Die Coronapandemie hat sichtbare Spuren in zahlreichen der 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland hinterlassen. Allerdings betreffen die Auswirkungen der Krise den gesamten Mittelstand nicht einheitlich, sondern treten verstärkt in einzelnen Segmenten auf. Dies geht aus einer neuen Studie von KfW Research hervor, in der Muster der Krisenbetroffenheit beziehungsweise einer Krisenresilienz herausgearbeitet wurden. Der Analyse zufolge kommen kleine Unternehmen schlechter durch die Krise als etwa mittelgroße Mittelständer. Zudem finden sich von der Krise betroffene Unternehmen häufiger unter den Unternehmen mit einer bereits vor dem Ausbruch der Coronapandemie schwachen Bonität, unter auslandsaktiven Unternehmen und in Branchen, die sich nicht durch eine Sonderkonjunktur den Auswirkungen der Coronapandemie entziehen konnten.
Verschlechterte Eigenkapitalquote wirkt sich negativ aus
Als entscheidende Indikatoren für die Krisenbetroffenheit oder -resilienz eines Unternehmens hat KfW Research etwaige Umsatzeinbußen und die Entwicklung der Eigenkapitalquote während der Coronakrise herangezogen. In letzterer schlagen sich Umsatzverluste nieder, die nicht kompensiert werden können, sondern zum Verzehr der Eigenkapitalausstattung führten beziehungsweise die Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung erforderlich machten. Eine Verschlechterung der Eigenkapitalquote wirkt sich über die akute Krisenphase hinaus negativ aus, etwa weil dies die Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens schmälert.
Insgesamt mussten im Mai 2021 noch 39% der mittelständischen Unternehmen Umsatzeinbußen verkraften. Zu Beginn der Krise im April 2020 hatte sich dieser Anteil auf 66% belaufen. Über eine im Zuge der Coronapandemie gesunkene Eigenkapitalquote berichtete im Mai 2021 etwa ein Viertel (24%) der deutschen Mittelständler.
Digitale und innovative Mittelständler sind krisenresilienter
Der tiefergehende Blick zeigt hierbei folgende Muster:
- Kleine Unternehmen (unter fünf Beschäftigte) leiden am häufigsten an den Krisenfolgen: 41% müssen nach wie vor Umsatzeinbußen hinnehmen, 24% von ihnen berichten von einer niedrigeren Eigenkapitalquote
- Was die Hauptwirtschaftszweige angeht, so treffen Umsatzeinbußen Handelsunternehmen am häufigsten (57%), während Bauunternehmen mit 9% am seltensten darunter leiden. Die Betroffenheit im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor liegt mit 40 bzw. 38% nahezu gleich auf dazwischen. Diese unterschiedlich starken Betroffenheiten schlagen jedoch nur teilweise auf die Entwicklung der Eigenkapitalquoten durch, etwa weil staatliche Unterstützungsmaßnahmen greifen und die Unternehmen ihre laufenden Kosten reduzieren konnten. Lediglich das Baugewerbe berichtet ausgesprochen selten von Verschlechterungen der Eigenkapitalquote (7% ggü. 25 bzw. 26% in den anderen Wirtschaftszweigen).
- Auslandsaktive Mittelständler sind sowohl bezüglich der Umsatzeinbußen (46% vs. 37%) als auch der Entwicklung der Eigenkapitalquote (29% vs. 22%) schlechter durch die Coronakrise gekommen als lediglich im Inland aktive Unternehmen.
- Unternehmen mit bereits vor Corona schwacher Bonitätseinstufung sind ebenfalls zumeist häufiger von der Krise betroffen. Der Anteil der Unternehmen, die Verschlechterungen der Eigenkapitalquote hinnehmen müssen, nimmt von 39% in der Kategorie mit der schwächsten Bonitätsbewertung auf 20% in jener mit der besten Ratingnote ab.
- Die Ratingnote ist auch ein Indikator für die Unternehmensqualität selbst. Sie spiegelt beispielsweise die Qualität des Managements wieder, da der zurückliegende und langfristige Geschäftserfolg eines Unternehmens – der einer guten Bonität zugrunde liegt – ohne eine hohe Managementqualität nicht erzielbar wäre. Gerade ausgeprägte Managementkompetenzen dürften dazu beigetragen haben, Lösungen für die im Zuge der Krise aufgetretenen Probleme zu identifizieren und erfolgreich umzusetzen.
- Eine höhere Krisenresilienz kann auch bei Unternehmen festgestellt werden, die bereits im Vorfeld Innovations- und Digitalisierungsprojekte durchgeführt und so Kompetenzen und einen höheren Digitalisierungsgrad aufgebaut haben. Sie verzeichnen mit 22% bzw. 20% deutlich seltener als der Durchschnitt gesunkene Eigenkapitalquoten.
Höhere Verletzlichkeit kleinerer Unternehmen
„Auch wenn Krisen immer anders sind, so lassen sich doch einige unsere Erkenntnisse aus der aktuellen Coronakrise auf andere Krisen übertragen. Dies gilt etwa hinsichtlich der höheren Verletzlichkeit kleiner Unternehmen. Sie haben aufgrund ihrer geringeren Unternehmensgröße grundsätzlich weniger Möglichkeiten, ausreichend große Reserven für die Überwindung von Krisen aufzubauen“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Aus der Analyse, dass bestimmte Unternehmenssegmente aufgrund struktureller und immanenter Benachteiligungen stärker von Krisensituationen betroffen sind als andere Unternehmensgruppen, ergeben sich Ansätze für die Wirtschaftspolitik. „Viele dieser Unternehmen haben eine wichtige Rolle im Wirtschaftsprozess. Sie besetzen Marktnischen, übernehmen die Rolle leistungsfähiger Zulieferer von größeren Unternehmen und wirtschaften so ohne Krise rentabel. Das krisenbedingte Ausscheiden solcher Unternehmen würde zu Schäden in der Volkswirtschaft führen“, sagt Fritzi Köhler-Geib.
Hohe Bedeutung wirtschaftspolitischer Maßnahmen
Unterstützungsmaßnahmen zur akuten Krisenbewältigung durch die Wirtschaftspolitik seien hier ausdrücklich als notwendig zu betrachten. „Dass digitale und innovative Mittelständler besser durch die Pandemie gekommen sind, gibt der Wirtschaftspolitik Rückenwind, nun die Weichen richtig zu stellen und verstärkt Zukunftsinvestitionen in Digitalisierung und Innovation sowie in Klimaschutz anzuregen.“ Ein wichtiger Baustein seien verlässliche Rahmensetzungen, wie beispielsweise ein verlässliches und planbar steigendes CO2 Preissignal für den Klima- und Umweltschutz. Hinzu kommen finanzielle Anreize, zum Beispiel durch Kredite gepaart mit Zuschüssen, so dass für die Breite der Unternehmen höhere Anreize zu Investitionen in Klimaschutz, Innovationen und neue Technologien entstehen. „Um gestärkt aus der Krise hervorzugehen, bedarf es außerdem wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Verbesserung der Krisenresilienz, zu einer noch besseren Nutzung der internationalen Verflechtungen sowie zur Stärkung der Europäischen Union.“
Vorschläge, wie dies gelingen kann, hat KfW Research in einem Positionspapier zusammengestellt, das ebenso wie die aktuelle Analyse zu Krisenbetroffenheit und -resilienz hier abrufbar ist.