Private Equity 2024: Zwischen Stagnation und Strategie

Investoren kämpfen mit Zurückhaltung am Markt – der Mittelstand bleibt Hoffnungsträger für nachhaltige Engagements.

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Der deutsche Private-Equity-Markt bleibt auch 2024 unter Druck. Rückläufige Investitionen, erschwerte Finanzierung und geopolitische Unsicherheiten prägen das Bild. Doch gerade im Mittelstand sehen Investoren weiterhin Chancen – insbesondere bei Nachfolgelösungen und technologiebasiertem Wachstum. Wir haben mit einigen PE- und M&A-Professionals gesprochen über ihre aktuellen Markteinschätzungen. Lesen Sie nun den zweiten Teil unserer Serie.

Ulrike Hinrichs,BVK
Ulrike Hinrichs,BVK

Im deutschen Private-Equity-Markt bleibt das Investitionsklima auch 2024 angespannt. Laut Ulrike Hinrichs, Vorstandssprecherin des Bundesverbandes Beteiligungskapital (BVK), beliefen sich die Buy-out-Investitionen im Jahr 2024 auf 5,5 Mrd. EUR – nach 8,1 Mrd. EUR im Vorjahr. Der seit dem Rekordniveau 2020 und 2021 (jeweils über 11 Mrd. EUR) anhaltende Rückgang setzt sich damit weiter fort. Das unsichere gesamtwirtschaftliche Umfeld – bestehend aus konjunkturellen Schwächen, geopolitischen Spannungen und restriktiveren Finanzierungsbedingungen – erschwert laut Hinrichs sowohl die Geschäftsaussichten vieler Branchen als auch die Planbarkeit in den Unternehmen. In der Folge würden M&A-Prozesse komplexer und langwieriger, gleichzeitig gestalte sich die Preisfindung zwischen Käufern und Verkäufern zunehmend schwierig.

Besonders stark rückläufig war das Volumen im Segment großer Buy-outs (150–300 Mio. EUR), das von 0,8 Mrd. EUR auf lediglich 0,15 Mrd. EUR zurückging. Im Vergleich dazu erwies sich der Mid-Market mit einem Gesamtvolumen von 2,3 Mrd. EUR als relativ stabil (Vorjahr: 2,6 Mrd. EUR). Die Investitionen in kleinere Transaktionen unter 15 Mio. EUR fielen von 261 Mio. EUR auf 199 Mio. EUR. Den größten Anteil am Gesamtvolumen machten erneut sogenannte Mega Buy-outs aus – Transaktionen über 300 Mio. EUR –, deren Volumen sich auf 2,9 Mrd. EUR belief (2023: 4,4 Mrd. EUR).

Der Mittelstand bleibt im Fokus

Während die Zahlen für großvolumige Transaktionen rückläufig sind, bleibt der Mittelstand ein wichtiger Zielsektor für Beteiligungsgesellschaften. Frank Hüther, Geschäftsführer und Investment Manager bei Abacus alpha, sieht hier weiterhin zahlreiche Chancen – insbesondere bei Unternehmensnachfolgen. „Die Zahl ungelöster Unternehmensnachfolgen im deutschen Mittelstand ist weiterhin sehr hoch“, so Hüther. „Nachfolge- und Wachstumssituationen in KMU sind unsere bevorzugten Investitionsanlässe.“ Zwar nehme die Zahl interessanter Transaktionen zu, doch viele Unternehmen würden sich seiner Einschätzung nach „entweder sehr spät oder zu spät mit der Nachfolgethematik auseinandersetzen“. Als langfristig orientierter Investor setze Abacus alpha nicht auf schnelle Exits, sondern auf das nachhaltige Ausschöpfen operativer Potenziale. Der Fokus liegt auf Innovation, Effizienzsteigerung und Substanz. Hüther betont: „Auch bei klassischen PE-Investoren rücken diese Kriterien zunehmend in den Vordergrund, da die Bedeutung reiner Multiple-Arbitrage insbesondere im Small-Buyout-Segment abnimmt.“

Qualität rückt in den Vordergrund

Foto: © Abacus alpha GmbH

In Bezug auf das Preisniveau am Markt bestätigt Hüther eine Normalisierung. Die Phase überhitzter Bewertungen sei aus seiner Sicht vorerst vorbei. Neben sinkenden Multiples beobachtet er auch rückläufige EBITs. Das führe zu insgesamt moderateren Unternehmensbewertungen – ein Vorteil für Investoren mit langfristigem Horizont: „Unser langfristiger Ansatz kommt uns dabei sehr zugute, da wir unabhängig von kurzfristigen Marktzyklen agieren können.“ Die konjunkturelle Schwäche und die allgemeine Marktunsicherheit wirken zusätzlich dämpfend. Entscheidend bleibe jedoch die Qualität der Zielunternehmen. Operative Resilienz und technologische Kompetenz hätten an Bedeutung gewonnen.

Erfolge im anspruchsvollen Umfeld

Trotz der Herausforderungen konnte sich Emeram Capital Partners, einer der führenden Growth Buy-out-Investoren im deutschsprachigen Raum, gut behaupten. 2024 wurden vier neue Investments getätigt – darunter die Beteiligung an der Provital GmbH, einem Anbieter für artgerechtes Tierfutter, sowie die Garderos GmbH, die robuste Routerlösungen für extreme Einsatzbedingungen liefert. Weitere Akquisitionen betrafen die CoCoNet AG, die Softwarelösungen für das digitale Firmenkundengeschäft entwickelt, und die ace Group, die im Bereich Clean Energy als EPC-Anbieter tätig ist. Zudem gelang EMERAM im Juni 2024 der erfolgreiche Exit der diva-e an die niederländische Conclusion Group. Seit 2015 war diva-e unter EMERAMs Beteiligung durch zwölf Akquisitionen zu einem führenden Anbieter digitaler End-to-End-Lösungen im DACH-Raum gewachsen. Im Jahr 2023 erwirtschaftete das Unternehmen mit über 800 Mitarbeitenden rund 100 Mio. EUR Umsatz.

Foto: © Emeram Capital Partners

Für 2025 ist ein zweistelliges Wachstum geplant, wie Sven Oleownik, Partner bei Emeram, erklärt: „Ein weiterhin volatiles Marktumfeld hat die gesamte Private-Equity-Branche auch im Jahr 2024 vor Herausforderungen gestellt. Wir sind stolz darauf, dass es unserem Portfolio erneut gelungen ist, ein herausragendes Ergebnis zu erzielen.“ Die strategische Fokussierung auf Digitalisierung, Gesundheit und Energiethemen bilde die Grundlage für das stabile Wachstum bei EMERAM. Das zeige sich auch an der jüngsten Transaktion im ersten Quartal 2025: Die ]init[ AG, ein Portfoliounternehmen von EMERAM und Rivean Capital, akquirierte die HBSN-Gruppe – einen führenden Dienstleister für digitale Transformation im Gesundheitswesen. Durch diese Akquisition entsteht laut Oleownik ein Digitalspezialist mit über 1.500 Mitarbeitenden und 18 Standorten. Er betont die Chancen im aktuellen Marktumfeld: „Gerade in Krisenzeiten bieten sich gute Möglichkeiten für antizyklisches Investieren. Wir sehen immer noch einen attraktiven Dealflow.“

Carve-Outs und Teilverkäufe als neue Opportunitäten

Neben klassischen Buy-outs gewinnen alternative Transaktionsformen wie Carve-Outs an Bedeutung. Laut Oleownik sorgen geopolitische Unsicherheiten, die Energiekrise sowie eine restriktivere Kreditvergabe durch Banken für einen neuen Typus von Verkäufern: „Unternehmer und Inhaber wollen angesichts der unsicheren Lage raus aus der Firma – oder sich zumindest teilweise zurückziehen. Es geht darum, einen Teil des Vermögens abzusichern.“ Auch Konzerne trennen sich in diesem Umfeld verstärkt von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktivitäten.

Technologieeinsatz und KI

Die Rolle von Technologie und insbesondere Künstlicher Intelligenz gewinnt zunehmend an Bedeutung – sowohl zur Wertsteigerung in den Beteiligungen als auch intern. Abacus alpha nutzt eigens entwickelte Tools im Dealflow-Management und in der Due Diligence. „Durch einige clevere Ansätze unseres Data Scientists konnten wir signifikante Effizienzgewinne erzielen“, so Hüther. Auch gruppenübergreifend setzt man bei Abacus alpha auf Synergien im Bereich Technologie. Der Fokus liegt auf praxisnahen, skalierbaren Anwendungen – unter anderem im Bereich Machine Learning und Vision-Sensorik. Emeram verfolgt einen ähnlichen Ansatz: „Wir haben in der Gruppe eine Initiative gegründet. Hier soll der eine vom anderen lernen. Es werden Anwendungsbeispiele vorgestellt – etwa ein Tool zur Ausschreibungsbearbeitung oder KI-generierte Lerninhalte“, so Oleownik. Zudem kommt KI bei der Markt- und Unternehmensrecherche regelmäßig zum Einsatz.

Defense Tech als neuer Wachstumsbereich?

Ein Zukunftsthema, das derzeit noch kontrovers diskutiert wird, ist der Bereich Defense Tech. Oleownik sieht hier langfristig Potenzial, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Neubewertung von ESG-Kriterien: „Früher waren die Beschränkungen bei ESG im Bereich Defense vielleicht etwas überzogen. Es sollte da einen Wandel geben. Und Defense kann in der EU ein großer Markt werden – wenn man zusammenarbeitet.“

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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