Unternehmensnachfolgen bleiben ein großes Thema im deutschen Mittelstand. Laut KfW müssen sich bis 2027 durchschnittlich 125.000 deutsche kleine und mittlere Unternehmen (KMU) pro Jahr mit der Nachfolgeregelung beschäftigen. Für die einen finden sich interne Lösungen, für die anderen Käufer, und auch Unternehmensaufgaben stehen im Raum. Die T&O Group aus München gehört im M&A-Feld zu den Aktiven.
Für Geschäftsführer Marek Borgstedt helfen sinnvolle Übernahmen mittelständischer Firmen dabei, die eigenen strategischen Ziele zu erreichen. Unter seiner Ägide fusionierte die T&O Unternehmensgruppe in den letzten sechs Jahren mit neun Betrieben des DACH-Raums. Zuletzt übernahm sie mit der Kölbl+Vogl GmbH einen Entwickler und Fertiger elektronischer Sondergeräte. Auch hier spielte der Wunsch nach dem wohlverdienten Ruhestand die Hauptrolle.
Fokus der Übernahmestrategie
Die T&O Group verfolgt das Ziel, sich synergieschaffend und wertschöpfend durch Firmenübernahmen zu vergrößern und zu stabilisieren. Da die Gruppe mit Unternehmensberatung und Electronic Solutions verschiedene Geschäftsbereiche unter einem Dach vereint, gibt es übergreifende und abteilungszentrierte Pläne. Das jährliche Wachstum der T&O Group um 20% sowie die Verdopplung des Umsatzes alle fünf Jahre stehen im Mittelpunkt des Handelns.
Im Segment Electronic Solutions agiert das Tochterunternehmen T&O Display Solutions. Die Weiterentwicklung von einem reinen Hardwareentwickler und Hersteller von Touchdisplays zu einem ganzheitlichen Human-Machine-Interface(HMI)- bzw. Display-Anbieter bildete den zentralen Grund für die Übernahme des langjährigen Lieferanten Kölbl+Vogl im April 2024. Die im oberbayerischen Rohrdorf ansässige Firma beschäftigte sich mit Entwicklung und Lieferung von Hard- und Software im Bereich industrieller und medizinischer Anwendungen. „Der Kauf passte perfekt in unsere Strategie, die T&O Display Solutions zu einem führenden Anbieter im Bereich Elektronik, Displays und Softwareentwicklung zu machen“, erklärt Borgstedt. Natürlich spiele auch die neue Kundenstruktur eine Rolle. Denn zählt die GmbH bislang Firmen aus dem Anlagenbau, der Lebensmittelindustrie und der Militärtechnik zu ihren Auftraggebern, kommt von Kölbl+Vogl nun Kundschaft aus der Medizintechnik hinzu.
Erhebliches Wachstumspotenzial
Der HMI-Anbieter profitiert vom jahrzehntelang erworbenem Wissen und gewachsenen Beziehungen in die Medizintechnik. Es entstehen vielfältigere Angebote, neue Innovationspotenziale und ein breiteres Spektrum an Lösungen. Thomas Schubert, Geschäftsführer der T&O Display Solutions, geht ins Detail: „Wir freuen uns auf den interessanten Zukunftsmarkt nicht nur aufgrund des HMI-Bedarfs, sondern auch wegen der Kombination von Elektronik- und Softwareentwicklung. Gerade in diesem Bereich kommen Individuallösungen für Komplettgeräte gut an. Die Branche orientiert sich stark an den Bedürfnissen der Endanwender. Es geht um angepasste, kundenspezifische Lösungen und deshalb haben Standardgroßserien wenig Chancen.“ Auf diesem großen Markt der Medizintechnik erwarte er in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein erhebliches Wachstumspotenzial.
M&A-Erfahrung für Erfolg wichtig
Anders als bei vielen anderen Firmenkäufen suchte in diesem Fall der Verkäufer den Weg zum Käufer. Kölbl+Vogl arbeitete jahrzehntelang gut mit der T&O Group zusammen. Die sauberen Abläufe ihrer Übernahmen waren bekannt. Drei Jahre zuvor integrierte die Unternehmensgruppe die Firma Display 2000 – das imponierte den Eignern Michael Kölbl und Anton Vogl. Da keiner der eigenen Mitarbeiter Interesse am Erwerb des Unternehmens zeigte, nahmen beide Parteien die Gespräche auf. Die Chancen für T&O lagen früh auf der Hand und das beidseitige Interesse am Prozess führte zu Verhandlungen. „Den Betrieb mit allen Mitarbeitern ohne Unterbrechung aufrecht erhalten zu können, lag Kölbl und Vogl am Herzen“, bekräftigt Schubert. Die Beteiligten erzielten Einigkeit darüber, die Firma nicht nach dem Kauf aufzulösen.
Übernahme mit Taktik
Für eine gelungene Übergabe müssen zunächst die Finanzen stimmen. „Ich achte darauf, dass es immer einen Businessplan gibt, der in guten Zeiten, aber auch bei stagnierenden Umsätzen funktioniert“, erklärt Borgstedt. Um das zu übernehmende Unternehmen in seinem Kern zu verstehen, sei das Abwägen von Risiken wie auch eine Analyse von Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen unumgänglich. „Wir prüfen zuerst, ob die Strukturen auch unabhängig vom aktuellen Inhaber oder Geschäftsführer reibungslos laufen – wie stark sind die zweite Führungsebene und die einzelnen Mitarbeiter?“, beschreibt der Geschäftsführer das Vorgehen. Entscheidend sei auch, inwiefern sich die Philosophie und Kultur des akquirierten Unternehmens mit der T&O Group vereinbaren lassen.
Zahlen, Daten, Fakten – laut T&O die Essenz einer erfolgreichen Übernahme. So vermeiden die Prozessoptimierer böse Überraschungen wie Qualitätsmängel und wirtschaftliche Verluste durch Kundenreklamationen oder unerwartet geringe Auftragsbestände. Um zu prüfen, ob das Unternehmen ordnungsgemäße Verträge mit Lieferanten, korrekt aufgeführte Jahresabschlüsse und eine durchsichtige Steuersituation vorweist, nimmt T&O sich die nötige Zeit: „Bei der Übernahme von Kölbl und Vogl umfasste die Zeitspanne vom ersten Gespräch bis zur finalen Unterschrift fast 18 Monate“, betont Borgstedt.
Nach der Übernahme beginnt der sogenannte Post Merger Integration (PMI)-Prozess. Er umfasst die Integration des übernommenen Unternehmens. Dazu zählen das Erstellen einer einheitlichen Marketingstrategie, die Suche nach gemeinsamen Kundenpotenzialen und das Schaffen von Synergien zwischen verschiedenen Abteilungen wie Finanzen, IT oder HR. Doch nicht nur die Integration der Firma an sich steht im Vordergrund: „Wir achten stark darauf, auch die Mitarbeiter individuell aufzunehmen und in die Gruppe einzubinden – so erleben sie die Vorteile einer größeren Gemeinschaft, genießen aber trotzdem ihre gewohnten Arbeitsstrukturen.“
Know-how in Deutschland halten
Der Know-how-Transfer stellt einen wesentlichen Bestandteil der Übernahme dar. Wertvolle Kenntnisse der Mitarbeiter dürfen gerade in Zeiten des Fachkräftemangels in der Fertigungsbranche nicht verloren gehen. Fachkompetenz lässt sich zwar zum Teil auch erwerben, gerade in Sachen Produktqualität kann sie langjähriges Erfahrungswissen jedoch nicht ersetzen. Anton Vogl steht deshalb noch bis 2026 als Geschäftsführer für den Wissensaustausch zur Verfügung. „Wir werden nicht nur das Know-how in Deutschland behalten. Wir gehen sogar so weit und sagen, dass wir uns auch in Zukunft in der Region Oberbayern aufhalten, auch mit neuen oder wachsenden Standorten“, prognostiziert Schubert. So möchte er die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern sowie ihre Expertise langfristig sichern.
KURZPROFIL T&O Group
1989 in München gegründet, beschäftigt die T&O Group heute 85 Mitarbeitende in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Verbindung von Technik, Organisation und Prozessen bildet die Grundlage des Teams um Geschäftsführer Marek Borgstedt. Spezialisierte Beratungsteams unterstützen produzierende Industrie, Logistik, öffentliche Verwaltung, ÖPNV oder Automobilindustrie bei der zielorientierten Ausrichtung von Strategie, Supplychain, Produktion, Projekt- oder Prozessmanagement. Das in der T&O Group integrierte Consulting verfolgt nachhaltige Ziele und legt den Grundstein für die Realisierung effizienter und umweltschonender Prozesse. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die T&O Group mit allen Unternehmenseinheiten Umsätze in Höhe von 15,5 Mio. EUR.