In einigen Märkten Mittelosteuropas (CEE) beträgt der Anteil der deutschen Investitionen mittlerweile mehr als ein Viertel der gesamten Auslandsinvestitionen. Die Verlagerung lohnkostenintensiver Prozesse stand zu Anfang im Vordergrund, weniger Überlegungen zur Schaffung von Mehrwert für den Kunden. Mittlerweile stellen die stetig steigenden Lohnstückkosten für die Produktion ohne Mehrwert in CEE zentrales wie lokales Management vor große Herausforderungen.
Mit der kontinuierlichen Erweiterung des EU-Binnenmarktes im Rahmen der EU-Osterweiterung zwischen 2004 und 2013 geht eine fortschreitende Harmonisierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement einher. Gekennzeichnet ist sie auch durch eine zunehmende Professionalisierung in kostensensiblen Bereichen wie Arbeitnehmerrechten, Steuergesetzgebung, Fördermittelstrukturen, Infrastrukturaufwand etc.
Auch die Anforderungen an das zur Umsetzung mittelfristiger strategischer Unternehmensziele qualifizierte Personal im Top-Management werden neu bewertet. Wichtige Eckdaten sprechen dabei für eine Investition in die bestehenden Standorte in Ungarn – durchaus im Bewusstsein der aktuellen politisch-gesellschaftlichen Verwerfungen – und der der Slowakei (vgl. Abb. 1). So hat etwa die Wirtschaftsleistung der Slowakei bezogen auf das Vorkrisenniveau von 2007 um 12% zugelegt. Die Ungarische Nationalbank (MNB) weist die deutschen Direktinvestitionen in Ungarn mit 29,7% (2011) aus, der Zufluss/Abfluss von ausländischem Beteiligungskapital bzw. reinvestierten Gewinnen pendelte sich nach einer kurzen Phase der politischen Verunsicherung zwischen 2009-2010 wieder zwischen 4-6 Mrd. EUR ein.
Standort-Commitment des deutschen Mittelstandes
Belege für das Standort-Commitment des deutschen Mittelstandes finden sich etwa in der slowakischen Metropolregion um Bratislava mit ihren rund 70.000 Arbeitsplätzen in der Automotive-Industrie ebenso wie im Cluster Košice IT Valley in der ostslowakischen Stadt Košice.
Auch für Ungarn, das augenblicklich einen intensiven und umfassenden Restrukturierungsprozess der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durchläuft, gilt: Zahlreiche Vertreter des deutschen Mittelstandes wie der Münchner Hersteller für Schienen- und Nutzfahrzeugkomponenten Knorr-Bremse mit seinen drei Fertigungsstandorten in Ungarn oder der Landwirtschaftsmaschinen-Hersteller G. Claas setzen weiter auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit und investieren, angefangen bei repräsentativen Premium-Werksneubauten, der Beteiligung an verkehrsinfrastrukturellen Verbesserungen bis hin zu Kosten rund um die gestiegenen Erwartungen an Expertise und Kompetenz des Managements vor Ort. Für Unternehmen, die sich in CEE engagieren wollen, empfiehlt sich die Kooperation mit einem lokal vernetzten Partner vor Ort.
Unterschiedliche Einschätzungen
Gabriel A. Brennauer, Geschäftsführender Vorstand der Deutsch Ungarischen Industrie- und Handwerkskammer DUIHK, führte zuletzt aus, dass deutsche Unternehmen, gerade auch im Zuge der kritisch beäugten Restrukturierungsmaßnahmen in Ungarn, die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter aufmerksam verfolgen. Im Fokus der Kritik steht die Unberechenbarkeit der Politik. Gleichzeitig belegen Daten aber eine für Ungarn wie die Slowakei typische Diskrepanz in der Bewertung der mikro- und makroökonomischen Situation: Die aktuelle Wirtschaftslage in der Slowakei schätzten 35% der befragten Unternehmen Firmen als schlecht ein (2012: 23%), die eigene Geschäftslage hingegen wird deutlich positiver gesehen: 55% bewerten diese als befriedigend, 35% als gut. Ein Drittel der Auslandsinvestoren erwartet für 2013 eine bessere Geschäftsentwicklung als 2012.
Fazit
Der deutsche Mittelstand weiß nach wie vor um die Vorzüge der Produktionsstandorte in Mittelosteuropa. Die augenblicklich als Reibungsverluste wahrgenommenen Anpassungsprozesse in den lokalen Märkten sind eine vorübergehende Erscheinung hin zu einem einheitlichen Binnenmarkt mit in Deutschland vergleichbaren Standards. Einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Umsetzung der Unternehmensziele unter den zukünftig anspruchsvolleren lokalen Rahmenbedingungen stellt die Auswahl der richtigen Führungskräfte dar.
Markus Sutor ist geschäftsführender Gesellschafter von Liebe Sutor Gawlowski. Aufgrund seiner Fachkenntnisse und seines Netzwerks bedient Markus Sutor das Geschäftsfeld Executive Search im Segment Konsumgüter & Automotive.
Dr. Ulrich Langanke ist Geschäftsführer eines slowakischen und ungarischen Personaldienstleisters. Von 2006 bis 2009 war er als Berater der ungarischen Regierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie tätig. Dr. Langanke besitzt eine Dozentur an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Óbuda University in Budapest.