt.
Deutschland bleibt attraktiv – mit Einschränkungen
Trotz der Herausforderungen sehen die Experten Deutschland weiterhin als attraktiven Investitionsstandort. „Die starke industrielle Basis, eine zunehmende Nachfolgewelle im Mittelstand und die stabile Rechtslage bieten weiterhin exzellente Buy-and-Build-Gelegenheiten“, sagt Hesselmann. Gleichzeitig gebe es strukturelle Probleme: Fachkräftemangel, Bürokratie und schleppende Digitalisierung bremsen das Wachstumspotenzial. Der Zugang zum US-Markt hat laut Ibing unterdessen an Bedeutung gewonnen. Angesichts der unsicheren geopolitischen Lage werde die Expansion nach Nordamerika zunehmend als strategische Option genutzt – insbesondere, wenn ein Exit im Inland schwierig erscheint. „Die Story eines Markteintritts in die USA passt gut ins Bild, wenn man auf einen Exit hinarbeitet“, so Ibing.
Neue Ansätze in der Wertsteigerung
Bei der Sevest liegt der Fokus weniger auf Financial Engineering sondern bei der operativen Verbesserung der Beteiligungen. Philipp Haindl, Geschäftsführer der Sevest, hat in seinem Haus ein eigenes Value Creation Team aufgebaut, das aktiv Prozesse optimiert, Kostenstrukturen verbessert und organisches Wachstum fördert. Zudem werden Buy-and-Build-Strategien unterstützt. Dabei gehe es nicht nur um die Umsetzung von Add-on-Akquisitionen, sondern um deren Integration. „Es reicht nicht, ein Zielunternehmen zu kaufen – man braucht die personellen Ressourcen und das Know-how, um aus mehreren Unternehmen ein funktionierendes Ganzes zu machen“, so Haindl. Die neuen Marktbedingungen stellen auch das Fundraising vor Herausforderungen. Insbesondere für Generalisten sei es aktuell „deutlich schwieriger, Kapital einzuwerben“, betont Haindl. Investoren suchten spezialisierte Strategien mit klarem Sektor-Fokus. Wer diese Kriterien nicht erfülle, habe es schwer, neue Kapitalzusagen zu gewinnen. Family Offices treten vermehrt als Kapitalgeber auf – mit dem Wunsch nach Transparenz, langfristiger Orientierung und Mitspracherechten.
Technologieeinsatz nimmt zu
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Datenanalyse in Due-Diligence-Prozessen und Portfoliosteuerung nimmt zu – ist aber nicht überall gleich effektiv. Während Haindls Team auf Tools wie Celonis zurückgreift, um Prozesse zu optimieren, sieht Ibing klare Grenzen für den KI-Einsatz in seiner Zielgruppe: „Gerade im Small- und Mid-Cap-Bereich ist die Datenlage oft lückenhaft. KI könne durchaus bei der Datenaufbereitung helfen, aber die endgültige Einschätzung hängt weiterhin stark von der Erfahrung der Analysten ab.“ Auch Pegasus Partners hat eine Task-Force für die Anwendung digitaler Tools geschaffen – allerdings primär im Bereich der Marktrecherche für den US-Markt. Die technische Analyse bleibe aber nur ein Hilfsmittel, das durch Erfahrung und Verständnis für die jeweiligen Geschäftsmodelle ergänzt werden muss.
Neue Branchen, neue Ethikfragen
Ein sensibles Thema, das stärker in den Fokus rückt, ist das Investment in Rüstungsunternehmen. Durch den Ukraine-Krieg hat sich die gesellschaftliche Bewertung dieses Sektors verändert. Ibing sieht die Branche wieder als „normalen Bestandteil der Industrielandschaft“. Waffenentwicklung, insbesondere im Bereich Drohnentechnologie, werde zunehmend akzeptiert – allerdings bleibe ein Konsens gegen völkerrechtlich problematische Waffensysteme wie Streubomben bestehen. Für Pegasus Partners sei entscheidend, dass es sich um eine Technologie handelt, in der Deutschland stark sei. Der moralische Kompass orientiere sich an gesetzlichen Vorgaben, ergänzt um eine klare Positionierung zu ethischen Standards.
Fazit: Ein Markt im Wandel mit Chancen für Profis
Private Equity in Deutschland erlebt einen Wandel. Die „einfachen Zeiten“ sind vorbei, aber für gut vorbereitete Investoren mit Branchenkenntnis, operativer Exzellenz und strategischem Weitblick ergeben sich nach wie vor attraktive Chancen. Der Fokus verschiebt sich von reiner Finanzoptimierung hin zu echter Wertschöpfung durch operative Steuerung, Internationalisierung und Technologieeinsatz. Wer selektiv investiert, strategisch agiert und flexibel auf Marktveränderungen reagiert, kann auch im aktuellen Umfeld erfolgreich sein.