Fusionen und Übernahmen (M&A) sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen Unternehmenslandschaft. Nicht nur Großunternehmen, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind zunehmend Akteure auf diesem Markt. Mit einem Anteil von rund 99 % am gesamten Unternehmensbestand sind KMU nicht nur das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sondern auch ein attraktives Ziel für M&A-Transaktionen. KfW Research hat sich ausführlicher mit den M&A-Aktivitäten im deutschen Mittelstand seit 2020 beschäftigt. Die M&A-Aktivitäten im deutschen Mittelstand haben sich seit der Corona-Krise deutlich verändert. Während einige Branchen wie das verarbeitende Gewerbe und die IKT-Industrie weiterhin im Fokus von Investoren stehen, sind andere Bereiche wie der Handel in den Hintergrund gerückt. Auch auf der Käuferseite zeigt sich eine verstärkte Beteiligung ausländischer Investoren. Der Trend zu vollständigen Übernahmen hat sich seit 2020 deutlich verstärkt,
Rückgang der M&A-Aktivitäten durch Corona
Die Corona-Krise hat die M&A-Aktivitäten im deutschen Mittelstand deutlich eingebremst. Laut der Transaktionsdatenbank Orbis M&A fiel die Anzahl abgeschlossener Transaktionen, bei denen ein deutsches KMU Zielunternehmen war, von rund 1.300 im Jahr 2017 auf nur 760 im Jahr 2020. Die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen trafen KMU besonders hart, was zu einem starken Rückgang der Übernahmeaktivitäten führte. Ein großer Teil der Unternehmen musste sich auf die Bewältigung der Krise konzentrieren, wodurch langfristige strategische Entscheidungen, wie M&A, in den Hintergrund traten. Die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten und die schwierige Kaufpreisfindung verschärften die Situation.
Kaum Erholung seit 2021
Im Jahr 2021 setzte sich die Unsicherheit fort, und die nachfolgende Energiekrise im Jahr 2022 ließ keine schnelle Erholung des M&A-Marktes zu. Die Anzahl der Transaktionen blieb auf einem niedrigen Niveau, und es zeichnete sich keine Rückkehr zu den Zahlen vor der Pandemie ab. Die M&A-Aktivitäten lagen um ein Drittel unter dem Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2019. Auch im ersten Halbjahr 2024 deuten die Zahlen auf eine weiterhin verhaltene Marktentwicklung hin, was auf die anhaltend trüben wirtschaftlichen Aussichten und das hohe Zinsniveau zurückzuführen ist. Die KfW-Analyse zeigt, dass bestimmte Branchen besonders stark von M&A-Transaktionen betroffen sind. Besonders im Fokus stehen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Im Zeitraum 2020 bis 2023 entfielen rund 33% aller mittelständischen M&A-Deals auf diesen Wirtschaftsbereich. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft dieser Unternehmen machen sie zu attraktiven Zielen für Investoren. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes sind besonders Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten, Maschinenbauunternehmen und Hersteller von Metallerzeugnissen begehrt.
Neben dem verarbeitenden Gewerbe erlebte auch die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Branche einen Anstieg der M&A-Aktivitäten. Seit der Corona-Pandemie hat das Interesse an IKT-Unternehmen deutlich zugenommen. Während zwischen 2005 und 2019 nur 18,6% der M&A-Deals im Mittelstand auf IKT-Unternehmen abzielten, stieg dieser Anteil im Zeitraum 2020 bis 2023 auf 27,6%. Der Digitalisierungsschub während der Pandemie hat die Attraktivität dieser Unternehmen weiter gesteigert. Im Gegensatz zu den Wachstumsbranchen verzeichnete der Handelssektor seit der Pandemie einen deutlichen Rückgang der M&A-Aktivitäten. Zwischen 2020 und 2023 entfielen nur noch 6,6 % der mittelständischen M&A-Deals auf Handelsunternehmen. Vor der Pandemie lag dieser Anteil bei durchschnittlich 10,6 %. Besonders der Einzelhandel war von einem Rückgang betroffen, was die schwierige wirtschaftliche Situation in diesem Bereich widerspiegelt.
Veränderungen in den Käuferstrukturen
Auch auf der Käuferseite zeigen sich klare Trends. Das verarbeitende Gewerbe dominiert weiterhin und stellte zwischen 2020 und 2023 etwa 31% der Käuferunternehmen. Besonders aktiv waren Unternehmen aus den Bereichen Datenverarbeitungsgeräte, Maschinenbau und Kraftfahrzeuge. Auch die IKT-Branche hat sich seit der Pandemie als besonders aktive Käufergruppe etabliert. Etwa 22,6% der M&A-Deals im Mittelstand hatten ein IKT-Unternehmen als Käufer. Besonders auffällig ist der gestiegene Anteil ausländischer Investoren seit 2020. Während zwischen 2005 und 2019 durchschnittlich nur 40% der Käufer aus dem Ausland stammten, stieg dieser Anteil zwischen 2020 und 2023 auf 49%.
Vollständige Übernahmen dominieren
Ein weiterer Trend, der sich seit der Corona-Krise verstärkt hat, ist der Anstieg von vollständigen Übernahmen. Zwischen 2020 und 2023 wurden 75% der M&A-Deals im deutschen Mittelstand als vollständige Übernahmen abgewickelt. Dies markiert einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie, in denen dieser Anteil bei rund 60% lag. Die Zunahme vollständiger Übernahmen könnte darauf hindeuten, dass Käufer angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Lage mehr Kontrolle über das Zielunternehmen anstreben. Minderheitsbeteiligungen und Mehrheitsbeteiligungen spielen hingegen eine zunehmend geringere Rolle.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.