“Playboy ist ein Lebensgefühl“ − Interview mit den neuen Herausgebern

Neue Herausgeber des "Playboy" in Deutschland sind Chefredakteur Florian Boitin und Verlagsleiterin Myriam Karsch
© Lea Schmitt für Kouneli Media GmbH

Im Sommer 2019 hatte Hubert Burda Media bekannt gegeben, die deutsche Lizenz für den „Playboy“ nach 17 Jahren nicht mehr zu verlängern. Neue Herausgeber des renommierten Männermagazins sind seit Dezember 2019 Chefredakteur Florian Boitin und Verlagsleiterin Myriam Karsch, die den Titel in einer eigenen Gesellschaft – der Kouneli Media GmbH – weiterführen. INTERVIEW MATHIAS RENZ

Unternehmeredition: Sie haben sich als langjähriges Führungsduo des deutschen „Playboy“ dazu entschieden, den Titel nach dem Rückzug von Burda in einer eigenen GmbH weiterzuführen – eine schwierige Entscheidung für Sie persönlich?
Myriam Karsch:
Überhaupt nicht. Als Burda uns informiert hat, dass sie den Playboy einstellen möchten, war das im ersten Moment ein einschneidendes Erlebnis. Doch uns beiden war ganz schnell klar, dass wir ihn als selbstständige Unternehmer weiterführen möchten.

Keine schlaflosen Nächte?
Florian Boitin:
Schlaflose Nächte nur deshalb, weil wir sehr viel gearbeitet haben. Tagsüber haben wir die Alltagsgeschäfte erledigt, in den Abend- und Nachtstunden stand unsere Zukunft als Unternehmer im Fokus. Diese Doppelbelastung hat uns ein wenig Schlaf geraubt [lacht].

In der neuen Playboy-Zentrale: Unternehmeredition-Redakteur Mathias Renz traf Myriam Karsch und Florian Boitin in deren neuen Räumlichkeiten nahe der Münchner Theresienwiese.
In der neuen Playboy-Zentrale: Unternehmeredition-Redakteur Mathias Renz traf Myriam Karsch und Florian Boitin in deren neuen Räumlichkeiten nahe der Münchner Theresienwiese. © Lea Schmitt für Kouneli Media GmbH

Wie verliefen die Verhandlungen mit den amerikanischen Lizenzgebern? Gab es weitere Interessenten?
Boitin: Die Amerikaner haben uns nach der Absage von Burda sehr schnell signalisiert, dass sie mit uns weiter zusammenarbeiten möchten, und uns das auch früh schriftlich bestätigt. Der Playboy ist eine der bekanntesten Marken der Welt und in Deutschland entstand über die Zeit die erfolgreichste Lizenzausgabe. Unsere Kouneli Media war damals noch nicht existent, aber man hatte Vertrauen in uns als Personen. Da spürten wir schon eine gewaltige Wertschätzung. Allerdings sind wir für die Lizenzgeber auch keine Black Box. Dennoch: Jeder, der mit Profis zusammenarbeitet, weiß, dass es schön ist, wenn man sich gut versteht – aber im Endeffekt müssen die Zahlen stimmen.
Karsch: Wir waren 2017 schon einmal vor Ort in Los Angeles, um im Namen von Burda die Lizenzverhandlungen zu führen. Wir waren für die amerikanischen Kollegen das Gesicht von Playboy Deutschland. Und ihnen war daran gelegen, einen nahtlosen Übergang zu vollziehen. Das wäre bei einem Pitch und einem neuen Käufer so nicht möglich gewesen.

Hausbank, Private Equity oder Eigenmittel – wie finanzieren Sie den Kauf und die weitere Geschäftsentwicklung?
Karsch: Es ist eine Mischung aus Eigenmitteln und Bankkrediten. Wir haben keine stillen Teilhaber, Investoren et cetera an Bord genommen.
Boitin: Die Unabhängigkeit hatte für uns Priorität.
Karsch: Wir haben uns gemeinsam coachen lassen, und das Ergebnis war, dass Unabhängigkeit für uns beide der größte Treiber ist. Diese Unabhängigkeit genießen wir heute jeden Tag.

Was waren Ihre ersten Entscheidungen zur personellen Aufstellung und der Neuausrichtung Ihres Medienhauses?
Boitin: Für uns war das ein ganz zentraler Punkt. Wir wollten die Marke übernehmen, aber es war uns wichtig, das mit einer Mannschaft anzugehen. Das Team, das wir zusammengestellt haben, hat große Ähnlichkeit mit dem Team aus unserer Burda-Zeit. Entscheidend für uns war, dass wir bei unseren Mitarbeitern eine Aufbruchsstimmung erzeugen – denn das Ganze ist ein Abenteuer, das wir nur gemeinsam stemmen können.
Karsch: Es war ja kein klassischer Management Buy-out, sondern ein Asset Deal. Wir haben ein komplett neues Unternehmen auf der grünen Wiese aufgebaut. Wir haben einen neuen Lizenzvertrag abgeschlossen und mit unseren Mitarbeitern neue Verträge verhandelt. Wir arbeiten heute mit einem Kernteam von 13 Festangestellten und darüber hinaus mit freien Mitarbeitern und Fotografen. Wir verstehen uns als redaktionelles Produkt mit einem hohen journalistischen Anspruch. Von daher wollten wir unbedingt mit eigenen Journalisten arbeiten und nicht ein externes Redaktionsbüro beauftragen.

August 1972: In MÜnchen beginnen die Olympischen Spiele; fast zeitgleich fällt der Startschuss für die erste Ausgabe des deutschen Playboy.
August 1972: In München beginnen die Olympischen Spiele; fast zeitgleich fällt der Startschuss für die erste Ausgabe des deutschen Playboy. © Kouneli Media GmbH

Vier Monate nach Bekanntgabe Ihres Management Buy-outs sorgte Corona für tiefe Einschnitte, auch in die Medienlandschaft. Wie waren die Auswirkungen auf Ihr Geschäft?
Boitin: Wir hatten nun ein tolles neues Büro und niemand war hier – das war schon seltsam. Die stärksten Auswirkungen hat Corona aber auf unser Anzeigengeschäft des Printmagazins. Wir sprechen hier über Einbußen von 40%. Erfreulich ist aber, dass wir in allen anderen Kategorien sehr gut performen. Unsere Magazinverkäufe sind mit rund 100.000 verkauften Heften sehr gut, und während viele Medienhäuser ihre Aktivitäten teilweise sehr stark zurückfahren mussten, haben wir antizyklisch agiert und die Schlagzahl erhöht. So haben wir sogar noch mehr Publikationen auf den Markt gebracht als zu Beginn des Jahres geplant, darunter auch viele digitale Produkte. Der Traffic auf unserer Website liegt 2020 kumuliert etwa 20% über Vorjahr. Wir merken, salopp gesagt, dass unsere Leser, User, Follower und Fans durchaus heiß auf unsere Produkte sind. Ohne Corona wären wir deshalb durchaus in Champagnerlaune.
Karsch: Im Vertrieb haben wir kumuliert einen Index von über 100 im Vergleich zum Vorjahr, obwohl uns im Ausland und im Bahnhofsbuchhandel signifikante Erlöse weggebrochen sind. Doch wir spüren eine deutliche Erholung. Bis Ende 2019 sind zum Beispiel unsere Abozahlen vier Jahre lang entgegen dem Markttrend gestiegen. Und wir bekommen wirklich sehr gutes Feed-back von unseren Lesern und Leserinnen. Der Anteil der Leserinnen steigt stetig und macht inzwischen 10% aus.

Worin unterscheidet sich der Playboy im Sommer 2020 von dem im Jahr zuvor?
Boitin: Vor allem durch das Impressum. Darüber hinaus haben wir nur leichte Optimierungen vorgenommen. Ich halte grundsätzlich wenig von Hauruck-Aktionen. Die Leser schätzen das Magazin und sein Erscheinungsbild. Der Playboy sieht heute aber im Detail natürlich etwas anders aus als letztes Jahr oder auch vor vier Jahren. Wir hinterfragen uns täglich sehr kritisch und entwickeln das Magazin stetig weiter. Aber das ist kein revolutionärer, sondern ein evolutionärer Prozess.
Karsch: Beim Blick auf unsere Markenwelt gibt es dagegen einige Änderungen. Unsere Website sieht signifikant anders aus und wir haben vom Burda-System auf unser eigenes gewechselt. Auch unsere PR-Strategie hat sich geändert. Wir haben uns um einen Kommunikationsexperten verstärkt und sind präsenter. Zuvor waren wir eine Stimme im Konzern und mussten uns mit der Konzernkommunikation abstimmen. Heute haben wir unsere eigene Strategie und entscheiden kurzfristig, wenn wir zum Beispiel – wie eben geschehen – unseren neu gegründeten Weinshop verkünden.

Magazin, Website, Events und Wein – wie sieht Ihre weitere Wachstumsstrategie aus?
Boitin: Wir verstehen Playboy als 360-Grad-Erlebnis. Playboy ist ein Lebensgefühl! Woran liegt es, dass die Leser den Playboy aufheben und sammeln? Warum werden Events wie das Gentlemen‘s Weekend so gut angenommen? Die Antwort ist: Der Playboy zeigt keine entrückte Welt, steht aber für eine gewisse Exklusivität. Unsere Kunden sind stolz, Teil einer Community zu sein – und dieses Gefühl wollen wir über unsere Kanäle transportieren: Print, digital, Social Media, Events et cetera. Wenn es darum geht, neue Angebote und Produkte zu entwickeln, stellen wir uns aber immer die Frage: Wo ist die Marke Playboy ein glaubwürdiger Absender? Nur wenn wir zwischen Innovationsidee und Marke einen Match sehen, machen wir es. Wir gehen dabei natürlich analytisch vor; es gibt aber eben auch eine Welt jenseits von Algorithmen. Man muss eine Marke verstehen, ein Gefühl für sie entwickeln.

Wie steht es um weitere Playboy-Produkte in Form von Lizenzgeschäften?
Karsch: Unser Lizenzvertrag deckt keine Lizenzprodukte ab. Die meisten Kategorien liegen bei einem Lizenznehmer in New York, manche Kategorien wie Kleidung macht Playboy USA selbst oder vergibt Unterlizenzen. Wir versuchen, unseren Lizenzvertrag entsprechend zu interpretieren, und stimmen uns von Fall zu Fall mit den Amerikanern ab. Gerade haben wir zum Beispiel einen Playboy-Gin zusammen mit Finch-Whisky herausgebracht, der übrigens auch Gin des Jahres geworden ist. Das ist ein Feld, mit dem wir unseren Kunden weitere Berichterstattungsanlässe verschaffen. Darüber hinaus muss die Transformation der Marke im digitalen Bereich weitergehen. Wir haben playboy.de, Playboy-Premium, einen Aboshop sowie einen Premiumshop und damit vier Systeme, die wir künftig in einer Playboy-Welt zusammenführen möchten. Das ist unsere Vision, die wir weiter vorantreiben. Wir wollen die digitale und die analoge Welt miteinander verknüpfen und eine Community schaffen.
Boitin: Wir haben noch weitere Projekte – jenseits von Playboy – im Köcher, die wir aufgrund von Corona aber erst mal auf Eis legen mussten.

Sein letztes offizielles Interview: Playboy-Gründer Hugh Hefner empfing Florian Boitin 2011 in seiner Villa in Los Angeles.
Sein letztes offizielles Interview: Playboy-Gründer Hugh Hefner empfing Florian Boitin 2011 in seiner Villa in Los Angeles. © Kouneli Media GmbH

Seit Ende 2019 sind Sie nicht mehr leitende Angestellte, sondern selbstständige Unternehmer. Was hat sich für Sie persönlich seither am stärksten verändert?
Boitin: Auch wenn man zuvor schon unternehmerisch gedacht hat – es ist nun unsere Firma, unsere Verantwortung, unser Risiko.
Karsch: Wir sind mit dem eigenen Unternehmen schneller und flexibler geworden, dürfen auch mal mit einem Projekt scheitern und müssen uns vor niemandem rechtfertigen. Für die Entscheidung, das James Bond-Sonderheft trotz Verschiebung des Filmstarts zu drucken und zum geplanten EVT in den Handel zu geben, haben wir keine zwei Minuten benötigt. Wir haben heute keine Konzernpolitik mehr, aber auch keine „Konzernwatte“. Auch daran muss man sich gewöhnen.
Boitin: Wir haben eine andere Geschwindigkeit, sind heute noch mehr Schnellboot. Klar, Playboy als Marke ist riesengroß – wir aber sind mit unseren knapp 20 Mitarbeitern ein recht kleines Unternehmen. Unsere Stärken sind ganz klar Kreativität, Wendigkeit und Tempo. Den Fahrtwind im Gesicht zu spüren, das hat schon etwas.
Karsch: Man lernt auch viel über sich selbst. Ich habe gelernt, dass man alles schaffen kann, wenn man mutig ist und das tut, was einem Spaß macht. Der Job darf einfach auch Spaß machen, wenn man mit tollen Leuten zusammen das tut, was einem Freude bereitet. Was ich auch gelernt habe: dass mir Unabhängigkeit wichtiger ist als Sicherheit oder auch Geld. Wenn man weiß, wofür man am Morgen aufsteht, so ist das ein tolles Gefühl. Ich kann jedem nur raten, das zu tun, worauf man wirklich Lust hat.

Inwiefern haben sich Ihre Ressorts dadurch verändert, dass Sie beide heute geschäftsführende Gesellschafter sind?
Karsch: Wir haben nach wie vor eine klare Ressorttrennung. Buchhaltung, Finanzen, Vertragswesen, Vertriebssteuerung und Produktion liegen nach wie vor bei mir. Die inhaltliche Verantwortung hat der Chefredakteur. Natürlich sprechen wir uns bei Geschäftsführungsfragen ab. Wir sind uns von aber Beginn an im Klaren darüber gewesen, dass jeder nach seinen Stärken die Verantwortung übernimmt. Wir wissen beide, was wir können, und auch, dass es nicht ohneeinander geht. So arbeiten wir seit Jahren gut zusammen.

Sie sind beide seit Jahren in der Playboy-Welt unterwegs. Was waren Ihre persönlichen Highlights?
Karsch: Ich bin seit 2012 für den Playboy tätig, und es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht einmal laut gelacht habe. Ich schätze das tolle Klima, die Faszination und die Bekanntheit der Marke sowie das großartige Team. Ein echtes Highlight für mich waren die Lizenzverhandlungen im Jahr 2017, damals noch für Burda. In LA zu sein, den Sohn von Hugh Hefner kennenzulernen, das war schon toll. Daneben die vielen schönen Events wie die 45-Jahre-Jubiläumsfeier, das „Playmate des Jahres“- Event, die Playboy-Wiesn und, und, und.
Boitin: Ich lebe meinen beruflichen Traum, denn dieser Job ist einfach unglaublich vielfältig und abwechslungsreich; kein Tag gleicht dem anderen. So darf ich mal Blattmacher sein, dann wieder Unternehmer, Teamchef oder auch Gastgeber, Eventmanager und so weiter. Aber natürlich waren die persönlichen Treffen mit Hugh Hefner – und das letzte persönliche Interview mit ihm führen zu dürfen – ganz besondere Momente. Aber auch, als uns im letzten Jahr Pamela Anderson spontan in der Redaktion in München besucht hat. Oder ganz aktuell: Direkt vor unserem Gespräch hier habe ich mit Klaus Voormann telefoniert, dem einen oder anderen als sogenannter fünfter Beatle ein Begriff. Was ihn aber wirklich auszeichnet: Der Mann hat einen Grammy erhalten als Grafiker für die Gestaltung des Revolver-Covers der legendären Liverpooler. Später war er Bassist bei John Lennon und wirkte beim Grammy-Album „The Concert for Bangladesh“ von George Harrison mit. Wir sprachen jetzt über neue gemeinsame Projekte. Ich habe das Privileg, mich professionell mit Themen beschäftigen zu dürfen, die mich selbst interessieren. Was gibt es Schöneres?


ZU DEN PERSONEN

Neue Herausgeber des "Playboy" in Deutschland sind Chefredakteur Florian Boitin und Verlagsleiterin Myriam Karsch
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Florian Boitin und Myriam Karsch sind geschäftsführende Gesellschafter der Kouneli Media GmbH, die seit Dezember Lizenznehmer und Herausgeber des deutschen Playboy ist.

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