Eigentlich hätte die Europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Sustainability Reporting Directive − CSRD) schon bis zum 6. Juli 2024 verpflichtend in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Doch diese Frist hat der Gesetzgeber versäumt. Und auch in der verbleibenden Legislaturperiode dürfte es mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum CSRD-Umsetzungsgesetz nach dem Ampel-Aus nichts mehr werden. Für Unternehmen und Prüfer ergeben sich erhebliche Unsicherheiten bei der Berichterstattung und Anwendung der CSRD für das Geschäftsjahr 2024 und 2025.
Die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (kurz: CSRD) verpflichtet Unternehmen − zeitlich gestaffelt − gemeinsam mit ihrem Jahresabschluss detailliert über ihren Umgang mit sozialen und ökologischen Herausforderungen zu berichten. Die Richtlinie war bis zum 6. Juli 2024 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Dazu hatte das Bundeskabinett − deutlich verspätet − am 24. Juli 2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (EU-Richtlinie 2022/2464), kurz CSRD-Umsetzungsgesetz, beschlossen. Zuvor hatte das Bundesministerium der Justiz am 22. März 2024 einen entsprechenden Referentenentwurf veröffentlicht. Die erste Lesung im Bundestag erfolgte am 27. September 2024. Zur zweiten und dritten Lesung im Bundestag kam es angesichts des Bruchs der Regierungskoalition nicht, so dass das CSRD-Umsetzungsgesetz nicht wie geplant bis Ende des Jahres 2024 in Kraft treten konnte. Aufgrund des sogenannten Diskontinuitätsgrundsatzes ist das CSRD-Umsetzungsgesetz gescheitert und muss in der 21. Legislaturperiode erneut in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden.
Große kapitalmarktorientierte Unternehmen betroffen
Aufgrund des gestaffelten Inkrafttretens der Richtlinienvorgaben sind vom Scheitern des CSRD-Umsetzungsgesetzes zunächst einmal alle diejenigen Unternehmen betroffen, die für das Geschäftsjahr 2024 einen CSRD-Bericht hätten vorlegen müssen − und damit rund 500 kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherer mit mehr als 500 Beschäftigten. Diese Unternehmen mussten in den Vorjahren bisher einen nichtfinanziellen Bericht erstellen.
Statt der Vorgaben durch das CSRD-Umsetzungsgesetz gelten für sie nun weiterhin die bestehenden Berichtspflichten nach den §§ 289b bis 289e bzw. §§ 315b, 315c HGB mit der Folge, dass der im Jahr 2017 durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz geschaffene Rechtsrahmen für die Pflicht zur nichtfinanziellen (Konzern-)Berichterstattung auf der Grundlage der Non-Financial Reporting Directive (NFRD 2014) weiterhin Anwendung findet.
Auffassung von IDW und DRSC
Unternehmen müssen nach dem alten Rechtsrahmen gemäß § 289d HGB angeben, ob sie ein Rahmenwerk für die Erstellung der nichtfinanziellen Berichterstattung genutzt haben. Für die betroffenen Unternehmen stellt sich somit die Frage, ob die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die Inhalte der CSRD-Berichterstattung festlegen, auch für die Erfüllung des alten Rechtsrahmens genutzt werden können. Denn diese wurden unter der Annahme, dass das Umsetzungsgesetz noch rechtzeitig für eine Anwendung auf das Berichtsjahr 2024 verabschiedet wird, als Vorbereitung der Berichterstattung 2024 genutzt.
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass die ESRS aufgrund ihrer Integration in das europäische Recht als anerkanntes Berichtsrahmenwerk zu betrachten sind. Somit können die ESRS auch für die Berichtspflichten des Geschäftsjahres 2024 eingesetzt werden. Auch ist laut IDW eine Teilanwendung einzelner Standards möglich, sofern die verwendeten ESRS und deren spezifische Inhalte entsprechend den Anforderungen des § 289d HGB klar und nachvollziehbar ausgewiesen werden.
Auch das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) empfiehlt Unternehmen, die ESRS als Rahmenwerk für ihre nichtfinanzielle Berichterstattung zu nutzen, um eine gesetzeskonforme und umfassende Berichterstattung zu gewährleisten. Besonders hervorzuheben sind dabei die Erweiterung des Wesentlichkeitsprinzips durch die doppelte Wesentlichkeit, die klare Vorgabe, eine ESRS-konforme nichtfinanzielle Berichterstattung als eigenständigen Abschnitt im Lagebericht darzustellen sowie die Möglichkeit, bestehende Daten und sektorspezifische Standards im Rahmen der Übergangsregelungen zu nutzen. Im Falle von Widersprüchen zwischen den ESRS- und HGB-Anforderungen spricht sich das Gremium für einen Vorrang der ESRS-Vorgaben aus.
Nichtfinanzielle Erklärung unter Anwendung der ESRS
Vor diesem Hintergrund ist den betroffenen Unternehmen anzuraten, die bereits getroffenen Vorbereitungen auf eine Berichterstattung nach ESRS auch für die Erstellung der nunmehr für das Geschäftsjahr 2024 abzugebenden nichtfinanziellen Erklärung nach altem Rechtsrahmen zu nutzen. Denn ein vollständiges Zurückstellen auf das alte Berichtsregime ist derzeit kaum noch abzubilden, zumal sich die Lageberichterstattung für das Geschäftsjahr 2024 auf der Zielgeraden befindet.
Was bedeutet dies für mittelständische Unternehmen?
Seit 1. Januar 2025 fallen auch übrige große Unternehmen und Mutterunternehmen großer Konzerne unter den Anwendungskreis der CSRD und müssen somit erstmals für das Geschäftsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht abgeben. Diese rund 13.000 mittelständischen Unternehmen, die seit 1. Januar 2025 unter die CSRD fallen, sollten schon jetzt in Vorbereitung auf den Nachhaltigkeitsbericht auf die ESRS zurückgreifen: Denn die Vorgaben sind so umfangreich und komplex, dass das Gesetzgebungsverfahren nicht abgewartet werden und nicht erst im Herbst mit der Vorbereitung begonnen werden sollte.
Das IDW hält eine rückwirkende Anwendung des CSRD-Umsetzungsgesetzes auf das Geschäftsjahr 2024 wegen Verletzung des Rückwirkungsverbots nach Art. 20 GG für verfassungsrechtlich unzulässig. Eine Umsetzung des Gesetzes im Jahr 2025 würde hingegen als verfassungskonform gelten, sofern die Vorgaben erstmals für das Geschäftsjahr 2025 Anwendung finden. Unternehmen wären somit verpflichtet, ab 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht nach den Vorgaben der CSRD zu erstellen, und sollten sich darauf auch in ihren Vorbereitungen einstellen. Sollte also das Gesetz im Laufe des Jahres 2025 verabschiedet werden, wären dessen Vorgaben also für den Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2025 anzuwenden. Das Problem für die betroffenen mittelständischen Unternehmen: Sollte sich die Verabschiedung des Gesetzes bis ins Jahr 2026 hinauszögern, gäbe es rechtlich keinerlei Verpflichtung zur Erstellung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung, da im Gegensatz zu den großen kapitalmarktorientierten Unternehmen kein Reporting Regime besteht, auf das sie zurückfallen würden.
Hinzu kommen Bestrebungen auf EU-Ebene, im Kontext des Ende Januar vorgestellten Competitiveness Compass zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union auch das ESG-Reporting zu vereinfachen. Ein Entwurf der sogenannten Omnibus-Verordnung, die insbesondere auf die CSRD, die EU-Taxonomie-Verordnung und das europäische Lieferkettengesetz CSDDD abstellen soll, ist für Ende Februar angekündigt. Im Raum stehen Kürzungen in Bezug auf die konkreten Berichtsinhalte sowie die Schaffung einer zusätzlichen Größenklasse, um − noch zu definierende − kleinere bilanzrechtlich große Unternehmen zusätzlich zu entlasten.
FAZIT
Mittelständische Unternehmen sehen sich somit einer doppelten Unsicherheit gegenüber, was in Anbetracht der übergeordneten aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen die Belastung derzeit eher noch erhöht. Es bleibt also zu hoffen, dass auf den politischen Ebenen schnell Klarheit geschaffen wird, damit sich mittelständische Unternehmen gezielt und effizient auf ihre Berichtspflicht vorbereiten können.