„Nachhaltigkeit ist ein enormer Werttreiber“

Interview mit Marc Thiery, Gründer, und Jochen Brellochs, Investment Partner, DPE Deutsche Private Equity

Im Interview mit Jochen Brellochs und Marc Thiery von DPE erfährt man, inwieweit Nachhaltigkeit ein enormer Werttreiber für Investoren ist.
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Nachhaltigkeit hat sich als treibende Kraft im Investmentmarkt etabliert, wobei immer mehr Gesellschaften erkennen, dass ökologische und soziale Verantwortung auch wirtschaftliche Vorteile bietet. In einem exklusiven Interview erklären Marc Thiery, Gründer, und Jochen Brellochs, Investment Partner von DPE Deutsche Private Equity, wie ihre langjährige Erfahrung in den Bereichen Energie, Umwelt und Soziales ihnen hilft, in nachhaltige Unternehmen zu investieren. Sie beleuchten, wie solche Investments nicht nur zur Erreichung von Klimazielen beitragen, sondern auch profitable Chancen bieten.

Unternehmeredition: Inwieweit ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema für DPE?

Marc Thiery: DPE hat eine lange Historie beim Thema Nachhaltigkeit. Wir sind themengetrieben und haben spezielle Sektoren ausgesucht, in die wir investieren wollen. Einer unserer fünf Investment-Sektoren ist Energie und Umwelt. In diesem Sektor haben wir 17 Jahre Erfahrung. Dazu zählen für uns jegliche Art von alternativen Energien, energiebezogene Dienstleistungen und Infrastrukturinvestments. All diese Themen rund um Energie haben wir uns schon angeschaut. Wir haben in Recyclingfirmen investiert, in ESG-Beratungsgesellschaften sowie in Firmen, die Klimaziele unterstützen. DPE hat hier einen langen und guten Track Record. Mit solchen Investments haben wir 3,7-mal Geld verdient, das ist mehr als der übliche Faktor 3, den wir mit anderen Transaktionen im Schnitt erzielen.

Was war denn Ihre Motivation, sich auf diesen Sektor zu spezialisieren?

Thiery: Es ist eine Kombination von zwei Dingen: Zum einen sehen wir, dass das ein interessanter Markt ist und dass gerade Deutschland hier eine sehr starke Position hat. Der Clean-Tech-Bereich hat seinen Ursprung überwiegend in Deutschland und operiert inzwischen weltweit. Hier wurden die Windräder erfunden, die Biogasanlagen und im Kern auch Solarenergie. Es gibt wenige Energiethemen im Umweltbereich, die nicht in Deutschland entwickelt wurden. Wir sind auch, was das Umweltbewusstsein angeht, eine der „grünsten“ Bevölkerungen der Welt. Hier war also schon immer ein Hotspot für diese Art von Unternehmen.

Es gab auch eine Hochphase mit Clean-Tech, in die anfangs sehr viel Geld reingeflossen ist. Es folgte eine Durststrecke, aber inzwischen sind zahlreiche Unternehmen auf einem Wachstumspfad und werden als Investments für uns relevant. Deutschland ist und bleibt ein sehr guter Markt für diese Art von Investments. Wir bei DPE haben das Potenzial von ESG als eines der ersten Investmenthäuser in Deutschland erkannt und das Thema vorangetrieben.

Wie sind Sie das Thema angegangen und was waren wichtige Schritte?

Thiery: Wir haben ab 2015 ESG-Prozesse eingeführt. Für jedes Investment seit Abschluss des zweiten Fonds haben wir eine ESG-Due-Diligence gemacht. Wir haben ESG-Themen auch auf Beiratsebene in die Portfoliofirmen eingebracht und über die Zeit sehr viel Erfahrung gesammelt. Gestartet sind wir mehr von einer Perspektive des Risikomanagements. Anfangs ging es vor allem darum sicherzustellen, dass in unseren Portfoliofirmen keine Gesetze gebrochen werden oder Skandale entstehen, die das Geschäft nachhaltig beschädigen.

Im Verlauf der Zeit wurde für uns immer klarer, dass ESG auch ein enormer Werttreiber ist. In der Tat kann man schneller wachsen, erfolgreicher und profitabler sein, wenn man gute ESG-Praktiken hat, diese misst und den Kunden und Mitarbeitern gegenüber kommuniziert. Wir sehen es eindeutig quer durchs Portfolio, dass die Unternehmen, die Vorreiter sind und sich von ihren Wettbewerbern über ESG-Kriterien und das entsprechende Marketing differenzieren, erfolgreicher sind. Und wir waren einer der ersten Private-Equity-Investoren in Deutschland, die das erkannt und umgesetzt haben.

Seit 2016 erstellen wir für unsere Investoren jedes Jahr ein ESG-Reporting. Wir sind davon überzeugt, dass Private Equity einen Riesenbeitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten kann. Meine persönliche Meinung ist, dass wir Klimaziele nicht über politische Prozesse erreichen. Weil globale Probleme wie die Klimaerwärmung nur global gelöst werden können. Und daran scheitern nationale Regierungen. Rettung werden letzten Endes innovative Technologien bringen, etwa zur Senkung des Energieverbrauchs, zur Nutzung alternativer Energiequellen oder zur Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung aus der Atmosphäre.

Und die Wirtschaft, die das aus Wirtschaftlichkeitsgründen umsetzt.

Thiery: Genau. Und es ist natürlich im ersten Schritt eine Aufgabe von Venture Capital, diese Firmen finanziell so zu unterstützen, dass sie ihre Produkte und Dienstleistungen marktfähig machen können. Im nächsten Schritt kommen Wachstumsinvestoren wie wir, die Unternehmen, helfen, ihre Umsätze von 20 oder 30 Mio. EUR auf 200 Mio. EUR zu skalieren. Meine Hypothese ist, dass Private Equity eine wesentliche Rolle bei der Lösung der Probleme spielt. Es muss technologische Vorreiter geben, die damit Geld verdienen, damit noch mehr Investitionen angezogen werden, sodass schließlich eine Art Schneeballeffekt entsteht und das benötigte Kapital zur Bewältigung der Probleme bereitgestellt wird. Auf dieser Logik baut die intrinsische Motivation unseres DPE-Teams auf.

Wäre da jetzt nicht der nächste logische Schritt ein Impact-Fonds?

Thiery: In der Tat sind wir sehr gut positioniert, einen Impact-Fonds aufzulegen, der äußerst viel bewirken, aber auch gleichzeitig Geld verdienen kann. Gerade heutzutage, wo das Geld knapp ist. Der Fundraising-Markt ist gegenwärtig äußerst schwierig, der schlechteste in den 30 Jahren, in denen ich im Bereich Private Equity unterwegs bin. Gerade in dieser Zeit, in der Fundraising an sich eine sehr schwere, harte und zähe Aufgabe ist, muss man so ein Zugpferd wie ESG haben. Für das Thema Impact kann man noch Gelder mobilisieren. Auf der Impact-Seite gibt es mittlerweile sehr viele Anbieter. Zum einen gibt es die ganzen Public Funds, die in Aktien investieren. Allerdings gibt es hier durch Greenwashing teilweise eine begründete Skepsis.

Ich wollte gerade sagen, die haben zum Teil ja nicht den besten Ruf.

Thiery: Leider stimmt das. Zum anderen gab es in dem Gebiet zahlreiche Investoren, von denen sehr viele kein Geld verdient haben, weil sie Unternehmen in sehr frühen Phasen finanziert haben. Da wurde viel Geld verbrannt, was dem Sektor teilweise eine schlechte Reputation im Hinblick auf Renditen eingebracht hat. Es gab auch viele Impact-Fonds, die nur soziale Ziele verfolgt haben, zum Beispiel die Gesundheit von Kindern in Afrika. Das sind wichtige Ziele, die Förderung brauchen, aber solche Projekte sind nicht darauf ausgelegt, Geld zu verdienen. Und dann tauchte das Problem Greenwashing auf: Als Beispiel investierten institutionelle Impact-Fonds in Kohlekraftwerke oder andere Relikte der Old Economy, verpassten sich aber über die Installation von Luftfiltern das Label „Impact Fonds“.

Es gab also eine ganze Menge Entwicklungen, auch auf der Ebene von Private Equity, die nicht unbedingt dazu beitrugen, diese Assetklasse voranzubringen. Hier differenzieren wir uns. Wir finanzieren Mittelstand mit einer Strategie, die wir schon seit 17 Jahren erfolgreich anwenden. DPE ermöglicht Wachstumsfinanzierung von etablierten Unternehmen. Wir haben sehr viel Expertise in den Bereichen. Eigentlich machen wir das, was wir schon immer gemacht haben, aber eben gezielt mit Unternehmen, die eindeutig und messbar Klimaziele und Ressourceneffizienz und andere Impact-Ziele verfolgen.

Können Sie bitte definieren, was generell unter „Impact“ in diesem Kontext überhaupt zu verstehen ist?

Jochen Brellochs: Es geht um Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen einen nachhaltigen, positiven Beitrag für Umwelt, Gesellschaft oder andere Interessensgruppen leisten. Es geht um mehr als Energie und Umwelt. Ziel ist es, das Leben der Menschen zu verbessern, beispielsweise im Gesundheitsbereich. Es ist eines der greifbarsten Beispiele für Impact, die Verfügbarkeit und Qualität von Gesundheitsleistungen zu verbessern, zum Beispiel in der Pflege oder der Pharmazeutik. Weitere bekannte Themen sind die Solarzelle auf dem Dach oder die Wärmepumpe im Haus. Da gibt es weltweit unglaublich viel zu tun und die Unternehmen in diesem Bereich werden sich noch jahrzehntelang weiterentwickeln müssen. Es braucht massive Investitionen, bis wir tatsächlich effektive Schritte in Richtung Klimaneutralität gehen. Auch bei Themen wie Digitalisierung im Gesundheitsbereich, Online-Finanztransaktionen oder Datensicherheit. Das sind alles Bereiche, wo Anbieter mit ihren Lösungen Nutzen für Privatverbraucher, Unternehmen oder Behörden schaffen.

Thiery: Mein Team und ich sehen diese vier Impact-Themen als die wichtigsten an:  Das erste ist der Klimawandel. Da geht es im Wesentlichen um CO2 -Reduktion. Bei Impact-Fonds ist man ja rechenschaftspflichtig, muss also genaue Ziele, KPIs, definieren und liefern. Und wie im Investment Case, wo es darum geht, bestimmte Mengen Geld zu verdienen, muss man sich im Impact Case klar festlegen, was man erreichen will. Und der wichtigste Maßstab ist hier die Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes.

Das zweite Thema ist Ressourceneffizienz. Da geht es um den effizienten Einsatz von Materialien, etwa durch Vermeidung von Materialverbrauch, Ersatz von weniger umweltfreundlichen Materialien durch nachhaltigere Stoffe oder Vermeidung von Ausschuss. Hinzu kommt die Rückführung von Materialien in den Kreislauf durch Recycling.

Drittes Thema ist Gesundheit, Jochen hat es bereits erwähnt. Wir sprechen hier von „Additionality“, also darum, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zusätzlich zu dem, was es heute bereits gibt, zu verbessern.

Viertes Thema ist Governance & Security. Hier geht es um das „G“ von ESG. Wichtige Bestandteile sind unter Anderem Cybersecurity, Datensicherheit und die dazugehörige Regulatorik.

Okay, das verstehen Sie grundsätzlich unter Impact.

Thiery: Ja, wir fokussieren uns auf diese vier Themen, von denen wir glauben, dass sie in Deutschland sehr relevant sind und wo es zahlreiche Firmen gibt, die finanzielle Unterstützung brauchen.

Brellochs: Außerdem gibt es einen zunehmenden Konsens, welche Themen und Rahmenkonzepte zur Messung und Entwicklung von Impact relevant sind. Daran orientieren wir uns. Wir berücksichtigen auch das, was über Deutschland und Europa hinaus angewendet wird.

Wie werden Sie dem Anspruch der Messbarkeit in der Praxis gerecht?

Brellochs: Messen und Kontrollieren von Impact sind bei uns schon lange gelebte Praxis. Natürlich haben wir uns die Impact-Potenziale bestehender und vergangener Beteiligungen angeschaut und sie analysiert. Impact ist zunächst die nach außen gerichtete Wirkung: Was tut man Gutes für Umwelt, Gesellschaft und Menschen? Daneben gibt es den eher nach innen, auf das Unternehmen gerichteten ESG-Bereich, der sich auf Prozesse oder Merkmale des Geschäftsbetriebs bezieht, beispielsweise auf Mitarbeiter, Gleichberechtigung usw. Den lebt DPE schon sehr lange und die beiden Seiten sind natürlich eng miteinander verknüpft. Im Bereich ESG erheben und messen wir bei unseren Beteiligungen über 100 KPIs. Hierfür haben wir ein internes Team aufgebaut, das von zwei Kollegen geleitet wird, von denen der eine diese Funktion langjährig in mittelständischen Unternehmen betreut hat. Insofern hat sich diese Kompetenz bei uns über die Jahre entwickelt.

Im Interview mit Jochen Brellochs und Marc Thiery von DPE erfährt man, inwieweit Nachhaltigkeit ein enormer Werttreiber für Investoren ist.
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Aber wie genau lassen sich die Vorhersagen in diesem Bereich treffen?

Brellochs: Es gibt Metriken, aber bevor man diese anwendet, muss man erst einmal Beziehungen herstellen, zum Beispiel zwischen Umsatz und Impact. Ein Beispiel: Wir haben in die Firma Engelmann investiert. Die stellt unter anderem Messgeräte für den Wärmeverbrauch her, die an den Heizungen von Apartmenthäusern angebracht sind, zum Teil sogar über Distanz. Diese Transparenz über den Verbrauch führt nachweislich dazu, dass die Bewohner ihren Energieverbrauch reduzieren und so weniger CO2 freigesetzt wird. Da lässt sich relativ schnell ermitteln, wie eine Firma Umsatz und Impact erzielt, wie hoch die Klimaeffekte sind und inwieweit das Unternehmen dadurch schneller wächst, dass wir es mit Kapital und Know-how unterstützen.

Die Quantifizierung erfolgt also durch die Technologie.

Thiery: Oft ja, aber nicht immer. Noch ein Beispiel: Unser Portfoliounternehmen Green Mobility Holding verleast Fahrräder und E-Bikes an die Mitarbeiter großer Firmen. Die Beschäftigten werden durch günstige Leasingbedingungen dazu motiviert, mit dem Fahrrad zu fahren und das Auto stehen zu lassen. Auch hier gibt es belastbare Studien darüber, wie viele Kilometer mit jedem geleasten Bike gefahren werden und wie viele Kilometer beim Auto eingespart werden.

Es geht also darum, dass man nachweisen kann, wie viel CO2 eingespart wurde.

Thiery: Richtig. Das ist der Impact-Case, aber wir haben natürlich zu jedem Investment auch den Investment-Case, bei dem wir angeben, wie viel Geld wir damit verdienen. Da geht es darum, wie sich die Firma weiterentwickelt, wie sie profitabler wird und schneller wächst, ob es strategische Käufer gibt. Und so tragen wir zum Wachstum von Unternehmen und deren positivem Impact bei.

Für Sie macht ein Impact-Case also nur Sinn, wenn er gleichzeitig ein Investment-Case ist?

Thiery: Ja, für uns ist das überhaupt kein Widerspruch. Es gibt genügend Unternehmen in Deutschland, die Impact-Ziele verfolgen und Kapital brauchen, um zu wachsen und erfolgreicher zu sein. Wir wenden die Investitionsstrategie an, die wir schon immer angewendet haben, um deutsche Mittelstandsfirmen im Wachstum zu unterstützen. Das ist für uns kein Gegensatz. Wenn man in einen Fonds investiert, der die Gesundheitsversorgung in Afrika verbessert, dann ist das ja von vornherein ein rein soziales, philanthropisches Engagement. Wir glauben, dass man, wenn man die beiden Dinge verbindet, mehr Investitionen ins System reinbringt. Wenn wir einen Fonds auflegen, der sowohl im Hinblick auf seinen Impact und auf die Rendite erfolgreich ist, dann können wir beim nächsten Mal einen deutlich größeren Fonds schaffen, der noch mehr bewirken kann. Und wir motivieren Nachahmer in der Branche. Es wird also mehr und mehr Geld für Impact-Investments zur Verfügung gestellt.

Im gesamten Mittelstand beobachten wir einen Trend zur immer stärkeren Hinwendung zu Nachhaltigkeitsthemen. Immer mehr Unternehmen sind Themen wie Umweltschutz, schonender Umgang mit Ressourcen oder soziale Aspekte wie Mitarbeiterzufriedenheit sehr wichtig. Wir müssen hier meist keine Überzeugungsarbeit leisten, sondern Know-how und Kapital zur Verfügung stellen, damit diese Unternehmen wachsen können. Beim Know-how geht es zum Beispiel darum, effiziente Instrumente zur Messung des ökologischen und sozialen Impacts zur Verfügung zu stellen, die Mittelständler bisher nicht genutzt haben.

Könnte man das Thema nicht weiter intrinsisch bei jedem Projekt mitumsetzen? Also warum braucht es dieses Label „Impact“? Ist das Marketing?

Thiery: Nein, das ist viel mehr. Im Fokus stehen bei Impact-Fonds der Output und die Metrik. Sie haben vorhin selbst gefragt, wie man die ökologische und soziale Wirksamkeit misst. Es gibt sehr viele Frameworks, wie man diese Zahlen erhebt und durch Wirtschaftsprüfer kontrollieren lässt. Diese Frameworks werden auch immer stärker standardisiert, also vergleichbar gemacht. Allerdings ist Impact-Messung komplex und wir haben einige Zeit gebraucht, bis wir vollkommen verstanden haben, wie man Impact valide misst. Die Messmethoden werden sich stetig weiterentwickeln. Es gibt ja auch negativen Impact. Da wird es dann richtig kompliziert.

Brellochs: Stichwort „Solarpark auf dem Korallenriff“.

Thiery: Ja, oder nehmen wir das Beispiel einer Batterie-Technologie, die dazu führt, dass die benötigten Rohstoffe irgendwo in der Welt auf übelste Art und Weise abgebaut werden. Mit hohem Umweltschaden zum Beispiel durch Boden- oder Gewässerverschmutzung, plus Missachtung der Menschenrechte von derjenigen, die beim Abbau beschäftigt werden.

Bei vielen Impact-Themen gibt es einen positiven und einen negativen Impact. Wie man das jeweils misst, abwägt und berichtet ist enorm komplex – unter anderem zum Beispiel infolge abstrakter Lieferketten. Wenn es einfach wäre, gäbe es das schon seit 20 Jahren. Aber weil es eben so kompliziert ist, entwickeln sich die Bewertungsansätze und Metriken, damit das nachvollziehbar und prüfbar wird. Dazu gehört äußerst viel Know-how.

Wie lange dauert es, bis hier verlässliche Standards eingeführt sein werden?

Brellochs: Auf europäischer Ebene wurde in den letzten Jahren verschiedene Regulierungen etabliert, die hier mittelfristig Standards setzen dürften. Die EU hat 2020 die EU-Taxonomy vorgestellt. Dieser Standard versucht ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu beschreiben und dabei negative Auswirkungen („significant harm“) auszuschließen. Aus eigener Erfahrung mit unseren Portfoliounternehmen stellt sich die Situation aber fast immer als äußerst komplex heraus. Zusätzlich zur EU-Taxonomy müssen sich bestimmte Unternehmen auf die 2023 eingeführte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) einstellen.

Als Finanzmarktteilnehmer unterliegen wir der SFDR, Sustainable Finance Disclosure Regulation, die 2019 vorgestellt und seitdem einige Male angepasst und ergänzt wurde. Dieses Jahr kam von EU-Seite eine neue Bekanntmachung, weil man gemerkt hat, dass die Begrifflichkeit unklar war und den Endverbraucher verwirren kann. Hier wurden jetzt klare Richtlinien erlassen, wie sich „Sustainability“ von „Environmental Investing“ und „Impact Investing“ abgrenzen lassen.

Komplexität und Dynamik der Regulierung spiegeln letztlich wider, wie schwierig sich die tatsächlichen Folgen einer Wirtschaftstätigkeit bewerten lassen. Als DPE sind wir mit unserer tief verankerten Nachhaltigkeitsphilosophie und unseren internen Strukturen sehr gut aufgestellt und der Regulierung vielleicht sogar schon etwas voraus, sodass wir selten nachschärfen müssen, um den Auflagen zu genügen. Und gleichzeitig haben wir genug Kompetenz an Bord, um unsere Portfoliofirmen dabei unterstützen, sich auf die Regulierung vorzubereiten.

Thiery: Ich gehe davon aus, dass in 20, 30 Jahren der weit überwiegende Anteil aller Finanzinvestitionen oder Finanzierungen zu einem gewissen Grad nachhaltig sein müssen. Das ist die Zukunft.

Lieber Herr Thiery, lieber Herr Brellochs, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Dieser Beitrag erscheint auch in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024 mit Schwerpunkt “Unternehmensverkauf / M&A / Private Equity” (Erscheinungstermin: 20. September 2024).


ZU DEN PERSONEN

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Marc Thiery ist Managing Partner und Gründer von Deutsche Private Equity (DPE) – einer unabhängigen Beteiligungsgesellschaft, die als partnerschaftlicher Investor mittelständische Unternehmen auf ihrem Wachstumspfad unterstützt. Vor seiner Tätigkeit bei DPE hatte Marc Thiery verschiedene Positionen bei einer Reihe führender europäischer Private-Equity-Firmen inne, darunter Englefield Capital (heute Bregal), Morgan Stanley Capital Partners und Apax in London sowie Allianz Private Equity Partners in München.

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Dr. Jochen Brellochs ist Investment Partner bei DPE und fokussiert auf mittelständische Unternehmen mit starker Marktpositionierung und großem Wachstumspotenzial im Bereich Nachhaltigkeit. Er ist seit mehr als 15 Jahren als Investor in Wachstumskapital und Private Equity tätig und begann ab 2008 in Clean Technology und andere Nachhaltigkeitsunternehmen zu investieren.

www.dpe.de

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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