„Mit TTIP ein Gegengewicht zu China bilden“

Mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) wird auch einer der größten Wirtschaftsräume der Welt gestärkt: Bereits heute werden im Handel zwischen Europa und den USA 50 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Auch unter geopolitischen Aspekten ist eine Stärkung des Handelsraums sinnvoll. Denn Schwellenländer wie China schlafen nicht. Stephan Gais vom Fertigungsmesstechniker Mahr GmbH gibt Einblicke.

Wie erklären Sie sich die Ablehnung von TTIP in Teilen der Öffentlichkeit?

Weil viele Menschen in Deutschland kein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge haben. Die lassen sich von Interessengruppen verleiten, die ihnen die abstrusesten Horrorgeschichten erzählen. Die Menschen verstehen die Zusammenhänge einfach nicht. Aber am Ende hängen Arbeitsplätze daran.

Müsste die Politik da nicht stärker aufklären?

Natürlich müsste sie das. Man kann ja über jedes einzelne Detail sprechen, aber man sollte vielleicht das Chlorhuhn weglassen, weil es zum Reizbegriff geworden ist. So lächerlich das ist, denn in jedem Schwimmbad nimmt ein Mensch mehr Chlor auf, als durch ein Chlorhuhn. Wir müssen TTIP unbedingt schaffen. Die Politik muss die Bevölkerung da mitnehmen. Man muss den Leuten sagen, dass der Verbraucherschutz in den USA extrem hoch ist. Wenn man allein sieht, welche Haftungssummen in den USA anstehen. Die Produkthaftpflicht ist viel größer. Die Politik muss der Bevölkerung auch klarmachen, dass es Kompromisse geben muss. Es ist das Wesen von Verhandlungen, dass am Ende immer ein Kompromiss steht. In der Regel kann sich keine Seite zu hundert Prozent durchsetzen.

Sollte TTIP die Basis sein für eine weltweite Harmonisierung von Standards?

Die Vorstellung eines freien Handels in der Welt ist der Traum eines jeden deutschen Exporteurs. Nach dem Scheitern der Welthandelsorganisation sind die Staaten dazu übergegangen, bilaterale Freihandelsabkommen zu schließen. Deutschland hat weit über hundert solcher Abkommen schon unterzeichnet. Viel besser wäre es natürlich, wenn es überall einheitliche Standards gäbe. Aber man muss pragmatisch sein und das Machbare umsetzen. Durch TTIP würde der Einfluss dieses europäisch-amerikanischen Wirtschaftsraums enorm steigen. Er hätte an der Weltwirtschaft einen Anteil von zwei Dritteln. Da bleibt den anderen gar nicht so viel übrig, als sich damit anzufreunden.

Was wäre die Konsequenz eines Scheiterns von TTIP?

Schaffen wir TTIP nicht, dann können wir davon ausgehen, dass Europa abgehängt wird. Böse Zungen behaupten ja, dann kommt in Zukunft IT-Software aus den USA, die Werkstatt der Welt ist China und zum Spazierengehen gehen die Leute der Welt ins Museum Europa. Ein Scheitern muss unbedingt verhindert werden. Sonst werden uns früher oder später die Chinesen ihre Standards aufzwingen. Wenn wir als Europa weiterhin in der Welt mitreden wollen, gibt es keine Alternative zu TTIP.


Zur Person

Sieht TTIP als Chance der Industrieländer: Stephan Gais.

Stephan Gais ist Geschäftsführender Gesellschafter der Mahr GmbH aus Göttingen. Das mittelständische Unternehmen ist der weltweit drittgrößte Hersteller von Fertigungsmesstechnik. Kunden sind u.a. die Automobilindustrie, Luft und Raumfahrt sowie Medizintechnik. In den USA hat Mahr einen Standort in Providence/Rhode Island an der Ostküste. www.mahr.de

Das Interview ist Teil einer Serie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), für die Mitgliedsunternehmen zum Thema TTIP befragt wurden. Lesen Sie die Interviews auch auf vdma.org.

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