Hinsichtlich der Mitarbeiterkapitalbeteiligung haben wir es mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in den Unternehmen zu tun. Es lassen sich vier Gruppen unterscheiden: die (großen) Aktiengesellschaften, der Mittelstand, junge Unternehmen und Start-ups. Hier finden wir strukturell unterschiedliche Beteiligungsprogramme, bei denen die steuerliche Förderung nicht oder nur sehr eingeschränkt greift. Gut gemeinte Reformvorhaben der Politik können an den Realitäten in den Unternehmen vorbeigehen.
Die beiden wesentlichen Regelungen im Referentenentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes sind die Erhöhung des Freibetrags und die nachgelagerte Besteuerung.
Freibetragserhöhung droht zu verpuffen
Der Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG soll von 1.440 auf 5.000 EUR erhöht werden. Dies würde die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in nahezu allen Unternehmen umfassend befördern, wenn nicht gleichzeitig die derzeit mögliche Entgeltumwandlung entfallen würde (siehe Beitrag in Unternehmeredition 1/2023). Für die Start-ups ist diese Regelung aber von vornherein nicht interessant, weil allein schon die Voraussetzung, dass die Förderung nur greift, wenn nahezu alle Beschäftigten ein Angebot erhalten, hier in aller Regel nicht erfüllt ist.
Der hohe Freibetrag, der von der Politik eigentlich im Hinblick auf die Forderungen der Start-up-Verbände ins Spiel gebracht wurde, greift bei der „Zielgruppe“ also nicht und würde beim Wegfall der Entgeltumwandlung in den anderen Unternehmensgruppen zu weniger statt mehr geförderter Mitarbeiterbeteiligung führen.
Nachgelagerte Besteuerung für alle!
Die nachgelagerte Besteuerung für die vergünstigte Übertragung von Vermögensbeteiligungen an die Beschäftigten (§ 19a EStG) wäre uneingeschränkt zu begrüßen, wenn alle Unternehmen diese nutzen könnten. Weil der Gesetzgeber damit aber einseitig auf die sogenannte Dry-Income-Problematik in Start-ups zielt, also auf die sofortige Versteuerung der Vergünstigung, ohne dass daraus bereits Erträge realisiert wurden, besteht die Beschränkung auf Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern, deren Gründung weniger als 20 Jahre zurückliegt.
Auch hier ist unklar, wie die Start-ups diese Regelung anwenden können. Man kann bestenfalls davon ausgehen, dass junge Unternehmen mit etablierten Eigentumsverhältnissen hiervon profitieren. Das Problem des Dry Income stellt sich aber auch für den Mittelstand und die Aktiengesellschaften:
Eines der zentralen Themen familiengeführter Unternehmen und insbesondere des Handwerks ist die Unternehmensnachfolge. Hier gewinnt die Übernahme durch Führungskräfte und Beschäftigte immer mehr an Bedeutung. Oftmals möchten die Alteigentümer ihre Anteile vergünstigt an die Nachfolger übertragen, was bei diesen aber regelmäßig zu einem bedeutenden geldwerten Vorteil führt. Die entsprechende Steuer ist sofort fällig, woran Übernahmen häufig scheitern.
Aktienbasierte Beteiligungen sind ein wichtiges Vergütungsinstrument in börsennotierten Unternehmen. Die unentgeltliche Überlassung von Aktien führt aber bei den Beschäftigten zum Zeitpunkt der Zuteilung zu einem geldwerten Vorteil, der sofort versteuert werden muss. Dazu muss oftmals ein Teil der Aktien gleich wieder verkauft werden („Sell to Cover“), der dann für den Vermögensaufbau nicht mehr zur Verfügung steht.
FAZIT
Die neuen Regelungen des § 3 Nr. 39 EStG – Erhöhung des Freibetrags und Wegfall der Entgeltumwandlung – sind für die (kleine) Gruppe der Start-ups nicht adäquat und beeinträchtigen die Attraktivität der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in allen anderen Unternehmen. Die nachgelagerte Besteuerung nach § 19a EStG ist insbesondere für die jungen Unternehmen und möglicherweise für die Start-ups attraktiv. Der allergrößte Teil der deutschen Wirtschaft – Mittelstand und Großunternehmen – bleibt hier jedoch ausgeschlossen.
Der Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2023 erschienen.
Dr. Heinrich Beyer
Dr. Heinrich Beyerist seit 2006 Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung – AGP in Kassel. Er ist zusammen mit Hans-Jörg Naumer Herausgeber des Bandes „CSR und Mitarbeiterbeteiligung“.